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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


leuchtende Gestalt ist nicht die edle, heroische Herzogin Louise, deren Zusammentreffen mit Napoleon vollkommen dramatisch wirkt und zugleich jedem Patrioten aus den Tagen der Erniedrigung das erhebende Idealbild einer echt fürstlichen Frauengröße in voller Wahrheit zur Anschauung bringt! Welcher klare, scharfe Geist spricht aus jedem Worte der heldenmüthigen Herzogin, wie wächst ihre Erscheinung in den Augen Napoleon’s höher und immer höher, bis er, der mächtigste Feind der Deutschen, hingerissen von Bewunderung in die Worte ausbricht:

„Madame, Sie sind wahrhaftig eine der achtungswürdigsten Frauen, die ich jemals kennen gelernt. Sie haben Ihren Gemahl gerettet.“

Der Herzog Karl August, von dem Goethe so schön gesagt, es wäre ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu sein, wenn jeder Fürst ihm gliche, tritt in dem Keil’schen Buche weniger hervor. Der Verfasser konnte uns das Bild des damals nicht in Weimar anwesenden Herzogs gewissermaßen nur aus der Ferne zeigen, doch fällt immer noch ein heller Schimmer darauf zurück.

In der zweiten Hälfte steigt das Keil’sche Werk von seiner Höhe herunter. Es verliert den Charakter der historischen Poesie und führt uns öfter in das flache Gebiet einer etwas öden Briefliteratur, deren Werth durch die ereignißvolle Zeit, in welcher sie entstanden, nicht gehoben werden kann.

Wie ein unvermuthet schöner Ausblick erfreut uns aber der köstliche Brief Knebel’s an Goethe vom 24. October, in welchem sich ein freier großer Geist ausspricht, ein Geist, dessen bitterer Schmerz über die Zerfahrenheit der damaligen Zeitzustände in dem Bewußtsein der eigenen deutschen Mannhaftigkeit wurzelte. Knebel fühlte aber auch die Machtlosigkeit des Einzelnen, und nur die Klugheit und der ihm angeborene Humor konnten dem kerndeutschen Mann über die traurige Zeit, so weit es möglich war, hinweghelfen. Da die Franzosen vor den Männern der Wissenschaft eine Art Respect hatten, so staffirte sich der Major als deutscher Professor heraus, und Goethe war der Erste, der ihm zu dem heitern Uebergang aus dem Wehrstand in den Lehrstand gratulirte. Dieser ausführliche, von tiefem Gemüth getragene und dabei mit so vielen treffenden Bemerkungen in unbefangenster Weise durchwebte Brief nebst der Goethe’schen Antwort hat in der That einen literarischen und culturhistorischen Werth. Ganz anders verhält es sich mit der „Abhandlung Goethe’s über Jena und Weimar“, deren Echtheit Robert Keil mit großem Eifer zu vertreten sucht. Ob diese Abhandlung aber von Goethe oder Riemer, das ist wirklich gleichgültig; denn sie besteht lediglich aus einer katalogischen Zusammenstellung der verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften, Anstalten, Privatinstitute, Zeichenschulen, Vereine von Kunstfreunden etc., eine an sich ganz verdienstliche Zusammenstellung, die aber ihres Gegenstandes wegen eine besondere Auffassung und Darstellung überhaupt nicht zuläßt. Wenn nun der Herausgeber trotzdem dieser bisher unbekannten Abhandlung angemerkt hat, sie sei „offenbar ein Dictat Goethe’s an Riemer“, dessen Handschrift sie an sich trägt, so übertrifft er beinahe noch jene allzu eifrigen Goethomanen, von welchen die geistreiche Frau von Staël behauptete, sie verstünden selbst in einer Goethe’schen Briefadresse sein Genie zu finden.

Man sieht, wir müssen Manches mit in den Kauf nehmen, wodurch wir weder eine Anregung noch eine Belehrung zum volleren Verständniß des Dichters empfangen. Das Werk ist eben die Hervorbringung von zwei Brüdern, deren Geist in einer verschiedenen Darstellungsweise zum Ausdruck kommt. In dem einen Theil waltet bei aller historischen Wahrheit in den Schilderungen der Zeit eine dichterisch angelegte Natur, aus dem andern Theil dagegen spricht vornehmlich ein geschichtlicher Sammel- und Forschergeist. Ungeachtet dieser mangelnden Harmonie im Darstellungsstil ist das Werk eine historisch und literarisch nicht zu übersehende Erscheinung, schon wegen jener Urkunden, in denen der universellste deutsche Dichter, der wie Apollo in dem Reiche des Lichtes stand, uns Vieles mittheilt, wodurch unsere Liebe zu ihm als Menschen nur noch mehr gefestigt wird.

