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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Weise äußerst einfach, wo nicht ärmlich. Mit einer europäischen Universität ist deshalb die Aszhar-Moschee nach keiner Richtung hin auch nur im Entferntesten zu vergleichen.

In jenen Jahren nun waren dort zwei neue Ulemas aufgetreten, die sich durch ihre fanatischen antichristlichen Vorträge besonders hervorthaten und alsbald einen außerordentlich großen Zuhörerkreis um sich versammelten. Beide Lehrer verweilten vorzugsweise gern bei der Erklärung derjenigen „Suren“ (Capitel) des Korans, die, wie z. B. die siebenundvierzigste, vom Kriege gegen die Ungläubigen, speciell gegen die Christen handeln und wo es unter Anderem heißt: „Wenn ihr mit den Ungläubigen zusammentrefft, so schlagt ihnen die Köpfe ab, bis ihr eine große Niederlage unter ihnen angerichtet habt! Die so für die Religion Allahs kämpfen, wird Er in das Paradies leiten, das Er ihnen versprochen hat.“[1] Als man in den Regierungskreisen mehr zufällig von diesen Vorträgen hörte, bekümmerte man sich nicht sonderlich darum; die Aszhar-Moschee steht ohnehin nicht unter der Jurisdiction irgend eines Ministers, sondern erkennt nur den Groß-Scherif von Mekka und in untergeordneten Fragen dessen Vertreter, den Mufti von Kairo, als ihr Oberhaupt an. Einer von den beiden Ulemas wurde aber doch als Kadi nach Tantah versetzt, wo er sich möglicher Weise jetzt an den dortigen Metzeleien betheiligt hat. Es wurde auch, auf Befehl des Khedive, eine Untersuchung eingeleitet, die aber nichts Erhebliches an den Tag brachte, nur daß man bei vielen Studenten Waffen fand, meist Dolche und Revolver, die einfach confiscirt wurden, und man glaubte damit die Sache abgethan. Dem war aber nicht so; denn es kam ein anderes Element hinzu, das schon eine ernstere Beachtung verdiente. Es wurden nämlich bald darauf in Kairo von Zeit zu Zeit kleine in arabischer Sprache verfaßte aufhetzende Flugblätter verbreitet, deren Inhalt augenscheinlich auf die unteren Classen berechnet war.

Fütterung des Giraffenkälbchens im Zoologischen Garten zu Dresden.
Originalzeichnung von Paul Heydel.

Woher sie kamen und wo sie gedruckt wurden, wußte Niemand; man fand sie überall, in den Läden und Bazars, auf den steinernen Bänken am Eingang der Häuser, auf den Geländern der öffentlichen Brunnen und in den Vorhöfen der Moscheen, wohin eine unsichtbare Hand sie über Nacht gelegt haben mußte, und immer vorzugsweise in den arabischen Stadttheilen. In diesen Blättern wurde eine sehr derbe und deutliche Sprache geredet; die unsinnige Verschwendung des Khedives wurde geradezu als die Ursache des nahe bevorstehenden gänzlichen Ruins Aegyptens dargestellt; der Muffetisch, der damals noch am Ruder war, wurde der Volksjustiz überwiesen, die Unfähigkeit der übrigen Minister und die Bestechlichkeit und Raubsucht der höheren Beamten, namentlich auch der Mudirs in den Provinzen stark gegeißelt, aber vor Allem das Institut der Generalcontroleure an den Pranger gestellt und die einzelnen Personen desselben rücksichtslos verspottet.

  1. In der dritten Sure heißt es: „Die wahre Religion vor Gott ist der Islam; wer sich zu einer anderen Religion als zum Islam bekennt, dessen nimmt sich Gott nicht an; denn er gehört zu den Verlorenen“ – und in der siebenten Sure: „O ihr Gläubigen! nehmet weder Juden noch Christen zu Freunden! Wer dies thut, der ist Einer von ihnen.“ Diese wenigen Citate genügen wohl schon als Beweis der absoluten Unduldsamkeit des Islams.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_541.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)