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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Commilitonen, den alten und jungen Studenten der betreffenden Hochschule gewahrt. Kann es auch anders sein? Wo der Jüngling seine seligste Lebenszeit – „die Tage der Rosen“ – genossen, dort haften unaustilgbar seine liebsten Erinnerungen, dorthin sehnt er sich auch als Mann, ja als Greis noch zurück, und ruft ein solcher höchster Festtag, ein Jubiläum, die Genossen aus aller Welt zur Feier zusammen, so bringt Jeder, der es vermag, auch Weib und Kinder mit, und so werden akademische Familienfeste fertig, wie sie inniger und sinniger von keinem anderen Volke gefeiert werden können.

All diese Jubelfreuden, unter welchen die Scenen des Wiedersehens graugewordener Jugendfreunde, deren Lebenswege oft ein halbes Jahrhundert lang sich nicht begegneten, wohl zu den ergreifendsten gehören, geben in diesen Tagen dem stattlichen Würzburg erhöhten Schmuck. Wie herrlich die Lage dieser ehemaligen fränkischen Fürstbischofs-Residenz ist, zeigt unsere Abbildung im Jahrgange 1866 Nr. 45;[WS 1] die Beigabe der traurigen Zeit, die Beschießung der Festung Marienberg, stört uns jetzt nicht mehr. Wenn heute dort Kanonen donnern, so gehören sie zu den Stimmen des festlichen Jubels.

Was nun die Würzburger Universität betrifft, so ist ihre Gründung kein Werk von einem Tage gewesen. Der erste Grund zu einer hohen Schule daselbst soll schon im Jahre 942 von dem Bischof Poppo dem Dritten gelegt worden sein; der wirkliche Ausbau gelang erst 1403, aber schon zehn Jahre darnach hatte diese Hochschule mit der Ermordung ihres ersten Rectors ein Ende. Der Tod stellte sich sogar einem zweiten Versuch, durch Gründung eines Gymnasiums den Uebergang zu einer Universität zu bahnen, entgegen, indem er den Fürstbischof Friedrich von Wirsberg 1564 eiligst mit sich nahm. Es gehörte ein Mann dazu, der noch nach Jahrhunderten für Krankheitsvertreibung und Lebensverlängerung zu sorgen verstand, um ein dauerndes Werk zu gründen: dieser Mann war Julius Echter von Mespilbrunn, der Stifter des weltberühmten Julius-Hospitals. Wohl erzeigte sich derselbe als ein ebenso eifriger Jesuitenfreund wie Ketzerfeind, sodaß auch er zu denen gehört, welche zu Folge der Glaubenstrennung in Deutschland von dem einen Theile gesegnet und vom anderen verdammt werden. Da er aber mit allem Guten, das er unternahm, es redlich meinte, so soll heute kein Schatten auf sein Andenken fallen. Hat er doch seine Sorge auch dem edlen Weinbau zugewandt, und wir müssen es ihm gar wohl zu einem Verdienst anrechnen, daß sein Julius-Hospital in seinen Kellern den vorzüglichsten und heilsamsten Rebensaft pflegt. Oder ist es kein Ruhm, daß der tröstliche Reim entstehen konnte: „Frankenwein – Krankenwein“? –

Am 2. Januar 1582 wurde die neue Hochschule eröffnet; der Gründer selbst war ihr erster Rector. Ihr erstes hundertjähriges Jubiläum feierte sie vom 19. bis 29. Juli 1682, das zweite vom 29. Juli bis 8. August 1782. Nachdem Würzburg 1803 baierisch geworden war, erfuhr die Akademie unter Maximilian Joseph eine neue Organisation und war fortan als die Alma Julia-Maximiliana zu preisen, als welche sie nun ihr drittes Jahrhundert-Ehrenfest begeht. Es waren große historische Festzüge in Aussicht gestellt, aus daß, wo das Herz jubelt, auch das Auge nicht zu kurz komme. Um so mehr wird namentlich diejenigen Freunde und Verehrer der Hochschule, welchen es nicht vergönnt ist, dort selbst mit zu schwärmen, die Nachricht erfreuen, daß die Vorbereitungen zu einer „Illustrirten Chronik dieser dritten Säcularfeier" getroffen sind und daß diese unter dem Titel „Alma Julia“ gleich nach dem Feste erscheinen wird. Mit den dort feiernden Schaaren aber stimmen wir freudig ein in das „Alma Julia Maximiliana hoch!“

Fr. Hfm.





