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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Heute liegt über der Gegend der milde Sonnenschein, und die Glocken der Almheerden klingen auf den Hochmatten, und die Hirten jauchzen oder liegen im duftigen Grase, wollen nichts und denken nichts – lassen sich schaukeln von dem, der in seiner Hand den Erdball dreht.

Dem Franz ist heute nicht um’s Jauchzen und nicht um’s Liegen auf dem Bauch. Er sieht aus, wie alle übrigen munteren Bauernburschen, aber inwendig ist er ganz anders gerathen, als die Anderen. Schnitzen und Malen! Unser Herrgott hat’s auch so getrieben, hat die Welt geschnitzt, hat den Himmel gemalt. Der Junge zieht jetzt sein Taschenmesser, schärft es an einem Quarzstein und schneidet sich damit einen Zirm-Ast.[1] Der Bacherwirth unten im Dorfe hat einen fuchsbraunen Hengst, ein schönes, feueriges Thier; das soll jetzt dran – das wird nachgeschnitzt aus dem feinen, harten, glattrindigen Zirmholz. Das Hengstenachmachen ist nicht verboten. Ist aber auch keine so große Unterhaltlichkeit dabei, als etwa beim Geldnachzeichnen.

„Kein Mensch könnt’s vollbringen? Es gehört ein Kaiserkopf dazu!“ meint der Oberveitel. Das wollte dem Jungen nicht aus dem Sinn. Dabei stellte sich heraus, daß das zu gleicher Zeit nicht geht, nämlich das Denken an’s Geldmachen und das Schnitzen von Hengsten; der Hengst bekam unglaublich lange Ohren und der Geldmachergedanke einen langen Schweif. Und der Schweif hing ihm an, sodaß der Bursche niederstieg zu seinem Hause, von seinem Vater eine Fünfzigernote borgte und sich damit in die Kammer einschloß. So eine große Banknote war im Hause ein seltener Gast, der es allemal gar dringend hatte und sich nur für kurze Zeit im Ederhause aufhielt; er machte immer nur eine flüchtige Rast auf seiner abenteuerlichen Wanderung durch das Land – dort Gutes stiftend, hier Uebles. So ein Kerlchen muß portraitirt werden! Dann mag’s so wieder laufen und Sünden machen so viel es will. Der Franz spitzte den Bleistift. Immerfort das Heiligenbildermalen, das Rösser- und Vogelzeichnen – das ist nicht spaßig. Wir wollen einmal redlich wissen, ob der Oberveitel die Wahrheit sagt: „Das kann kein Mensch vollbringen. Keiner nicht.“ Wollen es versuchen.

So der Franzl und ging mit flinken Fingern an die Arbeit. „Das feine Papier können wir freilich nicht nachmachen,“ dachte er bei sich, „wir sind kein Papiermacher. Der Wasserdruck schiert uns auch nicht – der ist was für den Müllner. Aber die Zeichnung!“ Die Fälschung dieser Staatsnote wird mit lebenslänglichem schwerem Kerker bestraft – diese Worte schrieb der Franzl mit einem einzigen wagrechten Striche.

„Jesus Maria, Franzl!“ rief seine Schwester draußen, „was treibst Du in der Kammer, daß Du Dich einsperrst?“

Die Fälschung dieser Staatsnote wird mit lebenslänglichem schwerem Kerker bestraft, schrieb der Franzl. Seine Finger zitterten nicht dabei.

„Du bist drinnen?“ rief die Schwester, „Du stellst was an; Du brichst was.“

„Ich mach’ was,“ antwortete der Bursche.

„Dabei verriegelt man nicht die Thür.“

„Sie ist schon offen.“

Am Abend, als die Leute beisammen waren, schauten sie das Kunststück an; Einer gab die Note dem Andern in die Hand, und sie fingen an die echte mit der falschen zu vergleichen, bis Einer fragte: „Ja, wo ist denn nachher dem Franzl sein Geldschein?“

Der war’s, den der Mann in der Hand hielt.

„Aber das ist ja doch der Echte! Jesus Christus, das wäre der Falsche?“

„Ja schau man her!“ rief der alte Eder, Franzl’s Vater, schmunzelnd, „Du Lump, Du junger!“

Die Zeichnung ging – stolz knisternd, wie ein echtes Stück Papiergeld – in den Händen herum, und der Franz kümmerte sich nicht weiter drum. Er hatte es vollbracht – das Papier brauchte er nicht mehr.

Ein junger Nachbar war im Hause, der Patritz: der verfolgte an diesem Abende eine Person der Ederfamilie, um sie auf lebenslang gefangen zu nehmen. Aber eine unschuldige Person, nicht etwa den Geldfälscher, sondern dessen muntere Schwester mit dem krausen Haar. Er schlug sie in glühende Ketten, in jene gefährlichen ewigen Bande, denen sich selten ein Mädchen entwinden kann oder will: er legte seine Arme um ihren geschmeidigen Leib.

