Seite:Die Gartenlaube (1882) 248.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Hardenberg für ehrlos erklärte und in Preußen gesetzlich verbotene Nachdruck ward hier von einem preußischen Minister selbst als Schreckgespenst heraufbeschworen, und mit dieser Verhöhnung des Gesetzes war es vollkommen ernst gemeint.

Friedrich Arnold Brockhaus selbst erlebte den Frieden mit der Regierung nicht; erst nach seinem Tode, im December 1823, nach dreijähriger Dauer, wurde die Recensur in Preußen aufgehoben; nur das „Conversationsblatt“ mußte sie bis zum Mai 1825 über sich ergehen lassen, wurde dann gegen Ende jenes Jahres abermals verboten und erst unter dem veränderten Titel: „Blätter für literarische Unterhaltung“ zugelassen.

In Oesterreich machte der tapfere Verleger nicht minder bittere Erfahrungen: es war ja die Zeit der Karlsbader Beschlüsse; Metternich saß am Staatsruder, und Gentz führte die diplomatische Feder und übte das kritische Censoramt über die verwerfliche Literatur. Mehrere Bände des Conversationslexicons, eine große Zahl von Verlagswerken, darunter auch ein Jahrgang des Taschenbuches „Urania“, wurden hier verboten. Auch hier nahm sich Brockhaus seiner buchhändlerischen Producte auf’s Eifrigste an, ohne je pater peccavi zu sagen oder in einen kriechenden Ton zu verfallen. So erklärt er dem Polizeiminister Grafen Sedlnitzky, daß er der entschiedenste Feind jeder Willkür und alles Despotismus sei, und leugnet nicht, in einzelnen Momenten tief von der politischen Lage Deutschlands ergriffen gewesen zu sein und in diesen Momenten mehr gethan zu haben, als sich vielleicht dem Buchstaben nach rechtfertigen ließ oder läßt. „Sowie ich bis zum Jahre 1813 und wieder 1815 der glühendste Feind der Napoleonischen Herrschaft war, so ergriff mich 1819 die preußische Denunciation Deutschlands in Beziehung auf die angeblichen demagogischen Umtriebe, an die ich so wenig damals glaubte, wie ich ihnen noch jetzt im Sinne der preußischen Denunciation Glauben schenken kann; mich ergriff die Reaction, die ich in den Karlsbader Beschlüssen wahrzunehmen glaubte, und die mir die Ehre des deutschen Volkes und der deutschen Regierungen anzugreifen schien.“

Uebrigens war die österreichische Censur insofern nicht so intolerant, wie die preußische, als sie einzelnen Schriften nicht das Recht entzog, im Buchhandel verkauft, sondern nur die Erlaubniß, in den Zeitungen angezeigt zu werden, und einigen Kategorien von Persönlichkeiten, Gelehrten und Staatsmännern, gegen Reverse von der Polizeihofstelle den Ankauf solcher Bücher gestattete, in denen die Anstößigkeiten das Gute und Gemeinnützige überwogen.

Auch die Ungleichheit der deutschen Rechtsverhältnisse mußte der Leipziger Verleger schmerzlich empfinden in den Injurienprocessen, die er gegen den Advocaten Müllner in Weißenfels und dieser gegen ihn führte. Nach sächsischem Recht mußte der Verurtheilte eine gerichtliche Abbitte leisten, und auch Brockhaus mußte sich dieser Demüthigung unterziehen, während dies nach preußischem Rechte der unterliegenden Partei erspart blieb. Der literarische Großkophta von Weißenfels war mit allen diesen Kniffen hinlänglich vertraut, um jeden Vortheil wahrzunehmen, den ihm die zersplitterte deutsche Justizorganisation gewährte. Wie hoch der fehdelustige Rabulist auf seinem Kampfroß saß und welchen kräftigen Stil man damals in literarischer Polemik schrieb, möge man in der Brockhaus-Biographie selbst nachlesen! Wie sehr aber der Dichter der „Schuld“ damals zu den Modeschriftstellern gehörte und wie unglaublich sich die buchhändlerischen Honorare für dramatische Werke und der Absatz derselben seitdem verschlechtert haben, geht aus der Notiz hervor, daß Müllner’s „König Yngurd“ in Auflagen von je 4000 Exemplaren gedruckt wurde und er für jede Auflage 1200 Thaler Honorar erhielt, ja für die in 10,000 Exemplaren gedruckte „Albaneserin“ ein Honorar von 3000 Thalern. Und wer liest und kennt diese Stücke jetzt? Mögen die Lieblinge der Mode von diesen Thatsachen Notiz nehmen und des alten Spruchs eingedenk sein: „Sic transit gloria mundi – so geht der Ruhm der Welt vorüber.“




Das Monogramm.

