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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


liebt, sondern auch ihres Herzens willen nicht blos ihres guten Herzens willen, sondern auch ihres Geistes willen, nicht blos ihres Geistes willen, sondern auch ihres hohen Ranges, ihres stolzen Namens, ihres glänzenden Erbes willen – mein Gott, was thut das? Wenn er Dich nur liebt! Was thut’s dann.

„Aber das ist’s ja eben. er liebt mich nicht, weil er nur …“

„Ein Mann ist anderer Natur, als Ihr schönen Frauen,“ fuhr der alte Herr, ohne auf sie zu hören, fort. „Ihr Frauen wollt durchaus nur durch Euch, Euch allein beglücken … ich weiß, ich hab’ es erfahren, wie Ihr uns beglücken wollt; nur durch Euch selbst, durch Euer bloßes Dasein – der Mann soll daneben nicht eine Cigarre rauchen, nicht einen Blick in seine Bücher werfen, nicht sich hinter einen Becher Wein setzen dürfen, sondern nur sein Glück in Euch finden. Der Mann denkt anders, mein Kind; er denkt und fühlt anders; das ist seine Natur. Er legt nebenbei auch noch auf das Nichtätherische Werth. Er wählt nicht um des Erbes willen – das wäre gemein; er lügt Euch nicht Liebe, wo er nur den Mammon liebte aber wenn Ihr ihm nun einmal ein Erbe mitbringt, weshalb sollte er das verschmähen? Wenn Ihr den Mammon habt – weshalb soll er ihn von sich stoßen? Er muß in die Zukunft blicken; er hat die Sorgen – er wäre ein Narr, wenn er ihn verschmähte."

„O Gott, Oheim,“ unterbrach ihn Regine, „was hilft mir das Alles, wo ich doch weiß …“

„Was weißt Du, Kind? Du weißt nichts Schlechtes von Leonhard Klingholt.“

„Ich weiß, daß er nur mich aufgesucht, sich mir nur genähert hat – ich sagte es Ihnen ja.“

„Und ich glaube nicht daran; ich – aber da ist er ja – da ist der Angeklagte – wie Sie im rechten Augenblick kommen, Klingholt!"

Leonhard war eben erregt eingetreten. Er hatte bei der Verwundung Damian’s das Nöthige rasch gethan, und kam in der Sorge um seinen Patienten und die Folgen, welche für diesen die Aufregung haben konnte.

„Sind Sie wohl?“ fragte er zu ihm tretend, während Regine, nun es zu spät war, ihm auszuweichen, sich zwang, mit möglichster Ruhe aufzublicken und mit fester Stimme zu sagen:

„Adieu, Oheim, ich weiß Sie jetzt in besseren Händen als den meinen und gehe …“

„Nein, nein,“ rief der alte Herr erschrocken, „geh’ nicht – noch nicht! Ob ich wohl sei, Klingholt? Ich bin matt, Doctor, matt zum Sterben. Aber davon nachher! Ehe Sie den Arzt bei mir machen, muß ich ihn bei Ihnen machen – den Seelenarzt oder den Beichtvater, wenn Sie wollen. Sehen Sie, Regine – meine gute Nichte Regine hat mir Alles gestanden; in dem Augenblick, wo sie von mir gehen will, hat sie mich in ihr Herz blicken lassen – in ihr braves Herz, das so tapfer zu verachten weiß, worauf andere Menschen sich mit wilder Gier stürzen. Und Sie wissen das auch, nicht wahr, Klingholt, wenn es sein muß, wissen Sie es auch? Es war zwar nicht schön von Ihnen, daß Sie mir nicht die Wahrheit sagten, daß Sie meiner Schwester Kind als eine Fremde bei mir einführten. Aber um’s goldene Kalb tanzen … ah bah – lächerliche Vorstellung! Es ist nicht wahr, daß Sie Regine blos deshalb aufgesucht, blos deshalb um sie geworben haben, weil Sie wußten …“

„Nein, das ist nicht wahr,“ fiel mit dem Tone aufrichtigster Entrüstung Leonhard ein, „bei Gott nicht! Wer beschuldigt mich dessen? Es war der glücklichste Zufall meines Lebens, der mich die Bekanntschaft von Fräulein Regine Horstmar machen ließ …“

„Siehst Du, Kind, siehst Du, daß Du ihm Unrecht thatest!“ rief der alte Herr freudig aus. „Du wirst an seinem Wort nicht zweifeln."

