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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


auch ein Brüderpaar, in dessen Zelte ich manche Stunde verweilte. Der ältere der Beiden, Tatanka washila („Ein Büffel“), war ein schöner Mann von ebenmäßigem Bau, der einen wahren Apollo-Kopf auf seinen Schultern trug, und in diesem wieder ein Paar Augen, um deren willen er der stille Liebling der Randaller Damenwelt war. Der rothe Krieger, mein specieller Freund, war das personificirte Ideal einer Cooper’schen Indianerfigur, ein Unkas, aber mannhafter, reifer, fertiger und edler in seinen Bewegungen. Obgleich er kaum siebenundzwanzig Jahre zählte, hatte er doch schon acht Frauen gehabt und wieder verkauft und stand während meiner Anwesenheit im Begriff, sich eine neunte zu nehmen, über welches Vorhaben aber seine jetzige Ehehälfte so in Aufregung gerieth, daß sie ein Messer ergriff, die Zeltwand kreuz und quer zerschlitzte und dann mit ihrem Kinde auf und davon ging. Erst am Tage nachher fanden die hinter ihr hergesandten Indianerpolizisten die Unglückliche ganz tiefsinnig am Ufer des Flusses sitzen, und es gelang erst nach häufigem Zureden, sie zur Rückkehr in das Zelt ihres Gemahls zu bewegen, der seine weiteren Heirathsgelüste einstweilen unterdrückte.

Ein nicht minder curioser Kauz war sein achtzehn Jahre alter Bruder, der „Große Mann“. Alles Geld, das diesem in die Hände fiel, ward sofort in Haaröl angelegt, von welchem Stoffe er, der Zahl der leeren Flaschen nach, Unmassen verbrauchen mußte. Beständig hatte er in seinem Cigarrenkästchen zu kramen, in welchem bunt durch einander Farbenbeutelchen, Perlen, Spiegel, Bildchen und Haarölfläschchen lagen. Der „Große Mann“ gehörte entschieden zu den Erfindern; durch Zusammenschütten von drei oder vier verschiedenen Sorten des Oeles suchte er stets neue Parfüms zu erfinden; er goß rothes, gelbes und grünes zusammen, wobei es ihm manchmal freilich passirte, daß sich die diversen Oele und Farben gar nicht mischen wollten. Die vollen Flaschen wurden der Vorsicht halber an die langen Haarzöpfe oder an die Bänder seiner turbanähnlichen Kopfbekleidung gebunden, und so baumelte jederzeit ein halbes Dutzend Fläschchen von allerhand Farben auf seinem bunten Rücken umher.

Interessant war der Tag, an welchem Herr Schenk, der Clerk des Quartiermeisters, zum Besten der Indianer eine Ausstellung meiner Zeichnungen, wohl die erste Kunstausstellung im fernen Westen, arrangirte. Natürlich war dieselbe bescheiden und umfaßte nur dreißig meiner ausgeführteren Skizzen und Farbenstudien, die auf einer großen, als Hintergrund dienenden dunklen Wolldecke aufgereiht waren. Die gesammte Bevölkerung des Forts war durch Circulare eingeladen worden. Nach Mittag – es war Sonntag – erschien denn auch das schaulustige Volk, zuerst die Officiere mit ihren Damen, ein Bischof, der den Vormittag hier gepredigt, dann die Sergeanten und Soldaten, zuletzt die Indianer. Das dankbarste Publicum waren unstreitig die letzten Besucher. Die ganze Sitting Bull’sche Bande, vom ältesten Weibe bis zum jüngsten Kinde, stand vor den Skizzen versammelt, selbst ein äußerst malerisches, vielfarbiges Bild darstellend. Aus all den dunklen und bemalten Gesichtern blitzten die tiefschwarzen Augen, die mit gespanntester Aufmerksamkeit auf die Bilder gerichtet waren. Dazwischen fröhliches naives Lachen und Durcheinanderschwatzen, wenn sie den Einen oder Anderen ihrer Angehörigen auf dem Papiere erkannten.

Wir hatten durch die Ausstellung ein ganz leidliches Sümmchen eingenommen und händigten dieses Sitting Bull mit der Bitte ein, nach seinem Gutdünken zum Besten seines Volkes damit zu verfahren. Er legte die Geldstücke auf seine flache Hand und ließ nun alle Indianerinnen, eine nach der anderen, herantreten, damit jede zwei Stücke nehmen könne; als das geschehen, schien es dem Häuptling, daß Weiber und Kinder nun genug gesehen, und er jagte sie ohne viele Umstände zum Tempel hinaus. Er selbst ließ sich dann im Kreise seiner Krieger nieder, die Augen unverwandt auf die Portraits geheftet, in deren Mitte sein eigenes Bildniß im vollen Schmucke seiner Häuptlingswürde prangte. Mit besonderer Inbrunst ruhten die Blicke der wilden Krieger auf den Gesichtszügen ihrer im fernen Norden weilenden Cameraden. Wie stille Gebete glitten die Namen dieser Fernen über die Lippen der ernsten Beschauer, die nicht eher wichen, als bis die Dunkelheit hereinbrach. – –

