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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

den Sitz freilassen; an der Außennaht dieser Leggins steht noch ein breiter Streifen über, der mit Schellen, Kettchen, Perlen, Hermelinschwänzen oder erbeuteten Scalplocken reich verziert ist. Buntgestickte Mocassins und allerhand seltsame Verzierungen in mitunter sehr geschmackvoller Farbenzusammenstellung umschließen die Füße.

Das Haupthaar der Dacotahs ist in der Mitte des meist unbedeckten Kopfes getheilt, fällt glatt herunter und wird in dicke, durch Pelz- oder rothe Tuchstreifen zusammengehaltene Zöpfe gefaßt, die über die Brust herniederhängen. Die Scalplocke – das heißt die ebenfalls zu einem langen, aber dünneren Zopfe zusammengeflochtenen Wirbelhaare – wird von dem übrigen Haarwuchse scharf getrennt gehalten und außerdem noch durch Perlen- oder Roßhaarschmuck markirt; in ihr steckt auch die mächtige Feder des Kriegsadlers, von der weiter unten noch die Rede sein wird. Scheitel und Grenzlinie der Scalplocke sind mit Zinnober oder Oker gefärbt, und Ohrgehänge, aus Muschelstücken oder Ringen bestehend, Halsbänder und Brustschilde aus Knochen und Bärenklauen, blitzende Armspangen, prächtig gestickte Tabaksbeutel, der unerläßliche Pfeifensack, Scalpirmesser, Spiegel- und Farbentäschchen vervollständigen die Ausrüstung der Dacotahs.

Selbstverständlich jedoch unterliegt das hier geschilderte Costüm mannigfachen Variationen, namentlich insofern, als in Folge der Berührung mit den Bleichgesichtern allerhand hierherverschlagene Theile von Civilanzügen und Uniformen etc. bereitwillige Verwendung finden.

Weniger verschiedenartig und überhaupt einfacher als die der Männer ist die Bekleidung der Frauen. Sie besteht der Regel nach in einem langen, bunten Hemde mit kurzen, sehr weiten und offenen Aermeln. Die Beine der Schönen im Dacotahlande sind ebenfalls in kurze, nur bis zum Knie reichende, meistens reichgestickte Leggins von Leder, rothem oder blauem Tuche eingehüllt, während ein handbreiter mit Kupfernägeln beschlagener Ledergürtel, von dem die unvermeidlichen Farbentäschchen, Messer und ähnliches Ziergeräth herunterhängen, die Taille umschließt. Die Bemalung des Gesichts wie des Scheitels ist dieselbe wie bei den Männern, und ebenso tragen auch die Weiber jene oben erwähnten bunten Blankets oder Decken. Ihre Ohren aber werden leider nicht selten durch fußlange Gehänge aus Knochen, Ringen oder Muschelschalen verunstaltet, deren Gewicht die Ohrläppchen oft bis auf die Schultern herabzieht.

Bemalte Büffelhaut des Dacotah-Indianers „Langer Hund“, ihn selbst auf dem Frauen- und Pferdediebstahl darstellend.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

Hiervon abgesehen, begegnet man wie unter den Indianerinnen überhaupt, so auch unter den Dacotahweibern, und vornehmlich unter den jungen Mädchen zwischen zehn und achtzehn Jahren, vielen hübschen und interessanten Gesichtern, und sehr wohl vermag eine solche wilde Schönheit, angethan mit ihrem vollen, eigenthümlichen Schmuck, das Wohlgefallen des Europäers, ja selbst die Bewunderung eines künstlerisch geschulten Auges zu erregen; denn das blitzende dunkle Auge, die blendend weißen Zähne, das volle tief schwarze Haar, die stolz gebogene Nase, die üppigen und doch anmuthigen Formen bedeuten ebenso viele gefährliche Reize, um so gefährlicher, wenn dieselben durch ein bestechendes Costüm gehoben werden, das ja einer wirksamen und pikanten Farbenzusammenstellung meistens nicht ermangelt.

Vornehmlich an den sogenannten „Rationstagen“, welche vom Vorstande der Agentur je nach Bedürfniß wöchentlich, zweiwöchentlich, mitunter auch wohl täglich abgehalten werden, ist vollauf Gelegenheit geboten, das Leben und Treiben der Indianer zu studiren, da an solchen Tagen die gesammte Bevölkerung der Lager in Schaaren herbeiströmt, um aus der Hand des Agenten die Gaben in Empfang zu nehmen, die „der große Vater in Washington“, das heißt die Regierung der Vereinigten Staaten, zu ihrem Unterhalte gespendet.

Vom frühen Morgen bis zum sinkenden Abend ist dann die Umgebung der Agentur der Schauplatz des buntesten Gewühles; ganze Wagenburgen, viele Hunderte von Karren umlagern die Zugänge zu den Gebäuden, und überall ertönt Geklingel, Geschwätz, Gelächter und Pferdegewieher. In malerischen Gruppen hocken die Rothhäute, die Pfeifen kreisen lassend, rings auf den Hügeln; hier sprengt ein Häuptling, roth wie ein Pandur, und seine reich geschmückte „Squaw“ (Gattin) vor sich im Sattel, auf flinkem Pony heran; dort kichern und schäkern dichtgedrängte Mädchengruppen; dazwischen schreiten würdevoll indianische Redner durch die Menge, mit weithin hallender Stimme Gott weiß welches Thema behandelnd.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_365.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)