Seite:Die Gartenlaube (1882) 359.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

ergriff ihn an der Schulter, daß er nicht von dannen konnte, und erklärte ihm, daß die Engelid mir gehöre für den ganzen Abend. Noch war ich friedfertig gestimmt; ich rieth ihm, das Mädchen selbst zu fragen, damit’s entscheide zwischen ihm und mir.

Er sah Engelid in die Augen, fragte sie aber nicht; denn er mochte die Antwort darin lesen, sondern kehrte sich mir zu und meinte, daß ich gut reden habe und er mir kein Wort glaube.

Ich hielt ihn noch immer, und weil der Tanz stockte und alle Augen sich auf mich richteten, um zu erfahren, wie ich die sträfliche Beleidigung hinnehmen würde, stieg mir das Blut in den Kopf. Ich sagte ihm, daß, um zu lügen, ich zuvor bei ihm in die Lehre gegangen sein müsse, und da lachten sie ringsum in dem Gedränge; denn sie gönnten dem Jansen die Schande. Er aber ließ die Engelid fahren und schlug mit der Faust nach mir und rief, ich möchte den Hieb hinunterwürgen und daran ersticken. Ich hatte den Angriff vorgesehen, und so traf er mich nur auf den Arm. Dagegen schlug ich ihn mit der Hand in’s Gesicht, daß es laut durch den Raum schallte, und im nächsten Augenblick standen wir, das Messer in der Faust, einander gegenüber. Nun schritten die älteren Männer ein und brachten uns aus einander. Da sie aber einsahen, daß es ein Unglück gäbe, wenn die Sache nicht gleich geschlichtet werde, kamen sie überein, daß wir den Streit sofort unter ihren Augen ausfechten sollten, und zwar, damit’s Keinem an’s Leben gehe, mit dem Daumennagel in der ersten Kerbe des Messerrückens.

Ich selber war damit zufrieden; denn ein paar gute Schnitte hätten das Blut bald genug abgekühlt, wie nach einem Aderlaß. Doch der Jansen schrie in seiner Wuth:

‚Bis an die dritte Kerbe! anders thu’ ich’s nicht, und Jedem, der mich daran hindert, gehe ich auf den Leib!‘

Um die Sache kurz zu machen – denn in mir kochte es jetzt ebenfalls – erklärte ich mich damit einverstanden, und ein wenig später war Raum geschafft, hatten wir die Hemden bis auf die Hüften herunter gestreift und lag ein Riemen um uns Beide geschnallt, daß wir nicht einen halben Schritt weit aus einander konnten. Das Messer hielt Jeder in der Faust, den Daumennagel in der dritten Kerbe. Nun wurde das Zeichen gegeben; wir stießen zu, und ebenso schnell fing ich sein rechtes Faustgelenk in meiner linken Hand auf, während er es mit mir nicht anders machte. Jetzt begann das Ringen – ein schweres, mannhaftes Ringen. Der Riemen schnitt in unsere Weichen – mit solcher Gewalt drängte Einer den Andern, indem wir mit dem vorgestreckten rechten Knie uns gegenseitig zu Fall zu bringen suchten.

Ich sage Dir, Olsen, die Zuschauer ringsum wagten kaum zu athmen – so hatte ängstliche Spannung sie gepackt; bei der Stille hörte man das Knacken der Sehnen und Gelenke, und in die Augen schauten wir uns mit einer Feindschaft, die nur durch Blut gemäßigt werden konnte.

Plötzlich trat ich mit dem linken Fuß auf eine Beere oder ein Stückchen Lichttalg – was weiß ich’s? Ich glitt aus und sank auf’s Knie, und obwohl ich Jansen’s Hand hielt, gelang es ihm, mir mit dem Messer von oben nach unten über die Rippen zu fahren, und zwar, wie ich’s wohl merkte, mit gänzlich zurückgezogenem Daumen. Kam der Stoß, den er mir nun versetzte, mehr von der Seite, so zerschnitt er mir die Brust bis in’s Herz hinein, wogegen jetzt die spitze Schneide über vier Rippen hinglitt und ebenso viele Schrammen riß, die nicht des Ansehens werth waren. In mir aber war über die Verrätherei eine Wuth erwacht, die meine Kräfte verdoppelte; der erste Blutstropfen war kaum zu Tage, da stand ich wieder aufrecht und trotz Jansen’s festem Griff und seiner Gegenwehr führte ich einen Schlag nach ihm, der ihm zwischen zwei Rippen die Brust einen guten Finger lang aufschlitzte. Mein Daumennagel hatte die Kerbe nicht verlassen. Trotzdem mußte ich ihn schwer getroffen haben; denn seine Hände öffneten sich und bevor Jemand zusprang, um den Riemen zu lösen, sank er mit wildem Blick, ohne einen Laut auszustoßen, zu Boden, im Fallen mich mit sich reißend.

