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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

für die Abend-Extrazüge im Sommer, wo die ungeduldig harrende, überzahlreiche Menge der Wartenden oft mit Gewalt sich beliebig der leeren Plätze bemächtigt und dadurch die ruhig wartende Minderheit von Passagieren, welche aber gewöhnlich mit Fahrscheinen der besseren Classe versehen ist, in die Lage bringt, an Ort und Stelle zurückgelassen zu werden; es ist ihr bei dem allgemeinen Wirrwarr und dem Drange der Zeit dann nicht einmal möglich, die gelösten Fahrscheine umzutauschen, und sie wird so gezwungen, ihren unfreiwilligen Aufenthalt oft bis zum frühen Morgen zu verlängern.

Kaufen und im Voraus belegen kann man wohl ein ganzes Coupé, nicht aber einzelne bestimmte Plätze; verläßt Jemand auf den Zwischenstationen seinen Platz, ohne denselben zu belegen, so muß er sich, wenn derselbe inzwischen besetzt worden ist, mit einem anderen begnügen.

Den Reisenden ist verboten, beim Ein- und Aussteigen die Wagenthüren selbst zu öffnen; sie müssen vielmehr das Oeffnen derselben dem Dienstpersonal überlassen und dürfen nicht ein- und aussteigen, bevor der Zug völlig stillhält.

Das Dienstpersonal ist berechtigt und auf Verlangen der Reisenden auch verpflichtet, denselben ihre Plätze anzuweisen, und für allein reisende Damen muß sich in jedem Zuge mindestens je ein Damencoupé der zweiten und dritten Wagenclasse befinden.

Auf die Bequemlichkeit und Körperconstitution der Reisenden ist vorschriftsmäßig in sofern Rücksicht genommen, als auf Verlangen jedes Reisenden die Fenster auf der Windseite geschlossen werden müssen, wie auch durch Einrichtung von besonderen Coupés für Nichtraucher gesorgt worden ist.

In Rücksicht auf das Wohl der Reisenden während der Fahrt können Personen, welche wegen einer sichtlichen Krankheit oder aus anderen Gründen durch ihre Nachbarschaft den Mitreisenden augenscheinlich lästig würden, von der Mit- und Weiterreise ausgeschlossen werden, falls sie nicht ein besonderes Coupé bezahlen.

Ferner wird, wer die vorgeschriebene Ordnung nicht beachtet, sich den Anordnungen des Dienstpersonals nicht fügt oder sich „unanständig“ benimmt, ohne Anspruch auf den Ersatz des bezahlten Fahrgeldes von der Mit- und Weiterreise ausgeschlossen; insbesondere dürfen trunkene Personen zum Mitfahren und zum Aufenthalt in den Wartesälen nicht zugelassen werden.

Dies die hauptsächlichen Bestimmungen über die Fahrt selbst! Sollte nun ein Reisender die Abfahrtszeit versäumen, obwohl er eine Fahrkarte gelöst, so steht ihm zunächst ein Anspruch auf Rückerstattung des Fahrgeldes oder auf irgend eine andere Entschädigung nicht zu – denn die Versäumniß war ja durch seine eigene Schuld eingetreten – doch ist ihm gestattet, auf Grund der gelösten Fahrkarte mit einem am nämlichen oder nächstfolgenden Tage nach der Bestimmungsstation abgehenden, zu keinem höheren Tarifsatze fahrenden Zuge zu reisen, wenn er seine Fahrkarte unverzüglich dem Stationsvorsteher vorlegt und mit einem Vermerk über die verlängerte Gültigkeit versehen läßt. Eine Verlängerung der für Retourfahrten sowie für Fahrkarten zu Rundreisen und Vergnügungszügen festgesetzten Frist wird hierdurch nicht herbeigeführt.

Verspätete Ankunft oder Abfahrt von Zügen begründen übrigens keinen Anspruch gegenüber der Eisenbahnverwaltung; auch berechtigt eine ausgefallene oder unterbrochene Fahrt nur zur Zurückforderung des für die nicht durchfahrene Strecke gezahlten Fahrgeldes. Wird jedoch in Folge einer nicht durch höhere Gewalt herbeigeführten Zugverspätung der Anschluß an einen andern Zug versäumt, so ist dem mit durchgehender Fahrkarte versehenen Reisenden nach erbrachtem Nachweise, daß er mit dem nächsten zurückführenden Zuge ununterbrochen zur Abgangsstation zurückgekehrt ist, der bezahlte Preis für die Hinreise sowie der für die Rückreise zu erstatten, falls die Anmeldung des Anspruchs sogleich nach Ankunft des verspäteten Zuges beim Stationsvorsteher erfolgt.

