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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

rastloser Thätigkeit steht ihn im Gegentheil der früheste Morgen noch ebenso sicher an der Staffelei, wie der Abend bei frohen Festen im fürstlich eingerichteten eigenen Hause. Ist er dort der gastfreieste Wirth, so bleibt er auch ein lustiger Zecher in dem berühmten Künstlercasino des „Malkasten“, das er 1856 mit Leuze gestiftet und dem er durch Abtretung eines ihm gehörigen Grundstücks jenes unvergleichliche Heim geschaffen hat, das von so unendlichem Werthe für die Düsseldorfer Künstlerschaft ist, indem es ihren Verkehr mit den gebildeten Classen der dortigen Gesellschaft, wie mit allen fremden Besuchern hauptsächlich vermittelt.

Ohne selber je Schüler gehabt zu haben – außer seinem Bruder – hat Achenbach doch mehr auf alle Düsseldorfer Landschafter eingewirkt, als irgend ein Anderer. Aber nicht nur durch seine Bilder trug er zu der jetzt so viel größeren Naturwüchsigkeit dieser Schule mächtig bei, sondern nicht minder durch die ebenso berühmte wie gefürchtete Schärfe seines Urtheils, den beißenden Spott, mit dem er alles Kranke oder innerlich Hohle zu verfolgen pflegt. Er hat dadurch unzähligen jungen Künstlern wieder auf den rechten Weg geholfen; denn wie alle genialen Naturen hat er einen unfehlbaren Instinct für das Echte und Gesunde. Darum trug er noch mehr als Knaus dazu bei, die süßliche und schwächliche Romantik zu beseitigen, welche in Düsseldorf früher fast unumschränkt herrschte.


Die deutschen Polar-Expeditionen 1882 und 1883.

Von den internationalen Stationen, mit denen im Laufe dieses und des nächsten Jahres die Polargegenden unserer Erde umgürtet werden sollen[1], wird Deutschland die drei Punkte: Cumberland-Sund, Süd-Georgien und Labrador-Küste besetzen. Wohl wird Mancher beim Lesen dieser drei Namen eine leise Verwunderung nicht unterdrücken können, daß das mächtige deutsche Reich mit seiner hervorragenden wissenschaftlichen Stellung sich damit begnügt, in so relativ niedrigen Breiten zu bleiben, während andere Nationen, wie z. B. die Vereinigten Staaten von Nordamerika, fast um zehn Breitegrade – also etwa um die Entfernung zwischen Kopenhagen und Venedig – dem Pole näher gerückt sind. In der That ist der langgewohnte frühere Begriff der Polarforschung uns so tief in Fleisch und Blut gedrungen, daß wir das jetzige internationale Unternehmen noch häufig genug vom früheren Standpunkte aus betrachten, während es doch durchaus davon verschieden ist. Diese Auffassung wird namentlich dadurch genährt, daß einzelne Staaten, unter ihnen wieder in erster Linie Nordamerika, bei ihren Stationen ein combinirtes System in Anwendung bringen und neben der neuen, programmmäßigen wissenschaftlichen Beobachtung auf festem Posten noch das alte System der Polarforschung, das Vordringen in höchste Breiten, betreiben. Für Deutschland aber und Oesterreich, von wo aus die neue Aera der Polarforschung ihren Ursprung genommen hat, ziemt es sich, innerhalb des auf den internationalen Polarconferenzen sattsam berathenen Programms zu bleiben und der Welt zu zeigen, warum gerade diese Einschränkung das Richtige ist.

Als die deutsche Polarcommission zu Beginn dieses Jahres behufs Organisation der deutschen Expeditionen aus Reichsmitteln die Summe von 300,000 Mark angewiesen erhielt, fiel der Blick zunächst auf Ostgrönland, wo auf Pendulum-Insel der Schauplatz zahlreicher früherer wissenschaftlicher Arbeiten einen genügenden Anknüpfungspunkt für neue Untersuchungen bot. Somit wurde es in Aussicht genommen, hier eine Station anzulegen. Aber die Anfragen, die bei deutschen und außerdeutschen Rhedern, welche Schiffe auf den Walfischfang entsenden, betreffs Ueberführung der Expeditionsmitglieder gehalten wurden, hatte so exorbitante Preisforderungen zur Folge, daß hierdurch allein die zur Verfügung stehenden Mittel fast aufgewendet worden wären. Hierzu kam noch als zweiter Uebelstand, daß Niemand die absolute Garantie dafür übernehmen wollte, die Expeditionsmitglieder im Herbste nächsten Jahres abzuholen, da die gefürchteten Eisverhältnisse an der Ostküste Grönlands, der tragische Untergang der „Hansa“ und die schaurige Schollenfahrt der „Hansa“-Männer noch in Jedermanns Gedächtniß standen. Somit erschien es geboten, von der Ostküste Grönlands vorläufig abzusehen.