Da gab’s denn freilich groß Geschrei unter den Weibern. Die Männer hingegen, die uns aus einander brachten, auch wohl des Jansen Hinterlist entdeckt hatten, die raunten mir zu, daß es vorbei mit ihm sei und ich mich davon machen möge, bevor es zu spät. Dem Olaf gab ich nur noch einen Wink; dann schlüpfte ich hinaus und wartete vor dem Dorf auf ihn. Er kam auch und erklärte, daß es mit dem Jansen schnell zu Ende gehe, und wenn der ein Wort sagte, verdiente es Glauben. Ich gab ihm daher meinen Hausschlüssel und Anweisungen von wegen meiner Forderungen, und bald darauf befand ich mich auf dem Wege nach Bergen.“

„Ich trau’ dem Jausen zu,“ versetzte Olsen, nachdem Knut geendigt hatte, „daß es überhaupt nicht so arg mit ihm stand und er sich das Ansehen von einem Todten nur gab, um auf gute Art Deine Nachbarschaft los zu werden.“

„War ein Stück Heuchelei im Spiel,“ erwiderte Knut sorglos, „so ist ihm die List geglückt. Mag es darum sein! Er lebt nicht mehr; hätte ich ihn wieder gesehen, so wär’s auch nicht viel anders gewesen. Die zehn Jahre, die ich draußen verbrachte, hätte er mir nicht ersetzen können.“

„Wie hatte sich Engelid, als Ihr Euch in den Haaren lagt?“

„Wer weiß! Ich kümmerte mich nicht d’rum. Der Anblick des strömenden Blutes hatte mich merkwürdig abgekühlt. Ein halbes Dutzend von ihrer Sorte hätte mit den größten Zärtlichkeiten nicht einen Pulsschlag über’s alte Maß aus meinem Herzen herausgeholt.“

Hier lachte Knut spöttisch auf und fügte gleichmüthig hinzu:

„Ich vermuthe, die Engelid hat sogut, wie die anderen Weiber, über Mord geschrieen; wär’ ich vor sie hingetreten, hätte sie mir wohl’s Tanzen für das ganze Leben abgeschworen.“

„Ein oder zwei Jahre später begegnete ich ihr einmal,“ bemerkte Olsen, „ein verwettert hübsches Ding war sie geworden.“

„Wo die wohl ihr Ende genommen haben mag?“ fragte Knut, um das Gespräch überhaupt im Gange zu erhalten, indem er mit den Blicken die Entfernung bis zu der Insel maß, auf die ihn zu landen der Schiffer versprochen hatte.

„Genau weiß ich’s nicht,“ antwortete dieser ebenso sorglos, „komm’ ich doch nur selten in den Lyster-Fjord, und dann giebt’s Anderes zu verhandeln. Nur einmal war sie in der Leute Mäuler. Da hatte nämlich ein Corporal um sie angehalten, und den wollte sie nicht. Dann hatte wieder ein Sägemüller aus dem Lärdal sich in den Kopf gesetzt, sie zu heirathen, und den schlug sie trotz seines erstaunlichen Reichthums aus, und das war in der Ordnung; denn der hätte ihr Großvater sein können. Darauf verschwand sie eines Tages spurlos, und nie wieder hörte Jemand von ihr. Manche wollten behaupten, sie sei dem Corporal nach Christiania oder Stavanger nachgelaufen; Andere wieder, sie habe sich ein Leid angethan. Genug, sie ist verschwunden und verschollen.“

„Schade d’rum!“ bemerkte Knut gedehnt. „Ich bin übrigens neugierig, wie’s in meinem Hause aussieht. Es mag zerfallen sein und im Inneren wird wohl der Staub Fäuste hoch liegen. Das Wollenzeug haben die Motten sicher bis auf den letzten Faden verzehrt, und ist der Regen durch’s Dach gegangen, wird alles Andere verfault sein.“

„Wer weiß,“ entgegnete der Schiffer, „ich hatte einst eine Fracht nach dem Lyster-Fjord und blieb drei Tage dort. Das Gerede kam auch auf Dich, und da hieß es, daß Du noch gute Freunde im Lande haben müßtest. Denn in jedem Sommer sei drei- oder viermal des Abends ein junger Bursche in einer Segeljolle gekommen; der habe, ohne Jemand zu begrüßen oder mit ihm zu reden, das Haus aufgeschlossen und drinnen gesäubert und gearbeitet, sei aber mit Tagesanbruch wieder davongesegelt.“

„Den kann nur der Olaf geschickt haben, um ein wenig zum Rechten zu sehen, und das ist schwerlich viel geworden. Was bringt Jemand in einer einzigen Nacht zu Wege, wenn’s nicht gerade eine Arbeit zum eigenen Vortheil ist? Immerhin bleibt’s eine große Gefälligkeit von dem alten Mann. Er wäre wohl selber gekommen, hätt’s Alter nicht zu schwer auf ihm gelegen. Ich werd’s ja noch erfahren heut.“

„In welcher Richtung liegt seine Hütte?“

„Dort um die Südseite herum in einem stillen Winkel, wo die schlimmen Böen sie nicht fassen. Brauchst mich nicht so weit herumzufahren, sondern magst mich landen, wo’s Dich keinen großen Umweg kostet. In einer Stunde oder zwei gehe ich bequem hin, und das Gehen soll mir gut thun obenein. Auch kenne ich’s Fahrwasser nicht genau da hinter den Felsen, und Deine Jacht hat einen gehörigen Tiefgang.“

„Den hat sie, sonst sollte mich der Umweg nicht gereuen, Dich gerade vor des Olaf’s Thür abzusetzen. Ich hätte selber den Alten gern mal wiedergesehen nach den vielen Jahren. Er wird seine Noth gehabt haben, mit Makrelenangeln genug zu schaffen,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_359.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)