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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Kolbachthal
bei Bad Liebenzell im württembergischen Schwarzwald, Sommer 1881.


      Wie freust du dich, Erde,
Daß im Lichte du wandelst
Jenes kurze Weilchen,
Welches Jahrtausende,
Welches Millionen Jahre wir nennen,
Daß du jetzo wandelst
Den Augenblick lang
In jenem goldnen
Himmelsstriche des Raums, der Zeiten,
Der auf deine Flächen
Grüne Gefilde und Silbergewässer,
Herrliche Völker und Thaten zeichnet,
Leben und Kunst.

      Wie freust du dich, Erde,
Deines grünenden Wandels!
Ich freue mich auch
Und wandle mit dir, mein Kind, an der Hand,
Und es führt uns der Freund,
Der kunstreich schauende,
Kunstreich bildende, sinnende Freund[1]
So wandeln wir,
Zeitaltern vergleichbar,
Wir einzelnen Jungen und Alten zusammen,
In einem der tiefen,
Leuchtenden Gründe des herrlichen Schwarzwalds,
Wandeln am Bache
Aufwärts, aufwärts, den Quell zu finden.

      Gegen einander, drückend und stützend,
Aber unendlich erfind’risch an Formen
Sind sie gelagert, die schweigenden Felsen,
Von Rankenschnüren und mächtigen Farnen
Gleich wehenden Haaren überhangen.
Thurmhoch ragen,
Den Himmel zu fassen, die Stämme der Tannen;
Den Abgrund packen
Der Riesenwurzeln klammernde Fänge,
Doch im Moose streifen
Des Sonnenlichtes spielende Finger,
Und dazwischen plätschert des Baches Gerede
Jedem Steine sein rieselndes Lied.


  1. Maler P. F. Peters.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_513.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2021)