„Nein,“ sagte nach einer Pause Regine bewegt. „Ich zweifle an seinem Worte nicht. Es wäre zu abscheulich … nein, nein, ich zweifle nicht! Aber …"


(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen



Das Geheimnis der hölzernen Musikinstrumente und ihres Baues schien jahrhundertelang völlig verloren. Kein Virtuos, der etwas an sich wagen konnte, wollte seinen Genius an einem neuen Instrumente erlahmen lassen und strebte zunächst nach einer Geige, der schon ein anderer berühmter Meister einen seelenvollen Ton eingehaucht hatte, gleich als werde das todte Holz von oftmaligen Hören selber musikalisch und lasse sich einüben wie die Hand oder die Kehlen. Andere munkelten, daß es ein Geheimniß in der Construction gäbe, welches die neueren Geigenbauer nicht kannten und welches am Ende gar, wie die Virtuosität Paganini’s, ursprünglich einem Teufelsbündniß entsprossen wäre. Im Besonderen bezahlte man ungeheure Preise für die Violinen von Amati, Stradivarius, Rainer und anderen Künstlern, weil Sie ihrer leichten Ansprache und ihres unnachahmlichen Wohlklanges wegen ganz unerreicht dastünden. Die neuere Wissenschaft, die in alle geheimen Dinge ihre Nase steckt, hat indessen gefunden, daß es nur auf ein vollkommenes Austrocknen der Holzfasern und eine möglichste Befreiung derselben von allen harzigen, öligen und sonst die Zwischenräume der Fasern verkittenden natürlichen Bestandtheilen des Holzes ankommt, um ihnen das höchste Vermögen der Mitschwingung oder Resonanz zu verleihen.

Wenn diese Lockerung des inneren Gefüges der oxydirenden Wirkung der Luft allein überlassen wird, so können bei aus frischem Holze verfertigten Geigen, Cellos und Bässen wohl an die fünfzig bis hundert Jahre vergehen, bis die höchste Klangfähigkeit des Holzes erreicht worden, ein Umstand, den der berühmte Geigenbauer Stradivarius in Cremona wohl gekannt zu haben scheint; denn man erzählt, daß er das Holz alter Kirchenstühle, Stützpfeiler und dergleichen für seine Fabrikate angekauft habe. In neuerer Zeit ist man indessen darauf gekommen, das Holz einem künstlichen Alterungsprocesse zu unterwerfen, und der Erste, der ein solches Verfahren vor sechs bis sieben Jahren angewandt hat, scheint ein Professor Tuzzi gewesen zu sein, dessen Fabrikate durch das Centralmusikmagazin von F. Hamma und Comp. in Stuttgart zu beziehen waren. Sein Verfahren ist, soviel bekannt, nicht der Oeffentlichkeit übergeben worden und soll in einer Behandlung des Holzes mit überhitzten Dämpfen bestehen. Ein anderes höchst erfolgreiches Verfahren, welches auf einer rationellen Beschleunigung des natürlichen Vorganges beruht, hat im vergangenen Jahre der Pianofortefabrikant E. René in Stettin patentirt erhalten und bekannt gemacht.

