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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Die Bäume standen treue Wache
Und hielten jeden Lauscher fern;
Die Blumen all am Murmelbache
Die waren unser Teppich gern;
Da glühte roth die weiße Rose
Und schloß verwirrt das Auge zu –
Nur noch die Nachtigall, die lose,
Sang ohne Rast, sang ohne Ruh’:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.

Ich glaub’, man singt in Dorf und Städtchen
Zum Leierkasten bald mein Lied;
Die Burschen singen’s und die Mädchen;
Der Gassenbube pfeift es mit.
Dann wird sie tief erröthend neigen
Ihr liebes, bleiches Angesicht – – –
Du Nachtigall in grünen Zweigen
Verrath’, verrath’ mein Lieben nicht –:
Ich lieb’ Dich, wilde Kleine etc.




Blätter und Blüthen.


Eine Biographie Sebastian Bach’s. Nachdem Felix Mendelssohn-Bartholdy 1829 eine der größten Schöpfungen Sebastian Bach’s „Die Matthäus-Passion“ aus mehr denn dreiviertelhundertjähriger Vergessenheit hervorgezogen hatte, richtete sich das allgemeine Interesse immer mehr auf den merkwürdigen Leipziger Cantor und seine wunderbaren Werke. Als nun gar bei der Säcularfeier von Bach’s Todestage, im Jahre 1850, „die deutsche Bach-Gesellschaft“ behufs Herausgabe der sämmtlichen Werke dieses Tonhelden in’s Leben trat und ihre segensreiche Wirksamkeit begann – die der Vollendung sich nahende Gesamtausgabe wird für den ebenso fruchtbaren wie tiefen Componisten das förderlichste und herrlichste Denkmal sein – da wuchs auch die Begierde, mit den Lebensumständen Bach’s sich näher vertraut zu machen, und die dürftigen Biographien Forkel’s und Hilgenfeld’s, so verdienstlich sie waren, konnten nicht mehr genügen. Der ehemalige Geheime Rath und jetzige preußische Finanzminister C. H. Bitter kam 1864 mit seiner ausführlichen Lebensbeschreibung des Großmeisters in der That „einem tiefgefühlten Bedürfnisse“ entgegen. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß eine neue Auflage des trefflichen Werkes sich nöthig gemacht hat und im vorigen Jahre bei Wilhelm Baensch in Berlin in vier Bänden erschienen ist. Nicht nur von Bach’s Leben erzählt Bitter in fesselnder und auf den sorgfältigsten Forschungen beruhender Weise, auch auf die Kompositionen geht er mit großer Sachkenntniß und sichtlicher Liebe ein, viele derselben speciell beschreibend und analysirend. Doch möge der musikalische Laie nicht befürchten, dadurch in gar zu fern liegende fachmännische Details verwickelt zu werden!

Bitter kennzeichnet seine Absicht im Vorwort richtig mit folgenden Sätzen: „Es war mein Bestreben, Bach’s Erscheinung der großen Zahl derer näher zu rücken, die sich zwar nicht durchweg den gelehrten Musikern und Fachkünstlern hinzurechnen können, denen aber doch die tiefe und erhabene Kunst des großen Meisters nicht ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch geblieben ist. Ich habe zugleich darnach gestrebt, das Interesse für jene zahlreichen Werke überall da anzuregen, wo das Schöne nicht um des sinnlichen Reizes, sondern um des edleren Gehaltes willen gesucht wird. Ich habe endlich dem großen Meister – dem deutschen Künstler und Ehrenmanne – ein Denkmal des Dankes und bleibender Anerkennung zu stiften gesucht.“