Die preußischen Staatseisenbahn-Directionen sind übrigens angewiesen worden, bei solchen Zugverspätungen auf die Weiterbeförderung der Reisenden mittelst eines besonderen Zuges Bedacht zu nehmen, sofern sich für die zurückgebliebenen Reisenden nach dem Fahrplane keine geeignete Gelegenheit bietet, ihre Reise ohne erheblichen Zeitverlust fortzusetzen, oder die betreffende Anschlußstation nicht geeignet ist, den Reisenden eine angemessene Unterkunft zu gewähren. In diesen Fällen ist nur der gewöhnliche, nicht aber der für die außergewöhnliche Beförderung in Güterzügen festgesetzte erhöhte Fahrpreis von den Reisenden zu erheben.

Machen Elementarereignisse oder andere Hindernisse die Fahrt auf einer Strecke der Bahn ganz unzulässig, so muß für die Weiterbeförderung bis zur fahrbaren Strecke mittelst anderer Fahrgelegenheit nach Thunlichkeit so lange gesorgt werden, bis für jeden einzelnen Fall eine besondere Anordnung getroffen worden ist.

Kinder unter zehn Jahren werden zu einem niedrigeren Fahrpreise befördert; und für solche, welche noch getragen werden und ihre Stelle auf den Plätzen der Angehörigen haben, wird keine Zahlung gefordert.

Als „Reisegepäck“ wird in der Regel nur, was der Reisende zu seinem und seiner Angehörigen Bedürfnisse mit sich führt, namentlich Koffer, Mantel- und Reisesäcke, Hutschachteln, kleine Kisten etc. befördert, wogegen größere, kaufmännisch gepackte Kisten, Tonnen sowie andere nicht zu den Reisebedürfnissen zu rechnende Gegenstände nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Kleine, leicht tragbare Gegenstände können, wenn die Mitreisenden dadurch nicht belästigt werden, von den Reisenden in den Wagen als Handgepäck mitgeführt werden, und insbesondere ist es den Reisenden vierter Classe gestattet, Handwerkszeug, Tornister, Tragelasten in Körben, Säcken und Kiepen, nach Entscheidung des Stationsvorstehers, mit sich zu führen. Für solche in den Wagen mitgenommene Gegenstände werden keine Gepäckscheine ausgegeben; sie sind vielmehr von den Reisenden selbst zu beaufsichtigen.

Dagegen dürfen feuergefährliche Gegenstände, wie alles Gepäck, welches Flüssigkeiten und schadenbringende Gegenstände enthält, in den Personenwagen nicht mitgenommen werden.

Am Bestimmungsorte kann der Reisende nach Ankunft des Zuges die sofortige Auslieferung des Gepäcks nach Ablauf der vorgeschriebenen Zeit im Local der Gepäckexpedition, und zwar ohne die Entladung aller übrigen Stücke abzuwarten, verlangen oder dasselbe innerhalb vierundzwanzig Stunden nach der Ankunft in der Gepäckexpedition in den bestimmten Expeditionsstunden gegen Rückgabe des Gepäckscheines abholen lassen; läßt er es länger liegen, so muß für alle weiteren vierundzwanzig Stunden das vorschriftsmäßige Lagergeld bezahlt werden. In Ermangelung des Gepäckscheines ist die Verwaltung zur Aushändigung des Gepäcks nur nach vollständigem Nachweise der Empfangsberechtigung gegen Ausstellung eines Reverses und nach Umständen gegen Sicherheit verpflichtet.

Ganz besonders beachtenswerth sind die wenig bekannten Vorschriften über die Haftpflicht der Eisenbahnverwaltung für das Reisegepäck, weil sie selten zur Anwendung kommen, auch der Reisende sich mit der Entschädigung gewöhnlich nicht befriedigt wähnt.

Darnach haftet die Eisenbahnverwaltung von dem Zeitpunkte der Aushändigung des Gepäckscheines ab für die richtige und unbeschädigte Ablieferung der Gepäckstücke im Allgemeinen nach den die Beförderung von Gütern betreffenden Bedingungen und Abreden, besonders aber nach folgenden Grundsätzen: a) Ist von dem Reisenden ein höherer Werth nicht declarirt, so wird im Falle des Verlustes oder der Beschädigung nur der wirklich erlittene Schaden vergütet, dieser kann jedoch in einem höheren Betrage als mit 12 Mark pro Kilogramm nach Abzug des Gewichts des unversehrten Inhalts des blos beschädigten Gepäckstücks nicht beansprucht werden. b) Ist von dem Reisenden ein höherer Werth declarirt, so wird mit der Gepäckfracht ein Frachtzuschlag erhoben, welcher für jede, wenn auch nur angefangenen 150 Kilometer, die das Gepäck von der Absende- bis zur Bestimmungsstation zu durchlaufen hat, im Geringsten 20 Pfennig beträgt und 2 für 1000 der ganzen declarirten Summe nicht übersteigen darf. – Die Werthdeclaration hat aber nur dann rechtsverbindliche Wirkung, wenn sie von der Expedition der Abgangsstation im Gepäckschein eingeschrieben ist. – c) Die Verwaltung ist von jeder Verantwortlichkeit für den Verlust von Reisegepäck frei, wenn es nicht innerhalb acht Tagen nach Ankunft des Zuges auf der Bestimmungsstation abgefordert wird.

