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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

„die Ruhl“ nennt. Dieser thüringische Ort hat zwar die seiner Entwickelung oft störend entgegentretende Eigenthümlichkeit, durch einen Bach in zwei Theile geschieden zu sein, die zwei Staaten, Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha, angehören, aber in der Pietät gegen verdiente Landsleute giebt es schließlich doch immer nur eine Ruhl. So war es auch ein gemeinsamer Beschluß gewesen, Ludwig Storch nicht nur das Ehrenbürgerrecht zu ertheilen, sondern auch einen nahen Berg mit seinem Namen zu benennen. Am 2. Juli d. J. ist ein diesem echten thüringischen Dichter errichtetes Denkmal feierlich enthüllt und geweiht worden. Es hat seine Stelle auf dem sogenannten Sarkophagplatz (im Volksmund: dem „steinernen Sargplatz“) am Bärmer Berg gefunden und besteht aus einer in Form einer römischen Tafel gegossenen Eisenplatte mit dem Reliefbildniß des Gefeierten in Bronze und der Inschrift:

„Dem Andenken des Volksdichters
Ludwig Storch,
geboren am 15. April 1803, Ruhla,
gestorben am 5. Februar 1881, Kreuzwertheim
die dankbare Ruhl.“

Die Enthüllungsfeier gestaltete sich zu einem großen Thüringer Volksfeste, das mit Kanonendonner und Glockengeläute begann und mit der Bekränzung des Denksteins, nachdem Hofrath Dr. Alexander Ziegler die Festrede gehalten, in dem herrlichen Waldthal erhebend schloß. Zu den Kränzen, welche von auswärts (Berlin, Leipzig, Eisenach etc.) zur Feier gesandt waren, gehörte auch ein Lorbeerkranz, welchen „die ‚Gartenlaube‘ ihrem ältesten Mitarbeiter“ mit einem poetischen Festgruß von Storch’s altem Freunde, Friedrich Hofmann, gewidmet hat.

Denselben Platz ziert noch eine Gedenktafel für den am 7. April 1631 in Ruhla geborenen geistlichen Liederdichter Hartmann Schenk, gestiftet von Alexander Ziegler, und am gleichen Tage enthüllt.

Alexander Ziegler, dem berühmten Reisenden und Schriftsteller, der, selbst ein Sohn der Ruhl, sich als treuer Pfleger und Förderer des Ruhlaer geistigen und materiellen Lebens und Gedeihens großes Verdienst erworben hat, ist es namentlich zu verdanken, daß nicht auch für diese Dichterdenktafel der Klingelbeutel durch das ganze Reich getragen wurde, sondern daß die Ruhlaer, die Beitrage unaufgeforderter Verehrer des Dichters abgerechnet, ihr Denkmal selbst errichteten. Das ist ein sehr hervorzuhebendes und nachahmungswerthes Beispiel!

Alexander Ziegler ist es auch, welcher soeben „Ludwig Storch’s poetischen Nachlaß“ (Eisenach, Hofbuchhandlung von H. Jacobi) herausgegeben hat. Das schmucke Werk zeigt uns den Dichter von einer neuen Seite; denn außer dem Liederkranz: „Die Glocken im Ruhlathale“, patriotischen Gesängen, „Landschaftsbildern“ und der Thüringer „Frau Romantik“ enthält es auch eine Abtheilung von Liedern und Stücken in der Rühler Mundart, die uns bezeugen, wie vertraut Storch mit allen Herzensregungen seines Heimathvölkchens war. Sicherlich wird dieser „Poetische Nachlaß“ den vielen Verehrern des gefeierten Dichters willkommen sein.