Die Ueberraschungen des letzten Kometen. Der im Juni nur ganz vorübergehend dem bloßen Auge sichtbar gewordene letzte Komet – nach seinem ersten Entdecker der „Komet Wells“ genannt – hat den mit dem Spectroskop bewaffneten Beobachtern einige gänzlich unerwartete Aufschlüsse gegeben. Wie die Leser der „Gartenlaube“ aus dem Artikel über den vorjährigen Kometen (Jahrg. 1881, S. 498) wissen, haben die seit dem Jahre 1864 der Spectralanalyse unterworfenen Kometen (von denen etwa ein Dutzend genauer untersucht werden konnte) ganz übereinstimmend ein Spectrum ergeben, welches demjenigen glich, das man beobachtet, wenn elektrische Funken durch Leuchtgas, Petroleumdampf oder Alkoholdampf schlagen, das heißt mit anderen Worten: sie zeigten stets das Spectrum einer Kohlenwasserstoffverbindung, welche sich durch drei breite, nach der einen Seite verwaschene Streifen auszeichnet. Der berühmte, vor Kurzem verstorbene Leipziger Astrophysiker F. Zöllner, welcher auf diesem Gebiete bahnbrechend gewirkt hat, schloß daraus, daß die Kerne der Kometen, das heißt die von einer Dunsthülle umgebenen eigentlichen Massen dieser Gestirne, aus denen sich die mächtigen Schweife erst bei ihrer Annäherung an die Sonne entwickeln, vielleicht aus flüssigem Petroleum bestünden, also aus einer Substanz, die auch im Erdinnern in großen Massen vorkommt und bei der Zertrümmerung eines größeren Planeten leicht derartige kaltflüssige Weltkörper gebildet haben könnte. Da die Kometenkerne neben dem zurückgeworfenen Sonnenlichte des Schweifs und der Hülle, welches sich im Spectrum durch die dunklen Fraunhofer’schen Linien kennzeichnet, deutlich auch eignes Licht ausstrahlen, so entsprang die Frage, ob diese brennbaren Massen in Folge der großen Nähe, in welcher sie bei der Sonne vorübereilen, vielleicht in Gluth oder Brand gerathen. Zöllner glaubte indessen, es möchte sich nur um ein elektrisches Leuchten, etwa wie das andauernde Leuchten einer Gewitterwolke, handeln, wie er denn die entschiedene Abwendung der meisten Kometenschweife von der Sonne als eine elektrische Abstoßung des durch das Sieden der Kometenmasse gebildeten elektrischen Dampfes ansah.

Der Komet Wells zeigte nun zum ersten Male ein gänzlich verschiedenes Spectrum. Nach Beobachtungen, die zuerst von Professor H. C. Vogel aus denn astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam angestellt wurden, zeigte derselbe schon im April ein continuirliches (ununterbrochenes) Spectrum, in welchem die Petroleumstreifen anscheinend fehlten oder doch kaum erkennbar waren. Dieses Spectrum wurde von Tag zu Tage heller, namentlich in seinem gelbrothen Theile, und endlich erschienen helle Linien in demselben, unter denen am 1. Juni die Natriumlinie zweifellos bestimmt werden konnte. Ueberstrahlt von dem starken Eigenlichte des Kometen, den man in der ersten Juniwoche an geeigneten Oertlichkeiten am hellen Vormittage neben der Sonne glänzen sah – Nachts stand er für die Beobachtung zu ungünstig – verschwanden die Fraunhofer’schen Linien gänzlich und waren nicht einmal in photographischen Aufnahmen des Spectrums zu erkennen. Diese Beobachtungen sind inzwischen von vielen anderen Astrononnen bestätigt worden, und es hat sich somit zweifellos ergeben, daß der Wells’sche Komet von ganz anderer Art war, als alle seit zwanzig Jahren genauer untersuchten Kometen. Die chemische Verschiedenheit wäre nicht weiter auffallend, da man seit lange weiß, daß unter den Weltkörpern nach dieser Richtung Verschiedenheiten vorhanden sind, und daß z. B. die den Kometen in manchen Beziehungen ähnlichen Meteor- oder Sternschnuppenschwärme, welche an bestimmten Tagen die Bahn der Erde regelmäßig kreuzen, unter einander chemisch verschieden sind. Das Anfallende bei der neuen Kometenbeobachtung liegt jedoch in dem Unterschiede der Temperaturen. Eine Dampfbildung und Elektricitätsentwickelung im Zöllner’schen Sinne konnte bei äußerst niedriger Temperatur stattfinden; in dem Kern des Wells’schen Kometen waren dagegen glühende Metalldämpfe enthalten, wie wir sonst nur gewöhnt waren, sie auf den Fixsternen und auf der Sonne selbst anzutreffen.

