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verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Seemannstracht mit tactmäßigen Schlägen rasch vorwärts getrieben, gewährt einen recht hübschen Anblick.

Das eigentliche „Race-Boot“ dagegen ist ausschließlich für Regattazwecke bestimmt. Es ist sehr schmal und von äußerst leichter Bauart; die Planken sind so dünn, daß selbst die Ruderer mit ihrem leichten Fußzeug auf’s Vorsichtigste auftreten müssen, um nicht durchzubrechen, und es ist „out-rigged“, das heißt, die Stützpunkte für die Ruder sind am Ende von eisernen Stangen angebracht, die sich circa einen halben Meter weit über den Bord hinaus erstrecken, zwecks Verstärkung der Hebelkraft des Ruders; pfeilschnell schießt das leichte Ding dahin.

Erwähnenswerth sind noch die „sliding-seats“ (gleitenden Sitze) auf den Ruderbänkchen. Der Ruderer sitzt auf einem Brettchen, welches auf Rollen ruht, die sich in messingenen Schienen bewegen. So schnellt denn bei jedem Ruderschlage die ganze Mannschaft einige Zoll vorwärts (die Füße haben an ledernen Riemen einen Haltepunkt) und die Körperschwere giebt einen die treibende Kraft verstärkenden Ruck. Ueber die sliding-seats sind indessen die Meinungen getheilt. Die Frankfurter Rudergesellschaft, welche vor einigen Jahren ein Boot nebst auserlesener Mannschaft nach Hamburg entsandte und brillant siegte, hatte feste Sitze, und seitdem ist diese Frage eine vielbestrittene, aber noch unentschiedene.

Auswärtige Gäste sind auf Hamburger Regatten nichts Seltenes; in den letzten Jahren sah man unter Anderem Engländer, Kieler, Prager, ja selbst Triester Ruderer concurriren. Wesentlich mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Engländer am Sonntag nicht rudern, wird eine der alljährlich stattfindenden Regatten an einem Sonnabend abgehalten.

Den Schluß der Wasserfeste pflegt ein Mittagsmahl im Uhlenhorster Fährhause zu bilden, einem beliebten Vergnügungsort der Hamburger; der Thurm desselben bietet das großartige Panorama, dessen schönsten Punkt der Zeichner unseres heutigen Bildes fixirt hat.

G. K.




Bob Zellina.
Novelle von Karl Theodor Schultz.
(Fortsetzung.)

Bob lehnte sich rückwärts an den Pfeilertisch, kreuzte die Arme über der Brust und sagte:

„Du siehst, daß ich wieder ruhig bin. Wenn Du ahntest, wie sehr! Und ich will sogar großmüthig sein, Dir einfach sagen, was mich zu meiner Frage veranlaßte. Unter den Generalstabsofficieren, die bei uns Aufnahmen vorgenommen, war auch dieser Baron Hollfeld. Ich sah ihn bei Grumbachs zufällig in einem tête-à-tête mit meiner Frau, das mir auffiel: so brachte ich auf der Heimfahrt das Gespräch unserer Officiere auf ihn und seine Vergangenheit; auch fragte ich Alma beiläufig, ob sie nicht schon früher mit ihm zusammengetroffen, was sie natürlich bejahte.“

„Du sagst das so pointirt –“

„Ah! ich weiß warum. Oder hätten sie sich nicht gekannt?“

„Allerdings haben sie sich gekannt –“

„Und geliebt?“

Gleich einem Schrei hatte es geklungen. Ruland schwieg einen Moment; dann wiederholte er in geringschätzigem Tone:

„Und geliebt!“

Wie außer sich, in den Augen ein glühes Funkeln, rief Bob:

„Warum erfahre ich das erst heute?“

„Weil Du erst heute danach fragst,“ antwortete Ruland mit leisem Hohne.

„Herr!“ fuhr Bob schneidend fort, „ich bitte noch einmal, endlich anzunehmen, daß es hier um Menschenschicksale geht, wobei Laune oder gar Witz unerträglich werden – wie das Verbrechen selbst!“

„Ich glaube nun doch,“ versetzte Ruland, sich ebenfalls erhebend, „wir thäten gut, wenn wir diese Materie fallen ließen.“

