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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

No. 21.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Pfingstoffenbarung.

Welch ein wonnesames Weben
Rührt mich herzbewegend an?
Geist der Pfingsten, fühlt mein Leben
Wieder sich in deinem Bann?

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Wie sich Blüthenäste beugen,

Und der Windhauch Farben schneit!
Weckst du wieder deine Zeugen
Hoher Geist der Herrlichkeit?

Ach, das war ein schläfrig Träumen,

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Unbefriedigt, glaubensmüd’,

Unter starren Winterbäumen
Ohne Blatt und ohne Lied:
Bis der Lenzgewitter Mahnen
Ging vor deinem Siegeslauf

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Und der Hoffnung grüne Fahnen

Pflanzten laue Lüfte auf.

Und nun brennt’s auf dunklen Schollen,
Lodert’s in der Aeste Grün:
Plötzlich muß mit wundervollen

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Flammen dein Geheimniß glüh’n;

Jedem Veilchenkelch entrungen,
Schwimmt es in die Welt als Duft,
Und der Tulpen Feuerzungen
Rufen’s in die weiche Luft:

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„Selbstisch Brüten, kühles Streben

Macht dich nicht vom Staube frei;
Liebe heißt das ew’ge Leben,
Das die Ketten bricht entzwei.
Liebe will dir Wunder zeigen,

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Die du schlummernd in dir trägst;

Höchstes Glück wird nur dein Eigen,
Wenn du Liebesarme regst.“

Die Jehova sich vertrauten,
Die verbannt vom Tempelthor –

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Jedem mit der Heimath Lauten

Klingt die Botschaft in das Ohr,
Und die Herzen, sie begreifen’s;
Augen schau’n sich selig an;
Tausend kleine Vögel pfeifen’s:

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Daß der Himmel aufgethan.


Durch die Seelen wogt ein Wallen,
Wie ein Rausch von jungem Wein;
In die schönen Wunderhallen
Zieh’n die gläub’gen Schaaren ein,

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Und es wirkt verjüngten Strebens

Jeder, was der Sinn ihm weist:
Also schickt der Herr des Lebens
Pfingsten seinen heil’gen Geist.

 Victor Blüthgen.




Der junge Geldmacher.

Tiroler Dorfgeschichte aus dem Leben eines Künstlers.
Von P. K. Rosegger.
Was der Franzel in der Kammer trieb.

„Das machst nach, wenn Du kannst!“ sagte der Oberveitel zu Dölsach und zeigte am Tisch eine neue Fünfzigernote herum. „So ein Nachmachen von Geldzetteln, das kann kein Mensch vollbringen, keiner nicht! Da gehört ein Kaiserkopf dazu, zum Geldmachen. Ja, meine lieben Leut’!“

„Was Einem etwa geschehen thät, wenn man herginge und mit dem scharfgespitzten Bleistift den Fünfziger schön sauber nachzeichnen wollt’!“ So gab Einer dran.

„Probir’s!“ rief der Oberveitel, „bist im Stand, den kleinwinzigen Druck da auch nur zu lesen? Und werden Dir nicht die Finger zittern, wenn Du zwanzigmal schreiben sollst: Die Fälschung dieser Staatsnote wird mit lebenslänglichem schwerem Kerker bestraft? Hast die Kurasch dazu?“

„Leicht nicht,“ sagte ein Anderer, „da thue ich lieber drei Monate lang Holz hacken – ist der Fünfziger auch gemacht und ist keine Gefahr dabei.“

Deß waren sie alle einverstanden, die Bauern zu Dölsach. Nur Einer, ein ganz junger noch, ein schlank aufgeschossenes Bürschlein, schien nicht recht darüber im Reinen zu sein, wieso man diese interessante Sach’ so mir nichts, dir nichts fallen lassen könne. Etwas tiefsinniger, als es der Franz sonst gewohnt war, ging er vom Hause hinan gegen die grüne Höhe, wo die Zirmbüsche stehen und wo man den weiten Ausblick hat in’s schöne Land Tirol. Da unten sind die blauenden Thäler, in welchen man von diesem einen Punkte aus nicht weniger als achtundvierzig Kirchthürme blinken sieht. Dort drüben stehen die weißen Berge der Dolomiten, von wannen im Lenz der lawinenstürzende Föhn kommt und im Sommer das Schloßen schleudernde Wetter.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_341.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2023)