Wir haben darin somit einen sicheren Beweis von der ungeheueren Gluth erhalten, welcher der Wells’sche Komet bei seinem allerdings sehr nahen Vorübergange an der Sonne ausgesetzt gewesen ist. Aber werden wir aus diesen Beobachtungen nicht schließen müssen, daß auch die Kohlenwasserstoffverbindungen der anderen Kometen, wenn sie in ihre Sonnennähe kamen, nicht blos dampften, sondern wirklich brannten, und daß diese Weltkörper im Universum jenen Motten und Mücken gleichen, die um ein offenes Licht kreisen, bis sie sich die Flügel verbrennen?





Rothenburg ob der Tauber ist, nachdem es lange genug im tiefen Dornröschenschlaf abseits des Weltverkehrs gelegen, fast plötzlich als „ein Kleinod aus deutscher Vergangenheit“ entdeckt worden, und durch sein historisches Festspiel nun völlig in die Mode gekommen. Wo aber der wißbegierige Schwarm der Touristen seinen Wanderstab an die Wand lehnt und sein Fähnlein als Lockzeichen aufsteckt, da wird auch gleich der literarische Boden fruchtbar, um Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn sie nicht zu den „längst gefühlten“ gehören sollten. Für den Fremdling, der sich Rothenburgs mit deutscher Gründlichkeit erfreuen wollte, war ein guter Führer durch die Vergangenheit und Gegenwart dieser Stadt ein solches Bedürfniß, und dieses befriedigte schon 1881 Wilh. Klein. Sein mit zehn Illustrationen und einem historischen Plane ausgestattetes Buch leistet, was der Reisende von einem guten Gesellschafter erwartet. Daß auch ein freudiger Heimathstolz mit aus dem Buche spricht, ist nicht zu verkennen, thut aber sogar wohl; denn ein Gang durch die Stadt und ihre Geschichte überzeugt uns, daß der Stolz auf beide ein gerechter ist. – Unser Festschilderer ist einem andern Führer gefolgt, und noch ein drittes, ebenfalls illustrirtes: „Rothenburg in alter und neuer Zeit“, hat in Ansbach (bei C. Brügel und Sohn) das Licht der Welt erblickt und zeichnet sich durch den Reichthum von Mittheilungen aus der Geschichte und der Sagenzeit sowie eine Sammlung historischer Volkslieder aus.




Kleiner Briefkasten.


Z. Z. Woher der sprichwörtlich gewordene Name Münchhausen kommt? Zu Ihrer Beruhigung (es wird sich bei Ihrer Anfrage wohl wieder um eine Wette handeln, zu deren Entscheidung Sie wie unzählige Andere gütigst an uns appelliren) können wir Ihnen mittheilen, daß bei allen Münchhausiaden der Name des Helden sicher nicht erdichtet ist. Der echte und rechte Münchhausen lebte im vorigen Jahrhundert und hieß Karl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen auf Bodenwerder in Hannover (geboren 1720, gestorben 1781). In russischen Diensten hat der biedere Feldherr einige Türkenkriege mitgemacht und erzählte von dem, was er dort angeblich erlebt hatte, in seiner lieben Heimath unglaubliche Dinge; auch machte er stark in „Jagdgeschichten". Nach seinem Tode wurden die gelungensten dieser Aufschneidereien mit den üblichen literarischen Beigaben zuerst von Raspe in englischer Sprache herausgegeben und zwar im Jahre 1785. Die deutsche Bearbeitung des bald allgemein bekannt gewordenen Buches stammt von G. A. Bürger. Daß im vorigen Jahre das hundertjährige Jubiläum des Todestages des echten Münchhausen gefeiert werden konnte, daran haben wohl die wenigsten von Denjenigen, die seine Geschichten fleißig weiter verbreiten, gedacht. Oder war dies vielleicht bei dem vorjährigen Bundesschießen in München der Fall, auf welchem bekanntlich Münchhausen leibhaftig auf der Bühne erschienen war.

B. L. in Ch. Die uns von Ihnen eingesandte Blume ist der sogenannte Rosenkönig, eine bei den Rosen zuweilen beobachtete Erscheinung, welche dadurch verursacht wird, daß eine Blume durch die andere hindurchwächst.

P. K. in Berlin. Es ist wohl einer der bedenklichsten Druckfehler, auf den Sie uns aufmerksam machen. Es muß an der betreffenden Stelle nicht „seines“, sondern „ihres“ heißen; denn das interessante Werk über Fr. Liszt ist ja von einer Dame, Lina Ramann, geschrieben worden.

Ein treuer Abonnent in H. Ihre Arbeit ist nicht uninteressant, aber leider für unser Blatt nicht geeignet. Verfügen Sie gütigst über das Manuscript.

L. Z. 100. Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nr. 48
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_520.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)