„Da ich Alles weiß?“

„Nichts weißt Du,“ brach der Rath, nun selbst heftig werdend, los. „Schon aus dem Tone, in welchem ich von dieser Liebelei sprach, hätte ein Anderer geschlossen, was ich damit sagen wollte. Forsche meinetwegen, bei wem Du willst! Du könntest stets nur hören, daß es sich im äußersten Falle um solches Hin und Her gehandelt hat, ohne das sich überhaupt kein Mädchenherz auswächst, das werth ist – ein Herz von Fleisch und Blut genannt zu werden. Ein paar Worte von mir am rechten Orte, und die Schaumblase zerplatzte – als wäre sie nie gewesen. Ueberhaupt jetzt noch die alte Geschichte!“

„Solche alte Geschichten,“ erwiderte Bob herb, „haben mitunter ein zäheres Leben, als wir denken. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie es um Beide steht. Die Liebe – selbst die ärmste, noch so zertretene, sieht schärfer, als alle Klugheit der Welt. Doch ich fürchte, es war schon damals mehr als eine Liebelei – Du hast das nur nicht gewußt. Warum siehst Du zu Boden? Ich will ja nichts als Offenheit.“

„Für mich war es eine bloße Liebelei.“

„Für Dich! Auch nicht etwa, weil es so paßte? – Vergieb! ich bin doch wohl ein wenig fassungslos: im Ernste könnte ich Niemand solche Schurkerei zutrauen.“

Ruland erblich bis in die geschlossenen Lippen und sagte mit Anstrengung:

„Wählerisch bist Du heute in Deinen Ausdrücken nicht.“

„Wählerisch!“ fuhr Bob wieder auf. „Du wirst doch mit mir den Mann, und zwiefach, wenn er ein Vater ist, einen Schurken nennen, einen Schurken an seinem Kinde, an dem unglücklichen Gatten, an der Ehe selbst, wenn er es über sich bringt, sein Kind mit einer Liebe im Herzen zur Ehe mit einem Andern zu zwingen?“

„Sieht man dergleichen Fälle genauer an, so findet man oft –“

„Du willst mir ausweichen!“ unterbrach ihn Bob ungestüm. „Ich habe Recht.“

,,Du hast Recht,“ versetzte Ruland in der verbindlichsten Haltung des Cavaliers.

Bob kam zu sich und sagte, seine Heftigkeit entschuldigend:

„Man ereifert sich mitunter um ganz Unnützes. Was kümmert es uns im Grunde, ob irgend welche Väter ihre Kinder zu einer Ehe oder sonst Etwas zwingen? Es bedarf übrigens dessen ja kaum. Ueberreden, schön zusprechen thut ja dasselbe und ist vor Gott und Menschen so beliebt und geehrt, weil es eben hundertmal zu gutem Ende führt. Und mit der Zeit wird man dann alt und gichtbrüchig, hockt bei einander in den Krankenstuben und lobsingt seiner glücklichen Ehe.“

„Wozu ereiferst Du Dich nun schon wieder?“

„Um einer glücklichen Ehe willen darf man sich wohl ereifern!“ antwortete Bob. „Besonders Einer, dem es nicht so gut geworden, weil er warm erschaffen und sein Lebelang aus dem Rohen herausgestrebt hat! Wenn der auf einmal findet, was er übrigens schon lange geahnt, daß ihm sein Weib nie zu eigen war, weil es in die Ehe mit ihm gezwungen – nicht doch! Weil Schaumblasen platzen gemacht wurden –“

„Du rasest.“

„O könnte ich rasen, mich ausrasen! Vielleicht würde es dann auch mit uns noch einmal gut! Freilich stünde es da schlecht um die Zusprecher oder elenden Ueberreder!“

Die beiden Männer standen einen Moment lang hochaufgerichtet, wie in den Boden gewurzelt, einander gegenüber.

„Doch,“ schloß Bob mit einer abwehrenden Bewegung, „ich werde Niemand mehr nach den alten Geschichten fragen. – Es war mir eben, als könnte die Sühne dafür von einem Andern, einem ganz Andern gefordert werden, ob der auch an Allem schuldlos ist. Nun, daß das Ende wenigstens Allen zum Heile gereiche, darauf will ich mein Glas leeren.“ Er stürzte den Wein hinunter. „Und jetzt lebe wohl! Keine gêne – ich finde meinen Weg!“ Damit fiel die Thür hinter ihm zu.




Alma saß in ihrem Schaukelstuhl; sie hatte auch eine Näharbeit im Schooße liegen, stützte aber momentan den Arm auf’s Fensterbrett und sah in den Garten hinab. Eine gewisse Sorge lag auf ihrem Gesicht: seit Bob’s plötzlicher Fahrt nach der Stadt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_502.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2023)