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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

und französischen Blättern von der civilisatorischen Mission der beiden Großmächte in Aegypten geredet wird, sind Phrasen; England und Frankreich bestehen, wie der Jude Shylock, auf ihrem Schein, und auf dem englischen Schein steht außerdem noch der Suezcanal, den England gar zu gern für sich allein haben möchte.

Anfänglich ging auch Alles gut unter dem neuen Khedive, und es wäre noch bester gegangen, wenn nicht der abgesetzte Ismaïl von Italien aus fortwährend in Kairo und Alexandrien intriguirt hätte. Seine gut besoldeten Emissäre zogen umher und suchten die unteren Volksclassen aufzureizen, weniger gegen die Regierung selbst, als gegen die Europäer und speciell gegen die englisch-französischen Finanzcontroleure, die natürlich wieder ihre früheren Plätze eingenommen hatten. Ja, wer weiß, ob Ismaïl nicht schon damals die früheren geheimen Fäden mit der Militärpartei weitergesponnen hat, wo nicht gar mit Arabi selbst, dem trotz Allem der Exkhedive um vieles höher steht, als die verhaßten Inglisi und Frenzi.

Tewfik ließ sofort namhafte Ersparnisse eintreten, und, was große Anerkennung verdient, er begann damit in seinem eigenen Hause. Der frühere verschwenderische Hofhalt wurde eingeschränkt und die skandalöse Haremswirthschaft, die unter Ismaïl jährlich mehrere Millionen (nicht Franken, sondern Pfund Sterling!) verschlungen hatte, insofern abgeschafft, als der neue Khedive nur eine Gattin besaß und deren Hofstaat möglichst einfach einrichtete.

Die rückständigen Besoldungen wurden bezahlt, die Weiterführung der unter Ismaïl begonnenen kolossalen Bauten fast ganz eingestellt und die Mudirs in den Provinzen besser überwacht und controlirt, sodaß sie, wie eine alexandrinische Zeitung damals naiv bemerkte, doch nur mehr die Hälfte der eingegangenen Steuern bei Seite schaffen konnten. Das war etwas und jedenfalls ein guter Anfang; nur war die Noth zu groß, die unheilvolle Mißwirthschaft zu tief eingerissen, um schon in anderthalb Jahren überall ersprießliche Wandlung zu schaffen.

Auch der Charakter des neuen Khedive, seine frühere Erziehung und seine Anschauungsweise müssen dabei billig in Betracht gezogen werden. Tewfik ist ein strenggläubiger Mohammedaner, der alle Vorschriften des Korans, Gebete, Waschungen und Fasten, gewissenhaft beobachtet, und als solcher folgerichtig allem christlichen Wesen abhold ist.


R.P.       GÖSSWEINSTEIN v. d. Kegelbahn aus       Kae. & Oe. X. I.
Bilder aus der fränkischen Schweiz: Gößweinstein.
Originalzeichnung von R. Püttner.

Er hatte als Prinz immer nur wenig Umgang mit Christen, und am wenigsten mit den vielen Franzosen am Hofe seines Vaters gehabt, was ihn freilich nicht verhinderte, sofort nach seiner Erhebung einen Franzosen, Godard Bey, einen anerkannt rechtschaffenen und verständigen Mann, zu seinem Cabinetssecretär zu machen; er war ferner nie in Europa gewesen und stand mit seinem Bruder Hussein, den er spöttisch den „Pariser“ nannte, auf gespanntem Fuße, und ähnlich mit Hassan, der von jeher die Engländer vorzog; er kennt beide Sprachen nur oberflächlich und spricht sie ungern; er tadelte es immer laut, daß in Ismaïl’s Umgebung und auf allen Ministerien und den höheren „Divans“ fast nur französisch gesprochen wurde. Erst später, als Khedive, hat er, aus Politik und der Nothwendigkeit nachgebend, sich mehr den Engländern und Franzosen zugeneigt, ohne dabei aufzuhören, dieselben, und vorzüglich die Ersteren, als seine ungestümen Dränger zu betrachten und als das peinlichste Element der ihm von seinem Vater überkommenen unseligen Erbschaft. Trotzdem wäre vielleicht doch noch Alles gut gegangen, wenn sich nicht in Aegypten selbst im Stillen eine Partei herangebildet hätte, die, von der Regierung anfangs unterschätzt, immer weiter und weiter um sich griff und plötzlich dem Throne als eine Macht gegenüber stand, mit der nicht allein ernsthaft gerechnet werden mußte, sondern die gar bald den Anschein gewann, als wolle sie die Herrschaft im Lande ganz an sich reißen. Das war die ägyptische Nationalpartei, wie sie sich anfangs nicht ohne eine gewisse Berechtigung nannte, mit dem Wahlspruch: „Aegypten für die Aegypter“, und das Haupt derselben trat jetzt aus dem Dunkel hervor und zwar in der Person des Obersten Arabi, der auch aus seinem Programm, das jenen Wahlspruch an der Stirn trug, gar kein Hehl machte. So wenigstens ist die erste Phase der Bewegung aufzufassen, die nur jetzt von gar Vielen übersehen wird, weil die späteren Ereignisse den Führer und seine Sache in einem ganz anderen Lichte erscheinen ließen.

Diese Ereignisse, die indeß zur Zeit noch keineswegs ein entscheidendes Endergebniß bieten können, dürfen wir wohl bei unsern Lesern als bekannt voraussetzen; wir werden deshalb in einem letzten Artikel die Bewegung nur von ihrer nationalen Seite beleuchten und die eigentlichen Ursachen ihrer Entstehung darlegen, und dies sowohl im Hinblick auf die augenblickliche Lage, wie auch auf die nächste Zukunft des ägyptischen Volkes.




Blätter und Blüthen.

Aufbruch zum Hochzeitstanze. (Mit Abbildung Seite 525.) Der buntfarbige Strom der Touristen und Sommerfrischler hat bereits, von der Tiefebene gegen das Hochgebirge strömend, die romantisch gelegenen Orte der deutschen Berge besetzt. Da ereignet sich wohl oft, daß die Städter zu neugierigen Zeugen einer fröhlichen und farbigen Bauernhochzeit werden und daß auf diese Weise ein buntes Treiben sich entwickelt, in welchem mit dem Panzercorsett der Weltdame das schmucke Mieder der Sennerin rivalisirt. Der Düsseldorfer Genremaler Jacob Leisten hat in seinem von uns reproducirten Gemälde mit seltener Lebenstreue eine solche Scene dargestellt. Der Künstler, 1845 zu Düsseldorf geboren, besuchte in den Jahren 1861 bis 1863 die Akademie seiner Vaterstadt und das Atelier des Bildhauers Reiß. Erst seit 1864 wandte er sich der Malerei zu. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in München kehrte Leisten 1873 nach Düsseldorf zurück, wo er die meisten seiner geistvollen Compositionen malte; namentlich fanden: „Ein Liebesbrief“, „Werther und Lotte“, und die früher in der „Gartenlaube“ reproducierten Bilder „Zwei Wittwen“ (Jahrgang 1872, S. 411, und „Gratulationsbesuch bei der Gutsherrschaft“ (Jahrgang 1877, S. 13) Anerkennung.




Kleiner Briefkasten.

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Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_536.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2023)