Der vierte Band enthält eine sehr dankenswerthe Hauptzusammenstellung aller Werke Bach’s, sowie eine Sammlung höchst interessanter Actenstücke, Documente etc., die sich auf Bach, seine Verwandten, Schüler, Freunde und Feinde beziehen; denn an Gegnern und Feinden hat es Sebastian Bach ebenso wenig gefehlt, wie anderen Genies vor und nach ihm. Bitter erwähnt, daß selbst von Winterfeld, der berühmte Verfasser des vorzüglichen Werkes „Der evangelische Kirchengesang“, behauptet, die Bezeichnung als „Kirchenmusik“ sei der Matthäus-Passion von Bach abzusprechen, ihr Stil sei zu opernhaft, der Ausdruck der Leidenschaften und Gefühle zu menschlich. Er gedenkt ferner jener Stimme aus Bach’s eigener Zeit, laut welcher diese Passion in der Kirche einen widrigen Eindruck hervorgebracht habe. Diese Angriffe widerlegt Bitter nicht etwa, er sagt vielmehr: „Dies mag nach dem Vorangedeuteten als eine müßige Frage unerörtert bleiben“, dagegen spricht er ganz unerwarteter Weise von der „Musik der Zukunft“ und deren Jüngern. Da wäre es wohl angebracht gewesen, im Gegensatz zu jenen Gegnern Bach’s der von gewissen Seiten vielgeschmähten Koryphäen der Zukunftsmusik, Richard Wagner’s und Franz Liszt’s, als solcher zu gedenken, welche Bach mit Wort und That stets die größte Anerkennung haben zu Theil werden lassen; Bitter hätte erwähnen können, daß im Lob und Preise Bach’s alle ernsten musikalischen Richtungen der neuen Zeit sich einigen; statt dessen bereitet er sich bedauerlicher Weise eine Gelegenheit, um einen unhaltbaren Ausfall auf die eben erwähnte neue Schule anzubringen. Nicht die Gegnerschaft soll Bitter zum Vorwurf gemacht werden; er mochte immerhin seinen Bedenken Luft machen, aber er hätte das füglich an mehr geeignetem Orte thun können. Man verzeiht ja wohl einem Biographen einseitige Vorliebe für seinen Helden, aber dergleichen Ausfälle auf vermeintliche Rivalen berühren leicht widerwärtig. Man vergleiche des Russen Oulibischeff’s Herabsetzung Beethoven’s zu Gunsten Mozart’s!

Nur der aufrichtige Wunsch, den Autor aller Schwächen ledig zu sehen und ihm rückhaltlos den gebührenden Dank darbringen zu können, veranlaßte zu dieser Ausstellung.

Wie viel des Guten der vorzüglichen Biographie nachzurühmen ist, davon möge man sich durch eigenes Studium überzeugen! Wie anziehend wird Band I, Seite 49ff. das Geburtshaus Bach’s in Eisenach geschildert! Wie sinnig und anregend sind in diese Schilderung die Erinnerungen an den großen Reformator verflochten, welcher dereinst in jener alten Burg gehaust hat, „die ernst und bedeutungsvoll auf Sebastian’s Wiege herabschaut“, an einer Stätte, „deren mystische Sagen die überquellende Phantasie weit über Zeit und Raum hinausführen“!

Unter den interessanten Anmerkungen finden sich manche, welche selbst unmusikalischen Lesern lebhafte Theilnahme einflößen werden. Nicht ohne Vergnügen werden sie (I, 185) das Menu jener Tafel studiren, welche bei der 1721 erfolgten Investitur des Herrn Superintendenten Deyling in Leipzig nach einer langen gottesdienstlichen Handlung stattfand. Was da Alles aufgetischt wurde, mit Einschluß eines „Köstgen vor die Frau Superintendentin“, ist ganz erstaunlich. Aber das sind nur Allotria.

Möge Jeder, Musiker oder Laie, sich bestreben, am 21. März 1885, an Sebastian Bach’s zweihundertjährigem Geburtsfeste, dem erhabenen Meister in seinem Innern ein auf wirkliche Verehrung gegründetes Denkmal erbaut zu haben, möge er durch die so liebevoll geschriebene Biographie aus Bitter’s Feder und durch thunlichste Kenntnißnahme von Bach’s unvergänglichen Werken sich befähigen, jenes bedeutungsvolle Datum auch für sich zu einem wahrhaften Festtage zu gestalten!




Gustav Theodor Drobisch, der bekannte Dichter und Humorist, Journalist und Kunstkritiker, der am Morgen des 15. April in Dresden gestorben ist, gehört zu den Schriftstellern, die schon als Sturmvögel der achtundvierziger Revolution mit dem Gründer dieses Blattes, dem unvergeßlichen Ernst Keil, in Beziehung standen. Drobisch betheiligte sich nicht blos an dem am meisten verfolgten Blatte jener Zeit, dem Keil’schen „Leuchtthurm“, sondern später auch am „Dorfbarbier“ Ferdinand Stolle’s und an der „Gartenlaube“ – und so sei in letzterer nun auch seinem Andenken ein Blatt gewidmet.