Fehlende Gepäckstücke werden erst nach Ablauf von drei Tagen nach der Ankunft des betreffenden Zuges auf der Bestimmungsstation des Reisenden als in Verlust gerathen betrachtet, und dieser ist erst dann befugt, mit Ausschluß aller seiner weiteren Entschädigungsansprüche, die Zahlung der Garantiesumme zu fordern, falls aber das verloren gegangene Gepäckstück später gefunden wird, so ist davon der Reisende, sofern sein Aufenthalt zu ermitteln ist, trotz der Empfangnahme der Entschädigung zu benachrichtigen, und kann er dann binnen vier Wochen verlangen, daß ihm das Gepäckstück gegen Rückerstattung jenes Schadenersatzes nach seiner Wahl entweder am Bestimmungsorte oder frachtfrei am Aufgabe-Orte verabfolgt werde. Alle im örtlichen Bezirk der Bahnverwaltung oder in den Wagen zurückgelassenen Gegenstände werden mindestens drei Monate lang aufbewahrt, dem Verderben ausgesetzte Sachen aber, sobald ein solches zu befürchten ist, bestmöglichst verkauft und dann der Erlös bis Ende der Frist zur Verfügung des Berechtigten gehalten. Im Uebrigen unterliegen dergleichen gefundene Gegenstände den gesetzlichen Vorschriften über den Fund.

Dies die wesentlichsten Vorschriften auch über die Haftpflicht der Eisenbahnverwaltungen! Ueber Haftpflicht im Allgemeinen vergl. man Jahrg. 1880, S. 278 und 320.

Zum Schlusse sei es gestattet, den Bahnverwaltungen einige Wünsche auszusprechen, welche das beiderseitige Interesse berühren.

Vor Allem dürfte es zweckmäßig sein, wenn man, ähnlich wie bei der deutschen Postverwaltung, bei der Eisenbahn den Gebrauch deutscher statt der meistens französischen Ausdrücke allgemein einführte. Wörter wie Perron statt (des in Oesterreich gebräuchlichen) Wandelbahn, Waggon statt Wagen, Coupé statt Wagenabtheilung, Station statt Haltestelle, Passagier statt Reisender, Tour statt Fahrt, Billet statt Fahrkarte, Train statt Zug, Declaration statt Angabe etc. sind sehr geeignet, bei dem reisenden Publicum, namentlich der niederen Volksschichten, Irrthümer hervorzurufen, welche, zumal bei dem eilfertigen Verkehre auf den Bahnhöfen, nach Möglichkeit vermieden werden müssen.

Endlich ist nicht abzusehen, aus welchen Gründen einige Bahnverwaltungen – und sonderbarer Weise sind dies meist die der Staatsbahnen – bei ihren Preisnotirungen auf den Fahrkarten sich der Ausdrucksweise 2,8 Mark, 1,5 Mark bedienen, während doch die von 2,80, 1,50 Mark etc. über allen Zweifel erhaben, erstere aber leicht die Vermuthung auf 2,08, 1,05 aufkommen zu lassen geeignet ist.

Vielleicht können diese Winke dazu beitragen, an maßgebender Stelle Abhülfe zu schaffen.

von Oesfeld.




Blätter und Blüthen.

Dichter-Ehren – auch wenn erst einem Todten dargebracht, werden stets unsere freudige Theilnahme finden, weil sie in unserer, der Dankbarkeit und den Idealen gerade nicht hingebend zugethanen Zeit doch Zeugniß für ein Walten beider ablegen. In dem vorliegenden Fall können wir das noch Erfreulichere berichten, daß der Mann, dem man nun ein Erinnerungsmal setzt, schon als Lebendender von seiner Heimath hoch in Ehren gehalten worden ist; dies geschah dem Dichter Ludwig Storch von seinem Geburtsorte Ruhla, den der Volksmund

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_487.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)