Wilhelm Buchholz.




„Der österreichische Touristenclub“, welcher seinen Sitz in Wien und in der „Oesterreichischen Touristen-Zeitung“ (Redaction: Emerich Reichel) sein Organ hat, erstrebt bekanntlich dieselben Zwecke, wie der „Deutsche und österreichische Alpen-Verein“. Das Verdienst einer Section desselben, der Section Eisenkappel, ist namentlich auch die Anlegung von dem in Nr. 13 unseres Blattes erwähnten „Fernsprecher im Dienste der Alpinen Sache“, über welche uns folgende nähere Beleuchtung zugeht:

„Die im Jahre 1878 gegründete Section Eisenkappel,“ so berichtet uns die Redaction der „Oesterreichischen Touristen-Zeitung“, „zählt dermalen 59 Mitglieder, und hat – außer sehr zahlreichen Wegmarkirungen und Weganlagen im Gebiete der hochromantischen Sannthaler Alpen (Grintovc 2559 Meter) und Karawanken (Hochobir 2140 Meter) – als hauptsächlichste Leistungen die Erwerbung der Werksgebäude auf dem Hochobir, dicht unter der Spitze, zu einer im Sommer und Winter bewirthschafteten Touristen-Unterkunft, die Erbauung des Frischauf-Hauses am Grintovc (circa 1500 Meter) und die Errichtung einer Touristen-Unterkunft im Berghause auf der Petzen (circa 2114 Meter), in circa 1400 Meter Höhe zu verzeichnen.

Die Häuser auf dem Hochobir und Grintovc wurden später von der Centrale in’s Eigenthum übernommen, respective der Section abgekauft.

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist ferner die dem ‚Österreichischen Touristen-Club‘ gehörige und von ihm erhaltene meteorologische Beobachtungsstation auf dem Obir (2044 Meter), dermalen die höchste derartige Station in Oesterreich-Ungarn.

Dieselbe erhielt die Ausrüstung einer Station erster Ordnung mit registrirenden Apparaten für Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Windrichtung, darunter von der kaiserlich königlichen Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien einen Thermohydrograph von Hottinger und ein Anemometer etc. Das Anemometer wird auf dem Gipfel des Berges (2140 M.) selbst aufgestellt werden, auf einer eisernen Pyramide, deren Kosten und Aufstellung vom deutschen und österreichischen Alpenverein freundlich übernommen wurden.

Es wird dies die erste Gipfelstation mit registrirenden, meteorologischen Apparaten im Alpengebiete sein und die zweite in Europa überhaupt. (Frankreich besitzt eine solche auf dem Gipfel des Puy de Dôme in nur 1467 M. Höhe.)“ [Jahresbericht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, vom 30. Mai 1881.]

Aus Vorstehendem erhellt die Bedeutung und Wichtigkeit einer directen Telephonverbindung mit der Telegraphenstation Eisenkappel, nicht nur für die Touristik, sondern noch mehr für die Wissenschaft.

Die Station ist eine permanente, und finden die Beobachtungen durch einen angestellten Beobachter statt. Die Wichtigkeit dieser Station ergiebt sich aus den Unterstützungen, die derselben durch Beistellung von Instrumenten und durch Subventionen von Seite der kaiserlich königlichen Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien, der Börsendeputation in Triest, der Centrale und der Section Klagenfurt des deutschen und österreichischen Alpenvereins etc. zu Theil werden.

Eine zweite meteorologische Beobachtungsstation besitzt der Club im Baumgartnerhause auf dem Schneeberge in Nieder-Oesterreich in einer Seehöhe von 1389 M.




Zur Errichtung eines Denkmals für Joh. Heinrich Voß. Am 21. Juli dieses Jahres vollendet sich ein Jahrhundert seit dem Tage, wo der gefeierte Sänger der „Luise“ und der berühmte Uebersetzer der „Odyssee“ in Eutin einzog, um zwanzig Jahre lang der dortigen Schule als Rector vorzustehen. Die Eutinische Thätigkeit von Voß gehört ihrem Hauptinhalte nach dem gesammten Vaterlande; schuf er doch hier seine berühmtesten dichterischen Werke und seine hervorragendsten Arbeiten kritischen Inhaltes, welche für die deutsche Sprache, für Uebersetzungskunst und Poesie, sowie für die bildende Kunst und die gesammte Wissenschaft von bahnbrechender Bedeutung und nachhaltiger Wirkung waren. In richtiger Würdigung dieser Verdienste hat man beschlossen, den oben bezeichneten Erinnerungstag in Eutin in festlicher Weise zu begehen und an demselben ein Voß-Denkmal auf dem Platze vor dem Eutiner Gymnasium zu errichten. Das zu diesem Zwecke eingesetzte Comité wendet sich nun an alle Freunde und Verehrer unseres Voß mit der Bitte, es freundlichst durch recht bald einzusendende Beiträge zu unterstützen. Wir treten für dieses Gesuch des Comités auf’s Wärmste ein und bemerken nur noch, daß Geldsendungen an den Cassirer des „Comité zur Errichtung eines Denkmals für Joh. Heinrich Voß“, Herrn Amtsrichter Muus in Eutin, zu richten sind.