„Maria,“ flüsterte er ihr in’s Ohr, „ich will Dir was sagen.“

„Sag’s nur her!“ antwortete sie, „es wird gewiß wieder was Wichtiges sein, was ich schon seit Ostern her weiß.“

„Wissen wirst es schon seit letztem Fasching her.“

„Seit letztem Fasching her weiß ich, daß Du ein dummer Bub bist,“ neckte sie.

„Wenn’s dumm ist, daß Einer das schönste Dirndl auf der Welt gern hat! Das liebste Dirndl! Das herzliebste Dirndl! – nachher hast Du mit Deiner Red’ recht.“

So stritten sie sich in die Verlobung hinein – der Patritz und die Maria.

Als an demselben Abende der Patritz fast ungebührlich spät nach Hause ging, gesellte sich ihm der Gaisbub des Jakhofes zu und lud ihn ein, noch mit in’s Wirthshaus zu kommen; er zahle heute ein Maß Glühwein.

„Schau hin, das Wirthshaus hat schon schwarze Fenster,“ sagte der Tritz (Patritz).

„Die Kellnerin muß noch einmal aufzünden. Die Wirthin muß auf aus dem Bett; ich will einen gezuckerten Eierschmarn haben und einen Kaffee dazu. Der Wirth muß auch aus dem Bett; ich will was Cithernschlagen hören; ich bin just einmal aufgelegt zum Lustigsein. Himmelherrgott, geh her – was kostet die Welt?“

„Du thust ja gerad’, als ob Deine Gaisen eine goldene Milch thäten geben,“ sagte der Tritz.

„Die Lieserl muß auch aus dem Bett,“ fuhr der Gaisbub fort, „ich will mit ihr Eins tanzen.“

Der Tritz konnte den Uebermuth dieses sonst so duckmausigen Burschen gar nicht begreifen.

„Mir scheint, Du kommst ohnehin schon vom Wirthshaus,“ sagte er.

„Von unsers Herrgotts Keller, ja; hab mir eben beim Ederhofbrunnen gerad’ früher meinen Durst gelöscht. Ist schade um den prächtigen Durst, aber ’s ist schon wieder ein neuer da, und den lösch’ ich mit Löschpapier!“

Damit hielt der Gaisbub eine große Geldnote in die mondhelle Luft hinein:

„Der Krämer muß auch aus dem Bett; ich will einen Feigenkranz haben für die Lieserl.“

„Wo hast denn Du diesen Funfziger her?“ fragte der Tritz, indem er nach dem Papier langte.

„Du kannst auch einen haben, Camerad,“ vertraute ihm der Gaisbub, „der Eder-Franz macht sie.“

„So,“ sagte der Tritz, „das ist der vom Eder-Franz? Schau, Gaisbub, den muß ich Dir wechseln. Geh mit zum Richter; dort laß ich Dir zweimal fünfundzwanzig dafür geben, ist auch fünfzig.“

Damit war der Gaisbub denn nun gar nicht einverstanden; er bettelte, er schmeichelte, er zankte und schimpfte, aber er war von Beiden nicht der Stärkere. Der Tritz hatte das Papier schon in gutem Gewahrsam, und dem Gaisbuben blieb auf der Welt nichts übrig, als seinen schönen Durst beim nächsten Hausbrunnen zu löschen.

Der Tritz ging seines Weges, und die falsche Geldnote sorgfältig glättend und in seine Brieftasche legend, dachte er: So, mit dem Häutlein mach’ jetzt ich meinen Spaß.


Wie der Spaß ausfällt.

An einem der nächsten Tage finden wir den Eder-Franz wieder auf der freien Höhe.

„Auf der Alm, da ist’s fein,
Giebt’s ka Sünd’ und ka Pein.
Ist der Berg wie ein Rosenstock,
Ist der Wind wie ein Nagerlduft,
Glanzt’s Wasser wie ein Silberring,
Spielt d’ Sonn’ wie eine goldene Lust.
Wann ih jauchz und a Gsangel sing:
Da Schall wie ein Glöckerl klingt;
Mein Herz, das ist alleweil voll Freud,
Kennt ka Sünd und ka Pein.
Auf der Alm ist’s gut sein!“

So sang der Bursche, und sein leuchtendes Auge sagte, daß er’s nicht aus dem Leeren sang. – Wir dürfen den Franzel ja wohl näher betrachten; denn das ist Einer, an dem wir ein wenig Herzeleid erleben werden, aber auch viel Ehre und Wunder.

  1. Eine Art Nadelbaum (pinus cembra).
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_342.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2018)