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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

überreicht; natürlich prangt sein Monogramm auf dem Deckel. Zum Sonntage schmückt sich die Nähterin, indem sie ein riesenhaftes Monogramm am Sammtbande, dem geliebten Geber zu Ehren, anlegt. Kurz – wohin wir sehen, welchen Zweig des Kunstgewerbes, welche Classe der Bevölkerung wir betrachten – sogar das Militär mit den Namenszügen auf den Achselklappen nicht ausgeschlossen – überall hin ist das Monogramm gedrungen.

Einst war es anders! In den steinernen Ueberlieferungen aus grauer Vorzeit begegnen wir neben den leichter zu entziffernden Worten und Sätzen jenen Abkürzungen, die zu verstehen und zu enträthseln eine eigene Kunst ist. Herrscherzeichen, Priesternamen, religiöse Symbole, der damaligen Welt leicht verständlich, uns kaum oder nur durch scharfsinnige historische Forschung erklärlich. Dann treten jene populär gewordenen Monogramme auf, wie das Feldzeichen der römischen Legionen (S. P. Q. R. = der Senat und das Volk von Rom), Züge, die ihren Siegesflug über die ganze civilisirte Welt zurücklegten.

Und welche Fülle von Monogrammen finden wir im Mittelalter, unter den amtlichen Urkunden, wo sie bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts die Signatur des Regenten darstellten, die Jeder kannte und respectirte! Wir begegnen dem Monogramm in dem künstlerischen Codex des Mönches, in den sogenannten „redenden“ Wappen und an den Werksteinen der Bauhütten. Als Zeichen des Mächtigen sehen wir es verschwinden, als Künstlerzeichen wieder auftauchen und nunmehr in reichster Fülle – eine Welt von Räthselzeichen – die Werke der Maler, Kupferstecher, Formschneider, Zeichner und Goldschmiede schmücken. Viele dieser Schöpfungen mittelalterlichen Kunstfleißes, die jetzt unser Auge entzücken, die Zierde der Museen bilden und als Muster nachgebildet werden, tragen ein solches Zeichen – aber von welchem ehrsamen Meister es uns kündet, bleibt uns oft unbekannt. Wohl hat uns der Nürnberger Paul Behaim, der das erste Monogramm-Lexicon (1618) geschaffen, viele Deutungen hinterlassen, wohl sind zahlreiche spätere Werke eine Fundgrube für das Verständniß der Künstlermonogramme, aber nicht jedes ist so populär, wie Albrecht Dürer’s giebeldachartiger Namenszug, den fast jeder Laie schon von weitem erkennt.

Mancher kostbare Stich, manche seltene Klinge und kunstreiche Waffe trägt unlösbare Zeichen, und nur Eingeweihte vermögen oft an jenen alten Majolikas und Porcellanen, deren echte Exemplare immer seltener, deren Fälschungen immer häufiger werden, den Namen des Künstlers oder den der Werkstatt zu erkennen und die Echtheit des Kunstwerks zu entscheiden.

Ist es doch allbekannt, daß die Nachahmung alter Fabrikzeichen, z. B. des als Vieux Saxe berühmten Meißner Porcellans, systematisch von gewissen Händlern betrieben und durch gleichzeitige Bemalung der Geräthe im Geschmacke jener Epochen geradezu als Mittel zur Täuschung unerfahrener Käufer benutzt wird, ein Verfahren, das, so unmoralisch es ist, sich der gerichtlichen Verfolgung entzieht und darum an den Pranger gestellt zu werden verdient.

Seit dem letzten Jahrhundert ist das Künstlermonogramm im Aussterben. Die großen Meister ebenso wie die kleinen Geister verewigen sich mit ihrem vollen Namen, und so ist die Gefahr, daß sich künftige Generationen über die Autorschaft moderner Kunstwerke den Kopf zerbrechen, viel geringer geworden.

Seinen Triumph feiert heutzutage das Monogramm in seiner Anwendung auf das Kunstgewerbe, und welche Mannigfaltigkeit, welcher Geschmack, welche Noblesse der Erfindung und Ausführung hier zu Tage tritt, ist erstaunlich. Ein großes, prachtvoll ausgestattetes Werk, das gegenwärtig in zweiter Auflage vor uns liegt: „Das Gewerbe-Monogramm“ von Martin Gerlach (Wien, M. Gerlach u. Comp.), giebt auf hundertzehn Folioblättern, die mit sorgsamst abgeführten Holzschnitten geschmückt sind, einen ungefähren Begriff davon, bis zu welch hoher Vollendung man es auf diesem Gebiete der Ornamentik gebracht hat.