„Ob’s wohl reicht?“ (Abbildung Seite 485.) Das ist ein braver Haushalt nach alter guter Sitte! Der Anblick eines solchen Familienbildes thut wohl und erweckt uralte liebe Erinnerungen. Bekanntlich erbte bei unsern Vorfahren ein Kleidungsstück oft vom Großvater bis auf den Enkel fort; denn — das behaupten die Großmütter noch heute — das Tuch war damals viel haltbarer, als jetzt, und die Mode beherrschte die Leute weit weniger, als in unserer Zeit, am wenigsten auf dem Lande, wohin die Trachten unseres Bildes deuten. Die Nothwendigkeit, in jedem sparsamen Haushalte an den Ausgaben für die Kleider, und namentlich die der vielzerreißenden Knaben, nach Möglichkeit zu sparen, ist natürlich auch der Gegenwart noch nicht abhanden gekommen, und Jeder, der nicht den wohlhabenden Ständen von Jugend auf angehörte, kann sich noch die Augenblicke zurückrufen, wo er da stand, wie der prächtige Junge unseres Bildes, mit dem stolzen Gefühl, „von Vaters seiner" eine neue Hose, von Vaters Rock eine neue Jacke zu bekommen. Auch das haben wir erlebt, daß die Mutter bedenklich fragte: „Ob’s auch reicht?“, und diese Bedenken gingen auch auf die Kinder über, deren Herzen ja so eng mit dem der Mutter zusammenhängen. Aber wie hellen sich alle Gesichter auf einmal auf, wenn der Zweifel schwindet, das Maß trifft und die Aussicht auf ein neues Kleidungsstück aus dem alten Gewande gesichert ist! Wir würden uns ebenso freuen, wenn ein Mädchen am Platze des Knaben stände; dieselbe Freude der Zufriedenheit würde aus dem Bilde uns entgegenleuchten. Daß er uns so lieblich in unsere Kindheit zurückführt, macht uns auch den Künstler lieb und wendet ihm unsern vollen Dank zu. Wir sind einmal wieder daheim gewesen — in unserer glücklichsten Zeit.




Zur Gründung eines „Allgemeinen deutschen Touristenverbandes“. Die hohen Verdienste der zahlreichen Alpen- und Touristenvereine um die Erforschung der heimischen Gebirgswelt und die Erleichterung des Verkehrs in derselben sind erst vor Kurzem an dieser Stelle unseres Blattes ausführlicher dargelegt worden (vergl. Nr. 24 dieses Jahrganges). Die erfreuliche Thatsache, daß in der verhältnißmäßig kurzen Zeit von kaum 15 Jahren in Deutschland etwa 30 Touristenvereine mit ungefähr 40,000 Mitgliedern entstanden sind und daß die Ausdehnung dieser jungen Bewegung noch immer im Wachsen begriffen ist, hat schon früher den Vorstand des „Taunus-Clubs Zu Frankfurt a.M.“ veranlaßt, ein gemeinsames engeres Zusammengehen der einzelnen Vereine vorzuschlagen. In Folge dieser Anregung wurde in einer am 19. Juni 1880 zu Frankfurt a. M. stattgefundenen Delegirtenversammlung verschiedener Touristenvereine der hohe Nutzen des wechselseitigen Verkehrs zwischen den einzelnen Vereinen allgemein anerkannt, die Gründung eines „Allgemeinen deutschen Touristenverbandes" im Princip beschlossen und der Taunus-Club beauftragt, einen provisorischen Statutenentwurf auszuarbeiten und ihn in einem geeigneten Zeitpunkt allen deutschen Touristenvereinen vorzulegen. Da inzwischen in den Jahren 1880 und 1881 der Touristenverkehr in Deutschland sich im Allgemeinen sehr gehoben hat, so hielt es der Vorstand des Taunus-Clubs für gerathen, einen Entwurf zu den Satzungen des geplanten Verbandes schon in diesem Jahre an die Vorstände anderer Touristenvereine zu verschicken, um auf diese Weise die Verwirklichung des Planes möglichst zu beschleunigen. Indem wir noch mittheilen, daß etwaige Vorschlage zur Abänderung des Entwurfes bis zum 31. August dieses Jahres an den Vorstand des „Taunus-Clubs“ einzusenden sind, verfehlen wir nicht, die für eine ersprießliche Entwickelung des deutschen Touristenthums so wichtigen Bestrebungen unserer wärmsten Sympathien zu versichern.




Die Sterne.

Leise über Meer und Lande
      Kommt die Nacht herangezogen,
Und es blicken See und Fluren
      Mild empor zum Himmelsbogen.