Der Suezcanal – eine Wanderstraße der Seethiere. Der Suezcanal, eines der größten Werke unseres Jahrhunderts, dient gegenwärtig nicht allein dem regen Handelsverkehr der Culturvölker. Außer den großen Dampfern und Segelschiffen aller Nationen benutzen ihn noch einige Thierarten der angrenzenden Meere als Wanderstraße. Ein deutscher Naturforscher, Dr. Keller, hat diese Erscheinung am Timsahsee, einem der Bitterseen, durch welche bekanntlich der Canal geführt worden, genauer studirt und die Ergebnisse seiner Forschungen vor Kurzem veröffentlicht. Unsere Leser dürfte vor Allem die Erwähnung der Thatsache interessiren, daß auch die echte Perlmuschel vom Rothen Meere in den Canal eingewandert ist, sich dort ganz heimisch fühlt, ja sogar Perlen erzeugt. Auf Grund dieser Thatsache darf man wohl hoffen, daß diese werthvolle Muschelart auch in das Mittelmeer eindringen wird und daß uns einst die Gelegenheit geboten werden wird, an den südlichen Küsten von Europa Perlfischerei zu treiben. Freilich müssen sich, die dies hoffen, auf geduldiges Warten gefaßt machen, da noch Jahrzehnte vergehen werden, bis die Perlmuschel in größerer Anzahl im Mittelmeere erscheinen wird. Jedenfalls würde unsere Damenwelt diese Invasion der europäischen Küsten mit besonderer Genugthuung begrüßen.




Zum Besten der Blinden. Ein guter Gedanke ist es offenbar, den uns ein Herr M. M. brieflich mittheilt. (Unserm Herrn Correspondenten soll deshalb seine Anonymität ausnahmsweise verziehen sein.) Von der Annahme ausgehend, daß jeder gute Mensch in den Augenblicken, in welchen er sich durch den Gebrauch seiner Sehkraft am höchsten beglückt fühlt, auch am geeignetsten sein müsse, so recht mit dem Herzen zu ermessen, wie viel von der Herrlichkeit der Natur und des Lebens dem Blinden entzogen, wie entsetzlich arm er ist neben dem Sehenden – von dieser Annahme ausgehend, macht Herr M. M. den Vorschlag, nicht nur auf den unzähligen, vielbesuchten Aussichtspunkten in der Schweiz, in Tirol, im Salzkammergut, in Steiermark und Kärnthen, im Thüringer- und Schwarzwald, im Riesengebirge und im Harz, in der sächsischen und fränkischen Schweiz, im Rheinthale etc., sondern auch in den Bildergallerien, Museen und Theatern – und wir fügen hinzu: auch auf Volksfesten und in Ballsälen, wo die Lust des Auges so groß ist – Sammelbüchsen aufzustellen für die armen Blinden. Die Organisation dieser Unternehmung, welche allerdings zu einem riesigen Umfang sich ausbreiten könnte, soll und kann jetzt hier nicht erörtert werden, aber der Wunsch, der diesen guten Gedanken erzeugt hat, sei so laut wie möglich ausgesprochen: die Sehenden sollten im Gefühl des Glückes das Mögliche thun, damit der Blinde nicht auch noch vom Fluch der Armuth ganz zu Boden gedrückt, sondern daß ihm durch möglichste Ausbildung seiner übrigen Sinne so viel Genuß des Lebens gerettet werde, als eben möglich ist.




Kleiner Briefkasten.


Fritz Vieider. Der Jahrgang 1854 ist bei der Verlagshandlung nicht mehr vorräthig. Antiquarisch wird derselbe zu beschaffen sein.

A. M. in Berlin. Wenden Sie sich gütigst an den „Centralverein für Handelsgeographie und zur Förderung deutscher Interessen im Auslande“ in Berlin!




Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_340.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2023)