Unsere hastig vorwärtsdrängende, den Unterschied zwischen Hoch und Niedrig mehr und mehr ausgleichende Zeit hat auf dem Gebiete des Kunstgewerbes eine eigenartige Erscheinung hervorgerufen. Der Eifer, mit welchem überall die Parole: „Veredelung des Geschmacks“, „Bildung des Stilgefühls“ ausgegeben und befolgt wurde, hat zahllose Apostel begeistert und – in der That – schon jetzt einen machtvollen Einfluß auf die Producenten und auf die Käufer aller Stände gewonnen. Der schlichte Krug macht dem reliefreichen Humpen Platz, und da letzterer – dank den technischen Fortschritten unserer Industrie – kaum mehr kostet, als das alte, geschmacklose Hausgeräth, wählt sich selbst der einfache Mann instinctmäßig das Geschmackvolle, um sein Zimmer damit zu schmücken. Mit Gleichgültigkeit geht man an dem Teppich mit seinen flammenden, „natürlichen“ Blumen vorüber; die matten, stumpfen Töne und edlen Muster des „neuen, alterthümlichen“ Teppichs haben ja etwas so „Vornehmes“; sie erinnern an Schlösser und Paläste und wecken selbst im wenig gebildeten Auge eine wohlthuende Empfindung. Dem Handtuch wird eine blaue oder rothe Kante, streng nach Lessing, gegeben, und die Maschine hat dafür gesorgt, daß diese Zier sozusagen umsonst mit hineingewebt ist – kein Wunder also, wenn sich der, welcher die Wahl hat, ohne langes Besinnen für das Stilgerechte entscheidet.

In breiten Wogen ergießt sich die Fluth stilgerechter Gebilde in alle Kreise des Volkes. Von der angestaunten harmonischen Façade eines Prachtbaues bis auf den Tisch des Tagelöhners, dem sein Teller mit imitirtem Meißener Zwiebelmuster nicht mehr kostet, als der zerbrochene, alte weiße Teller, dessen Scherben er eben hinausgeworfen hat, von der kostbaren Brokatrobe der Fürstin bis zu dem Kleide des Dienstmädchens, welches in billigem Gewebe, aber täuschender Nachbildung das noch neueste Muster der ersten Modemagazine copirt – überallhin schlagen die Wellen dieser kunstgewerblichen Reform. Ob zum Glücke und Wohle der bisher bescheidenen Leute? Wer möchte es bejahen und nicht die Befürchtung hegen, daß dadurch die raffinirte Cultur, das Behagen an Glanz und Schein und die Selbstüberhebung bei sehr vielen für dieselbe Empfänglichen genährt werden!

Und in so rascher Entwickelung befindet sich dieser an sich mit Recht erstrebte und in seinen Grundsätzen edle Läuterungsproceß, daß er schon jetzt Gefahr läuft, über das Ziel hinauszuschießen. Bereits zeigt sich hier und da eine Uebersättigung an den hauptsächlich wieder in Mode gekommenen Motiven der Renaissance. Die alten Kästen, Truhen und Schränke, die halb vergessen in der Rumpelkammer standen, werden vom Antiquitätenjäger ausgestöbert und mit hohem Preise bezahlt. Und wer sich keines von Ahnen ererbten Familienstückes rühmen kann, findet moderne Fabriken von „Alterthümern“ genug, in denen das frappante Copiren alter Muster mit Hochdruck betrieben wird.

Ja, wenn mit diesem Tempo auch die ästhetische Bildung, sowie der Wohlstand der Massen zunähmen! Aber so Vielen fehlt noch leider das Verständniß für die Bedeutung und das Wesen der Formen und Farben, so Viele begnügen sich mit einem halb unbewußten Gefühle des Behagens, und so wenige finden sich, indem sie über ihre bisherige Sphäre hinausgehen, in der neuen und höheren zurecht!

Ein deutliches Beispiel, wie weit diese Verallgemeinerung künstlerischen Zierrathes jetzt geht, bietet das „Monogramm“, jene wundersame Verbindung und Verschlingung zweier oder mehrerer Buchstaben, meist der Anfangsbuchstaben des Vor- und Familiennamens. Sonst nur die Signatur des deutschen Kaisers, hochgebietender Fürsten oder alter Adelsgeschlechter, eine seltene Zier auf den Prachtgeräthen edler Patricier, auf den Siegeln der Machthaber, über den Portalen der Vornehmsten – jetzt, jenes Nimbus längst beraubt, ein für Jedermann um ein Weniges erreichbarer Zierrath. Vorräthig liegen sie in den Schaufenstern, die Monogramme, in allen möglichen Combinationen des Alphabets. Der Lehrling kauft sich Manschettenknöpfe mit seinem Monogramme; dem Schulmädchen legen die Eltern Briefbogen und Couverts mit seinem Namenszuge auf den Schreibtisch; für wenig Groschen läßt sich der Spießbürger ein Metallmonogramm an den Griff seines Regenschirmes befestigen, und ein Studio ohne ein Monogramm auf seinem Seidel oder Spazierstock ist kaum denkbar. Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum wird dem Meister ein Photographie-Album

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_248.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2023)