Dresden ist die Vaterstadt unseres Todten – er wurde dort am 26. December 1811 geboren. Aber schon vom sechsten Lebensjahre an war Leipzig, wo sein Vater Orchestermitglied geworden, sein Wohnsitz und blieb es bis 1860. Sein Jugendschicksal war das eines sogenannten „armen Teufels“. Trotz trefflicher Gymnasialbildung mußte er vom Studium der Rechtswissenschaft abstehen, weil er dazu die Mittel nicht erschwingen konnte, und so ward er auf den Weg der „problematischen Existenzen“, das heißt zur Schriftstellerei gedrängt. Wie viele hunderte vor ihm, so trat auch er zuerst mit einem Bändchen „Dichtungen“ (Leipzig, 1836) vor das Publicum; das Honorar dafür reichte gerade hin, daß er sich einen anständigen Rock kaufen konnte. Um auch Brod zu verdienen, ging er aus Verzweiflung zum Theater, aber obwohl er sogleich zum „Major Storkow“ (in Holtei’s „Leonore“) avancirte, kehrte er doch zum Schreibtisch zurück. Wohl eine Frucht seiner Bühnenerfahrungen waren seine Fragmente über „Ludwig Devrient’s erste Schritte auf seiner künstlerischen Laufbahn“. Zu einem gesuchten Schriftsteller erhob ihn jedoch erst seine „Denkrede an Schiller“, welche am Schiller-Feste zu Leipzig 1841 Aufsehen erregte. Von da an war er ein beliebter Mitarbeiter an vielen Zeitschriften und bald selbst Redacteur, so seit 1845 an Sternau’s „Deutscher Damenzeitung“, dann an Oettinger’s „Charivari“ und an Herloßsohn’s „Komet“; die „Zeitung für die elegante Welt“ redigirte er von 1848 bis 1860, wo er endlich nach Dresden zurückkehrte, um auch dort den Redactionsstift weiter zu führen. Er war erst Mitredacteur der „Dresdener Nachrichten“, die ihm wesentlich ihren Aufschwung in den sechsziger Jahren verdanken, und seit 1872 der „Dresdener Presse“. Eine Aufzählung der Werke unseres Todten würde hier zu weit führen. Er hat in allen Formen poetischen Schaffens, auch den dramatischen, gearbeitet, das Beste aber im humoristischen Liede geleistet. Seine Lieder und Couplets, meist von Lortzing und Stegmayer in Musik gesetzt, haben Unzähligen fröhliche Stunden bereitet. Auch sein „Ameisenkalender“, den er achtundzwanzig Jahre lang bearbeitet hat, brachte ihn den an seinem Humor sich erheiternden Volkskreisen freundlich nahe, und so hat Theodor Drobisch so viel Liebe geerntet, daß er im Herzen des Volkes noch lange eine sichere Stätte behalten wird.




Kleiner Briefkasten.


G. Z. in L. Ihrem Zwecke dürfte am besten dienen: Daniel Sanders’ vortreffliches „Wörterbuch der Hauptschwierigkeiten in der deutschen Sprache“, welches soeben in dreizehnter, vermehrter Auflage (Berlin, Langenscheidt) erschienen ist. Das Buch ertheilt in allen den Fällen, wo der Sprachgebrauch noch ein schwankender ist, und überall da, wo sich uns beim Gebrauch unserer Muttersprache grammatische Schwierigkeiten entgegenstellen, sichere Auskunft und empfiehlt sich ebensowohl durch den großen Werth seines sachlichen Inhalts wie durch die übersichtliche und bequeme Form seiner lexikalischen Anordnung.

Gutzkow’s junger Freund in Friedland. Ihr Schreiben vom 24. November vorigen Jahres ist nicht in unsere Hände gelangt.

C. A. in Coburg. Wir bedauern, Ihnen die gewünschte Auskunft nicht ertheilen zu können.

J. J. in Meißen. Ihre heimische Albrechtsburg finden Sie in Wort und Bild geschildert in unserer Nr. 52 von 1861 und in Nr. 1 von 1882.



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_288.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)