Und das Auge hebt der Denker,
      Sieht die Pracht des Sternenlichtes;
Im Bewußtsein stolzen Schaffens
      Fragt er lächelnden Gesichtes:

„Sagt, was prunket ihr am Himmel?
      Sterne, neigt euch vor der Erden,
Wo im Menschengeist am höchsten
      Gott sich zeigt im ew’gen Werden!“

Halb im Sehnen, halb im Zagen
      Schaut empor die Jungfraunblüthe:
„Sterne, gebt ihr nimmer Kunde
      Unsrem ahnenden Gemüthe?

Seid ihr wirklich jene Welten,
      Die den Seligen beschieden,
Wo die Lichtgestalten weilen
      In der Liebe Gottesfrieden?“

Aber schweigend ziehn die Sterne
      Fort in ihren ew’gen Kreisen,
Und die Winde und die Wellen
      Singen ihre alten Weisen.

Und ein Kindlein blickt zum Himmel;
      Freudig klatscht es in die Hände:
„Mutter, sieh die lieben Sterne,
      Schön und schöner ohne Ende!“

Und die Sterne senden freundlich
      Auf das Kindlein lichten Segen;
Wind und Wasserwoge rauschen
      Sanfte Grüße ihm entgegen.

Hermann Hölty.

Kleiner Briefkasten.

B. W. in Wismar. Ihre Bemerkungen zu einzelnen Aufstellungen unseres Artikels über die sächsischen Landesfarben (Jahrg. 1878) sind dankenswerth und veranlassen uns zu folgendem Nachtrag: Das Wappen der sächsischen Kurwürde, beziehentlich des Reichserzmarschallamtes, bestand aus zwei rothen gekreuzten Schwertern im schwarz und weiß quer getheilten Felde; die Farben der Kur würden also identisch sein mit den Nationalfarben des neuen deutschen Reiches. Der grüne Rautenkranz im neunmal schwarz und golden quer getheilten Felde ist eine heraldische Brisüre (Beizeichen im Wappen) für die jüngere Linie des Ballenstedter oder askanischen Fürstenhauses, welches die sächsische Kurwürde erwarb. Der grüne Rautenkranz wurde aber auch vom Hause Sachsen-Lauenburg geführt und ist noch gegenwärtig ein Haupttheil des Wappens aller anderen Herzöge von Sachsen und der Herzöge von Anhalt, welche sämmtlich nie die kurfürstliche Würde erlangt haben, unmittelbar also hat der Rautenkranz mit der Kur gar nichts zu thun.

Die einzige Erklärung für die sächsischen Landesfarben ist die, daß sie willkürlich gewählt worden sind. Es giebt überhaupt nirgends alte Landesfarben. Der Begriff solcher Farben ist ein durchaus moderner, erst überall nach dem Auftreten der französischen Tricolore nachweisbar, welche sich in einen Gegensatz zu den alten dynastischen Wappen- und Hoffarben stellte. Als die Tricolore, welche auch das napoleonische Kaiserthum beibehalten hatte, in den Freiheitskriegen den schwarz-gelben Fahnen Oesterreichs und den schwarz-weißen Preußens unterlag, fühlten auch die anderen Staaten das Bedürfniß solcher Nationalfarben und wählten sie nach der Analogie jener, die sich so rühmlich bekannt gemacht hatten. Nun hätte Sachsen schwarz-gelb-grün zu seinen Wappenfarben wählen können, man wollte aber keine Tricolore haben; grün-gelb erschien geschmacklos; schwarz-gelb war bereits österreichisch, schwarz-grün unheraldisch; man resolvirte sich also dahin, dem Schwarz-Weiß Preußens ein Grün-Weiß Sachsens an die Seite zu stellen, allerdings mit Rücksicht auf den grünen Rautenkranz Sachsens, aber ohne jede Spur eines Zusammenhanges mit „den Farben der Kur“, oder „der des alten Herzogthums“, sondern im Hinblick auf die weiße Fahne mit grünem Kreuze der sächsischen Landwehr von 1814. Vergl. hierüber Dr. Th. Flathe’s Geschichte von Sachsen in Heeren’s u. Ukert’s Geschichte der europäischen Staaten, Band 3, Seite 362.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_488.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)