Es mag dahingestellt sein, ob nicht vielleicht dennoch die Ostküste von Grönland, wenigstens in ihrem südlichen Theile, in Betracht gekommen wäre, wenn damals schon die Details über die ausgezeichnet erfolgreiche Untersuchungsfahrt nach der Ostküste Grönlands, welche der Missionär der Brüdergemeinde, J. Brodbeck, vom 2. bis 12. August 1881 unternommen hat, bekannt gewesen wären. Wenn er auch nur wenige Meilen nördlich vom Cap Farewell auf der Ostküste vordrang, so constatirte er daselbst doch eine von zahlreichen heidnischen Eskimos bewohnte Küstenregion, die verhältnismäßig leicht von seiner bekannten Missionsstation Friedrichsthal aus zu erreichen war und auf der er unter Anderem eine Normannenruine entdeckte. In meteorologischer Beziehung würde gerade dieser Theil der Küste von großer Bedeutung gewesen sein.

Ursprünglich, noch ehe die Betheiligung des deutschen Reiches an der internationalen Polarforschung überhaupt officiell feststand, war von deutscher Seite die Insel Jan Mayen als Stationsort in Aussicht genommen worden, aber als Deutschland wegen ablehnender Haltung seiner obersten Behörden von der vorjährigen internationalen Polarconferenz zu St. Petersburg fern bleiben mußte, nahm Graf Wilczek, der generöse Freund des verstorbenen Weyprecht, die Insel Mayen für Oesterreich-Ungarn in Aussicht, und jetzt befindet sich die österreichische Polarexpedition unter Führung des Lieutenant Wohlgemuth voraussichtlich bereits auf dieser Insel.

Deutschland mußte sich also nach einer anderen leicht erreichbaren Localität umsehen, und so fiel der Blick der Commission zunächst auf die Davisstraße; man wählte hier den Cumberland-Sund, welcher in das Baffinsland bis über den nördlichen Polarkreis eindringt, zur Anlage der nördlichen Station. Es vereinigten sich manche Umstände, um gerade diese Wahl herbeizuführen. Wenn der Cumberland-Sund auch nicht in hervorragender Weise für die meteorologischen Verhältnisse Europas von derselben Wichtigkeit ist, wie die Ostküste Grönlands oder wie noch näher liegende Punkte, beispielsweise die Insel Island, so hat er doch wegen seiner großen Nähe zum magnetischen Pol eine andere, sehr hohe Bedeutung und ist somit für einen der wesentlichsten Theile des internationalen Programms der neuen wissenschaftlichen Polarforschung wie geschaffen. Ferner ist Cumberland-Sund auch noch nicht so genau bekannt und in allen seinen Theilen erforscht, daß es dort in geographischer Beziehung gar nichts mehr zu erforschen gäbe; im Gegentheil, es kann dort durch kleinere Schlittenexpeditionen noch manches Neue entdeckt werden. Endlich aber ist Cumberland-Sund auch gerade nicht so unbekannt, daß er nicht von Walfischfängern fast alljährlich besucht würde.

Es hatte nun der bekannte Kaufmann Albert Rosenthal in Bremerhaven, dieser leider am 20. Mai dieses Jahres verstorbene eifrige und opferwillige Förderer der deutschen Polarforschung, der seit mehr als einem Jahrzehnt dem deutschen Walfischfang neue Jagdgründe zu erringen trachtete, das vielgenannte Nordpolschiff „Germania“, das schon 1870 bis 1871 unter Capitain Koldewey die zweite deutsche Polarfahrt nach Ost-Grönland ausgeführt hatte, der deutschen Polarcommission für einen sehr billigen Preis zum Kauf angeboten. Dieses auf der J. C. Tecklenborgischen Werft in Bremerhaven erbaute Schiff hatte seitdem mit dem Afrikareisenden Th. von Heuglin eine Polarfahrt nach den Eingängen des Karischen Meeres gemacht, war dann in den Dienst des Walfischfanges zurückgetreten, aus einem Dampfschiff in einen Schooner verwandelt worden und hatte bereits als solcher eine glückliche Fahrt nach Cumberland-Sund bestanden. Dieses Schiff kaufte also die deutsche Polarcommission.

Als Südstation des deutschen Reiches wurde Süd-Georgien, welches östlich vom Cap Horn einsam im weiten Ocean liegt, in Aussicht genommen. Diese Insel ist namentlich in Bezug auf die meteorologischen Verhältnisse jenes gewaltigen Gebietes auf der Südhälfte unserer Erde vom höchsten Interesse. Sie ist noch fast ganz unbekannt, wenngleich sie wiederholt von Robbenschlägern besucht worden ist.

Die neueste und vollständigste Beschreibung von Süd-Georgien nebst Karte verdanken wir dem österreichischen Zeichner und Geometer Heinrich W. Klutschak, welcher in allen Polarmeeren zu Hause ist. Er hat seine interessante Publication in der „Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik“ (Wien, Hartleben’s Verlag)


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_379.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2022)