Ein weiter Weg ist es, den das Monogramm von seinen, wie es scheint, sehr idyllischen Anfängen bis zu solcher Höhe und bis in unsere Tage zurückzulegen hatte. Seine ersten Spuren waren vielleicht nur von dem sinnenden, liebesehnenden Jünglinge in den flüchtigen Sand gezeichnet oder dem Steine eingekritzelt. Die Geliebte sein zu nennen, war ihm unmöglich. So tröstete er sich denn im Geiste mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und begnügte sich, ihren Namenszug, mit dem seinen verschmolzen, niederzuschreiben, symbolisch sein erträumtes Glück andeutend. Und später vielleicht mochte er, die geliebte Braut zur Seite, wieder ähnlichen Monogramm-Studien auf einem gemeinsamen Spaziergange im Walde nachhängen, wie es uns Bleibtreu so schön dargestellt hat. Und da tönte es gewiß in freudigerem Tone aus der beglückten Brust des Jünglings:

„Wie wir uns’re Namen schneiden
     In die junge Birke ein,
Soll in Freuden und in Leiden
     Unser Bund besiegelt sein.

5
Wollen uns die Hände reichen,

     Wollen treu zusammensteh’n,
Und nach diesem Liebeszeichen
     Jedes Jahr im Lenze seh’n.

Mag das Glück den Baum bewahren,

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     Daß, was jetzt die Klinge schreibt,

Selbst nach stürmereichen Jahren
     Unser’n Augen lesbar bleibt.

Aber quillt es einst wie Thränen
     Aus zerborst’nem Namenszug,

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Denk’ in wehmuthsvollem Sehnen

     An das Herz, das treu dir schlug.“

Und später mochte vielleicht der geschmückte Bräutigam seiner holden Braut ein Schmuckkästlein überreicht haben, auf dem Meister Goldschmied die Initialen Beider, kunstreich verschlungen, angebracht hatte. Damit war denn der Uebergang zum Gewerbe-Monogramm geschaffen; dem ersten Falle der Verwendung folgten bald Hunderte und Tausende, kein Gebilde, keine Geschmacksrichtung des Kunstgewerbes unbenutzt lassend. Das einfache Material, mit dem sich unter Gott Amor’s Herrschaft die Liebenden begnügten – Sand und Stein, Glasscheiben und Baumrinden – es machte dem Holze, den Edelmetallen, dem Elfenbein Platz; Bronze und Zink, Leder und Papier – Alles, sogar die tätowirte Haut des Seemannes wurde dem Universal-Ornamente dienstbar, welches man als Monogramm bezeichnet.

Gravirt und geschnitzt, gemalt und gestickt taucht es heutzutage überall auf, wo es überhaupt anzubringen ist, von der diamantbesetzten Tuchnadel, dem Geschenk eines Fürsten, bis zu dem einfachsten Wäschestempel, mit dem sich die Nähterin im Dachstübchen die Namenszüge vorzeichnet, eine Specialität von so großer Bedeutung vorstellend, wie man dies noch vor zehn bis fünfzehn Jahren kaum geahnt hätte. Alle nur möglichen Combinationen von Anfangsbuchstaben bieten sich hier zur Auswahl an, bald in schlichten, kernigen lateinischen, bald in gothischen Schriftzügen, oder in der speciell für Siegel bestimmten Spiegelschrift; hier in den zarten, duftigen, verschnörkelten Ranken, dort im Stile der größeren verzierten Anfangsbuchstaben (Majuskeln) mittelalterlicher Manuscripte. In den noch alterthümlich stilisirten Mönchsalphabeten und in den kühnsten Formen des Rococo, vor allem aber in jenen kräftigen Zügen reiner Renaissance, die der Kunstschmiedearbeit nachgebildet sind – in allen Erscheinungen tritt das Monogramm, jener Proteus der Ornamentik, uns entgegen! Es haben besonders England und Wien so Großes in der verständnißvollen Ausnutzung der besten Vorbilder und in der Neugestaltung ganzer Alphabet- und Namengruppen früherer Jahrhunderte geleistet, daß hier allein schon eine beachtenswerthe Summe von Geschmack und Talent vorliegt.

Ab und zu artet freilich die Lust, alles Mögliche in diesen Verschlingungen wiederzugeben, in eine das Auge verwirrende Spielerei aus, die aber in höheren Kreisen zur Zeit fashionable ist und besonders in seinen Brief- und Couvertmonogrammen, Brochen u. dergl., zuweilen in bedeutenden Größenverhältnissen, Verwendung findet. Wir meinen die Namenmonogramme, bei denen sämmtliche Buchstaben des Namens als große Anfangsbuchstaben durch einander gesteckt sind, ein für das nicht eingeweihte Laienauge unlesbarer oder nur mühsam zu entziffernder Complex von Schriftzügen.

Abgesehen von dieser Abart, die doch wohl über den Rahmen des guten Geschmacks hinausrankt und mehr eine vorübergehende Mode, als eine dauernde Bereicherung kunstgewerblicher Ornamentik darstellt, ist aber noch jenes fast unentbehrliche Beiwerk der Monogrammkunde, welches in der geschickten Gruppirung von Symbolen, in der trophäenartigen Anordnung von Gegenständen des wirklichen Lebens (Waffen, Werkzeuge), in der Beifügung von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_250.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2023)