Als endlich nach längerem Aufenthalt in Fort Randall die Zeit meiner Abreise herangekommen war und sich das Gerücht verbreitete, daß ich mich anschickte, meinen rothen Freunden den letzten Besuch abzustatten, fanden sich schnell die hervorragendsten Häuptlinge und Krieger im Wigwam ihres Führers zusammen. Nachdem die Pfeife die Runde gemacht, redete Sitting Bull mich feierlich also an:

„Eisenauge, die Zeit war kurz, welche Du unter meinem Volke lebtest. Aber sie war doch lang genug, um uns erkennen zu lassen, daß Du als Freund kamest und gute Wünsche für uns hegtest. Du willst gehen, und wir sind traurig, daß wir Dich niemals wieder sehen werden. Die Dacotahs schütteln Dir die Hand. Sie werden noch lange am Feuer von Dir erzählen.“

„Hau, hau!“ riefen die Anwesenden.

Ich antwortete: „Mehrmals wird der Winter kommen, ehe ich in das Land meiner Väter zurückkehre. Viele fremde Völker werde ich sehen, die viele verschiedene Sprachen reden; ich wünsche nur, daß diese Völker Euch gleich sein möchten. Ich habe nur Gutes über Euch zu berichten und freue mich, in Eurer Erinnerung fortzuleben.“

Der Häuptling bat mich darauf, ihm meinen Namen aufzuschreiben und zwar mit großen Buchstaben, sodaß er dieselben nachmalen könne; er bat mich nochmals, dem „Großen Vater“ zu sagen, daß er leben wolle wie ein Weißer, daß er seine Kinder zur Schule zu senden wünsche, damit sie lesen und schreiben lernten. Nachdem wir dann noch Einiges mit einander geplaudert, brach ich auf, schüttelte Allen die Hände und wandte mich zum Gehen. Da erhob sich noch einmal der große Häuptling und sprach:

„Eisenauge, kehre zurück – und Du wirst uns immer als Freunde finden. Möchten die Wasser Dich glücklich tragen und Wakan tanka, der Große Geist, Dich schützen vor allen Gefahren.“

Damit schüttelte er mir herzlichst die Hand und kauerte dann in Schweigen am rauchenden Feuer nieder.

Tatanka washila, mein rother Freund, hingegen folgte mir nach und rief:

„Bleibe nicht lange, mein Freund, bleibe nicht lange!“

So war mein Abschied von den Söhnen der Wildniß, denen man so oft jedes tiefere Gefühl, jede bessere Regung abspricht.

Mir war das Herz schwerer, als hätte ich Brüder verlassen.

Und als am anderen Morgen die ansteigende Sonne die Wölkchen röthlich färbte, in ihrem Strahl die stillen, einsamen Berge klar und deutlich lagen, als wollten sie all ihre Geheimnisse offenbaren, da rauschte es, indem die Signale des Dampfers zur Abfahrt tönten, noch einmal in den Büschen am Ufer – und heraus trat ein Indianer in vollem Schmucke, das Gesicht röthlich strahlend, gleich der Morgensonne, über dem dunklen Haar die langen Adlerfedern. O, die Gestalt war mir wohl bekannt – es war Tatanka washila, mein Freund, der gekommen, mir noch einen Abschiedsgruß zu bieten. Durch Geberden deutete der am Ufer Stehende an, daß er mir noch einmal die Hand schüttle; lange blickte er mir, dem Scheidenden, noch nach, so lange, bis eine Strombiegung den Dampfer wie den weißen Fremdling seinen Augen entrückte.




Englische Kaffeeschenken.

Eine Waffe im Kampfe für die Mäßigkeitsbestrebungen.

So alt die Mäßigkeitsbewegung in England ist, hat sie ihre wichtigste Entdeckung doch erst vor wenigen Jahren gemacht und demnach auch jetzt erst ihr wirksamstes Kampfmittel im Kriege gegen die Unmäßigkeit in Anwendung gebracht. Die neue Entdeckung ist aber die, daß von Haus aus nicht Bier oder Branntwein den Arbeiter in die Schenke lockt, sondern umgekehrt, daß die Schenke ihn an den Genuß von Spirituosen gewöhnt; das hiergegen alsbald angewendete Mittel sind nun Schenken, in welchen weder Branntwein noch Bier, sondern nur Kaffee, Cacao oder Thee und im Sommer kohlensaure Getränke zu haben sind. Der Schnapsschenke tritt die Kaffeeschenke gegenüber und ringt mit ihr um die Herrschaft über die, welche der Schenke nicht entbehren können.

Ich höre fragen: „Warum bleibt der Arbeiter aber nicht zu Hause bei Frau und Kindern?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_279.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2023)