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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

zu, „nun tragt ihn hinein zum Ornesen und sorgt, daß er in ein Bett kommt!“

Pünktlich wurde ihr Befehl ausgeführt. Die Männer waren längst mit ihrer Last in dem Wohnhause verschwunden – da saß sie noch immer auf dem Ufer des Elfs. Sie konnte sich nicht fassen. Heiße Thränen entstürzten ihren Augen; ihr Herz pochte gewaltig, als hätte es die übervolle Brust zersprengen wollen. Als sie aber bald darauf dem Hause zuschlich, da meinte sie, daß die Sterne erhöhten Glanz erhalten hätten. Aus dem Rauschen und Brausen ringsum drang es wie Liebesgrüße zu ihr herüber.

Eine Stunde war verronnen, da saß Engelid neben Knut’s Lager, beim düsteren Schein einer verschleierten Lampe seinen Schlaf, in welchen die Betäubung allmählich übergegangen war, mit ängstlicher Spannung überwachend.

Endlich schlug er die Augen auf. Befremdet sah er um sich. Er schien Engelid nicht zu kennen.

„Das war ein schrecklicher Sturz,“ sprach er tief aufseufzend.

Da neigte Engelid sich über ihn hin, zugleich das Haar von seiner wunden Stirn zurückstreichend.

„Knut,“ sprach sie mit ihrem tiefen, vor Wehmuth zitternden Organ, „es hat Alles so kommen sollen, und wenn Du’s gern hörst, so gesteh’ ich’s noch lieber ein: Dein Unglück hat mir meinen Weg vorgeschrieben; ich kann nicht von Dir lassen,“ und heftiges Schluchzen drohte ihre Stimme zu ersticken, „wohin Du auch gehst – ich folge Dir: in den Lyster-Fjord oder auf’s Meer hinaus. Und hättest Du nichts für mich übrig, als ein wenig Freundschaft, ich wollt’s hinnehmen als ein Geschenk vom Himmel.“

Wie seiner Sinne noch nicht mächtig, starrte Knut zu Engelid empor. Ein Weilchen schienen seine Gedanken nach Klarheit zu ringen, mit der Erinnerung an die jüngsten Ereignisse zu kämpfen. Dann schlang er seinen Arm um ihren Nacken und, ihr Antlitz näher an das seinige ziehend, sprach er tief bewegt:

„Soll ich denn mein Herz aus der Brust schneiden, um Dir zu zeigen, daß nichts in demselben wohnt, als einzig und allem die Liebe zu Dir?“

Engelid küßte ihn zärtlich.

„Nun beruhige Dich, mein Herzliebster!“ floß es unbeschreiblich innig von ihren Lippen, „ich gehe jetzt, um Ornesen hereinzuhelfen. Er wollte gerufen sein, sobald Du erwachtest. Auch nach einem Arzt schickte er, aber der wird jetzt wohl überflüssig sein.“

Noch einmal küßte sie ihn, und geräuschlos verließ sie das Zimmer. Schlafen sollte Knut, allein es gelang ihm nicht. Als der Tag anbrach, saßen Engelid und Ornesen noch immer neben seinem Bett. Wie man liebliche Blumen heiteren Sinnes zu einem Festkranze an einander reiht, so entwarf er gemeinschaftlich mit ihnen die Pläne für die Zukunft.





Das 450jährige Jubelfest der Befreiung Bernaus von den Hussiten.

Der 15. Mai 1432 und 1882.

Die Hussitenkriege bilden eine ruhmvolle, zugleich aber auch prüfungs- und bedeutungsvolle Periode der alt-brandenburgischen Geschichte; ruhmvoll war jene Zeit, weil es der vereinten Kraft des alt-brandenburgischen Bürgerstandes, unterstützt durch die aufblühende Hohenzollernmacht, gelang, die bisher noch nie besiegten Heeresschaaren der böhmischen Glaubensstreiter kraftvoll zurückzuweisen, ja sogar zu zerschmettern; schwer aber waren die der Mark Brandenburg damals beschiedenen Apriltage des Jahres 1432, denn diese hatte die ganze Wucht des andringenden Hussitenheeres auszuhalten: verbrannte Städte und Dörfer kennzeichneten den Weg dieser Horden.

Die erste Niederlage erlitten die Hussiten am 23. April 1432 vor Bernau, einem Städtchen unweit Berlin, und dieser historischen Gedenkfeier galt das Jubelfest, welches am 15. Mai dieses Jahres Bernaus Bewohner begingen.

Die geschichtlichen Thatsachen, auf denen das Erinnerungsfest beruht, sind folgende: das Concil war in Basel versammelt; Kurfürst Friedrich der Erste von Brandenburg, der treueste Rathgeber des Kaisers Sigismund, wohnte demselben bei, und der Schutz der Mark war von ihm seinem ältesten Sohne Markgraf Johann für die Zeit seiner Abwesenheit übertragen worden. — Um auf die Entschließungen des Baseler Conciles einen Druck auszuüben, rückten die Hussiten unter Procop mit Frühlingsanfang 1432 längs der Oder in die Mark Brandenburg ein.

Bereits am 6. April erfolgte ein Ansturm der Hussiten auf Frankfurt an der Oder, ohne jedoch wesentlichen Erfolg zu haben, und ebenso endete ein am 13. April unternommener zweiter Versuch. Die Folge dieser mißlungenen Unternehmungen war die, daß sich die Hussiten in zwei Theile theilten: eine Abtheilung derselben wandte sich nach Pommern, während der größte Theil unter Kosca sich anschickte, in der Mark weiter vorzurücken. Die nunmehr sich vollziehenden Brandschatzungen und Gewaltthätigkeiten brachten über die Mark ein furchtbares Elend: einige Städte kauften sich freilich durch schwere Geldopfer los, die Mehrzahl derselben wurde jedoch mit stürmender Hand genommen und verbrannt; Lebus und Müncheberg bildeten bereits am 20. April rauchende Trümmerhaufen. Schrecken und Entsetzen vor den verübten Gräueln jagten die Landbevölkerung in die vom Feinde noch verschonten Städte, und diese erblickten in der Vertheidigung und der Aufbietung aller Kräfte das alleinige Mittel, um dem Loos der anderen Städte zu entgehen.

Der Markgraf Johann, welcher fremde Hülfstruppen zur Vertheidigung des Landes heranzog, hatte inzwischen beschlossen, in offener Feldschlacht den Hussiten gegenüber zu treten, vor Frankfurt sollte das Schwert entscheiden.

Zu dieser Schlacht sollte es jedoch nicht kommen. Vielmehr hatte Kosca, der nach der Niederbrennung von Alt-Landsberg und Straußberg sich am 2l. April gegen Bernau gewandt hatte, hier am 23. April einen Empfang gefunden, der ihm und seinen Horden weitere Raub- und Streifzüge in der Mark für immer verleidete.

Bernau, der Sage nach von Albrecht dem Bären bei Gelegenheit einer Jagd gegründet, war durch eine Steinmauer und zwei Gräben vor Ueberrumpelung gesichert. Diese Mauer hatte drei Thore, und das eine derselben, das Steinthor, wurde durch einen Thurm flankirt. Der schwächste Punkt der Befestigung war das Mühlenthor, welches nur durch zwei Schulterwehren geschützt war. Die Bewohner Bernaus selbst betrieben damals fast ausschließlich

das Brauereigewerbe; fast jedes Haus war ein Bierhaus, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_424.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2022)