Was sonst der Sauerstoff der atmosphärischen Luft im Laufe langer Jahre vollbringt, wird hier im Verlaufe eines halben oder ganzen Tages durch die Einwirkung reinen ozonisirten Sauerstoffes auf das erwärmte Holz hervorgebracht. Die Holzbretter werden zu diesem Zwecke in einen großen eisernen Kessel gelegt, in welchem sie, ohne sich zu berühren, über einander so liegen, daß die Gase ihre gesammte Oberfläche frei umspülen. In diesem Kessel setzt man sie zunächst zwölf Stunden lang der Einwirkung heißer Luft aus, um die Feuchtigkeit aus ihnen zu entfernen; dann wird der Kessel verschlossen, nochmals durch die darunter befindliche Feuerungsanlage erwärmt und die Luft ausgepumpt. Hierauf wird der Kessel mit Sauerstoff gefüllt, der durch elektrische Funken ozonisirt wird: diese Funken springen in beständiger Folge zwischen zwei Platinspitzen über, welche die Endpole zweier durch Glasrohren in den Kessel geleiteten Drähte bilden. Der so erzeugte ozonisirte Sauerstoff wirkt so energisch auf das erwärmte Holz ein, daß er die Störenden Harz-, Oel- oder sonstigen Bestandtheile in zwölf bis vierundzwanzig Stunden, statt in ebenso vielen Jahrzehnten verzehrt.

Es leuchtet ein, daß mit dieser Erfindung ein ganz bedeutender Fortschritt im Bau der Musikinstrumente erzielt wurde, und daß man auf diese Weise nicht nur vorzügliche Streichinstrumente, sondern besonders auch ausgezeichnete Pianofortes herstellen kann.





Die Märchenerzählerin (Abbildung S. 361). Wir geben heute unseren Lesern das fünfte Bild von dem Münchener Künstler Julius Adam (nicht zu verwechseln mit dem bekannten Lithographen dieses Namens, der 1874 gestorben ist). Im Jahrgang 1875 brachten wir seine „Münchener Charakterköpfe“ und „Musikalische Studienköpfe“, im Jahrgang 1877 „Zillerthaler und Zillerthalerin“. Vier Jahre später (Jahrgang 1881) überraschte er uns mit seinem prächtigen „Pfingstreigen“, in welchem er uns das an Freuden so reiche Frühlingsvolksleben in Flur und Wald zeigt, zu welchem die Zeitgenossen Faust’s „aus der Gassen quetschender Enge“ herausströmen. Auch unser heutiges Bild führt uns zu einer Frühlingsfestfreude, nur daß nicht ein Stück Volk, sondern ein Stück Familie daran Theil nimmt. Die Großmutter hat sich ihren Ruhesessel in den Garten hinterm Hause tragen lassen, und da sitzt sie nun, von den Enkeln und anderen Kindern umringt, und erzählt. Die Großmutter erzählt! Das ist die Seligkeit der kleinen Herzen. Die Großmutter mag erzählen was sie will, es ist Alles herrlich – die Großmutter erzählt’s ja. Es muß etwas Gruseliges sein, das sie eben ausmalt; denn die Gesichter der gespannt Horchenden werden so ernsthaft. Nur das Mädel auf der Schwester Arm, der Bub’ im Korbwagen und der Spitz im Grase machen sich nichts daraus und freuen sich auf eigene Faust. Dem Bilde schadet das aber durchaus nichts, wie wir sehen.




Kleiner Briefkasten


Langjährige Abonnentin in Oldenburg. Es freut uns, Ihnen erwidern zu können, daß E. Marlitt eine Erzählung unter der Feder hat. Wurde übrigens bereits in unserer Quartalsanzeige (Nr. 13) mitgetheilt.

Schifkorn, Ungarlied. Lied des Esikos. Gedicht von J. N. Vogl, der ungarische Text von B. Kováts, Musik von Heinrich Proch. Op. 37. Bei Ant. Diabelli u. Comp., Graben, Wien.

Franz S. in Triest. Natürlich. Kaufmannes! Die Apposition hat die Flexion.

T. E. 1862 in Straßburg. Ihr Manuscript ist unter der angegebenen unvollständigen Adresse unbestellbar. Geben Sie gefälligst an, ob Sie es nach Straßburg im Elsaß oder nach welchem Straßburg sonst dirigirt haben wollen!

Neustadt a. d. H. Brodneid!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_372.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2020)