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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Falschmünzern, die in das Raspelhaus gesteckt und an den Galgen gehenkt werden, begnügte sich Brockhaus nicht; er wandte sich an die Quelle der Gesetzgebung, an die Regierungen und den Bundestag mit seinen Eingaben und muß jedenfalls als einer der tapfersten Vorkämpfer gegen einen Mißbrauch angesehen werden, der uns jetzt nur noch wie eine dunkle Sage aus den Zeiten bundestäglicher Rechtsanarchie gemahnt.

Viel aufreibender noch waren die Kämpfe, welche F. A. Brockhaus mit der preußischen Regierung zu bestehen hatte, in denen sich Erfolge und Mißerfolge, Zugeständnisse und die Zurücknahme derselben in oft überraschender Weise ablösten. Diese Kämpfe werfen zugleich ein Licht auf die damaligen politischen Strömungen in den höchsten Kreisen Berlins, wo die Intentionen des Fürsten Hardenberg oft genug von den anderen Ministern gekreuzt wurden; denn der alte Staatskanzler hatte in dem absolutistisch regierten Preußen lange nicht jene durchgreifende Macht, wie sie Fürst Bismarck in dem parlamentarischen Preußen und Deutschland besitzt. Brockhaus hatte in dem Historiker Friedrich von Raumer einen getreuen Bundesgenossen, der ihm nicht nur Stimmungsberichte aus Regierungskreisen schrieb, nicht nur Rathschläge über die besten zu ergreifenden Schritte ertheilte, sondern auch selbst Mitglied des Obercensurcollegiums war; trotzdem konnte Brockhaus der widerstrebenden Elemente in Berlin nicht Herr werden und mußte, wenn er zwei Schritte nach vorwärts gemacht hatte, bald darauf wieder einen Schritt zurückthun. Das gerade zehrte an seinem Leben und hatte, zusammen mit anderen Mißhelligkeiten und mit der literarischen Polemik, in die er mit dem kritischen Kernbeißer Advocat Müllner in Weißenfels gerathen war, seinen verhältnißmäßig frühen Tod zur Folge.

Bei der preußischen Regierung war Brockhaus schon seit dem Jahre 1810, wo er die „Memoiren Massenbach’s“ veröffentlicht hatte, nicht gut angeschrieben. Das „Literarische Wochenblatt“ aber hatte sich einen offenbaren Verstoß zu Schulden kommen lassen, indem es im Juni 1820 in der „Correspondance inédite de Napoléon Bonaparte“ einige wenig schmeichelhafte Bemerkungen über den König von Preußen und die Königin Luise mitgetheilt hatte. In Folge dessen war das Blatt durch den Minister Hardenberg verboten worden. Das „Literarische Wochenblatt“ war von Kotzebue begründet worden und erschien zuerst in Weimar; Müllner machte es in seinem Kriege mit Brockhaus zu einem Hauptorgane seiner Polemik; der gewandte Buchhändler suchte ihm diese Waffe zu entwinden, indem er das Blatt kaufte und in den eigenen Verlag übernahm, in welchem es bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Zweimal (1820 und 1826) wechselte es in Folge der preußischen Censurscherereien seinen Titel; es sind die heutigen „Blätter für literarische Unterhaltung“, welche seit mehr als sechszig Jahren ihrem ursprünglichen Programme treugeblieben sind, dem Publicum, dem Salon wie dem häuslichen Herde ein Leitfaden zu sein für die Lectüre und ein Rathgeber mitten in einer überreichen Production, die ohne Sachverständige und Vertrauensmänner sich von dem Einzelnen gar nicht mehr sichten und beherrschen läßt.

Das Verbot des „Literarischen Wochenblattes“ wußte Brockhaus noch in demselben Jahre wieder rückgängig zu machen, indem er demselben einen veränderten Titel gab: „Literarisches Conversationsblatt“. Kaum aber hatte er durch Audienzen bei dem Staatskanzler und den Ministern die Freigebung des Blattes durchgesetzt, als ein anderer Sturm, der über den ganzen Brockhaus’schen Verlag hereinbrach, es wieder in Mitleidenschaft zog. Dieser Sturm war veranlaßt worden durch eine in’s Deutsche übersetzte Schrift des Abbé de Pradt über die damalige spanische Revolution, „welche“, wie der preußische Gesandte in Dresden meinte, „eigentlich gegen die ganze bestehende Ordnung gerichtet sei, ja den Meineid und die Empörungen der Armeen und Völker ohne Scheu predige.“

Die Schrift wurde in Preußen verboten, obschon sie mit Censur gedruckt worden war. Die preußische Regierung wandte sich an die sächsische mit Beschwerden über die Leipziger Büchercommission und über den „zur Verbreitung alles Revolutionären jederzeit fertigen“ Buchhändler Brockhaus. Die sächsischen Behörden erwogen den Fall unparteiisch und ließen sich auch durch das Sündenregister, welches der preußische Gesandte in Dresden von dem Brockhaus’schen Verlag, von einzelnen Artikeln des Conversationslexicons, von den „Zeitgenossen“ entwarf, nicht zu übereilten Schritten hinreißen; die Conferenzminister vertheidigten viele der angegriffenen Stellen; doch ein kleiner, anscheinend höchst unbedeutender Zwischenfall verbitterte die Stimmung in Berlin gegen Brockhaus im höchsten Grade: es waren in seinem Verlag zwei lobpreisende Biographien des Königs Friedrich Wilhelm des Dritten und des Staatskanzlers Fürsten Hardenberg veröffentlicht worden; die erstere wurde als soeben erschienen von Berliner Buchhandlungen im Inseratentheil der dortigen Zeitungen angekündigt. Der König war, wie Raumer an Brockhaus schrieb, ungehalten darüber, daß er und sein Leben ausgeboten wurde wie Häring und Neunaugen und mitten unter solchen Objecten. Der Minister Schuckmann, der seine Stellung gegenüber derjenigen Hardenberg’s zu befestigen suchte, benutzte den Unwillen des Königs, um eine entscheidende Maßregel gegen den ganzen Brockhaus’schen Verlag durchzusetzen, und in der That wurde die Recensur desselben in Preußen verordnet, auch betreffs aller künftig erscheinenden Schriften, das heißt: sie durften in Preußen nicht verbreitet und verkauft werden, bis die preußische Censur die Erlaubniß dazu ertheilt hatte.

Es genügte also nicht, daß ein Werk die Censur eines Bundesstaates passirt hatte; es mußte sich eine zweite Censur in Preußen gefallen lassen, sowie ja auch die Druckerlaubniß in einem Staate nicht vor dem Verbot in einem andern schützte. Diese politische Zwickmühle war ganz darnach angethan, daß dem deutschen Buchhandel ein Stein nach dem andern geschlagen wurde. Unermüdlich war Brockhaus bestrebt, diese Maßregeln rückgängig zu machen oder ihnen wenigstens die Spitze abzubrechen; er hatte mehrfach Audienzen bei Herrn von Schuckmann in Berlin, sandte dem Staatskanzler eingehende Memoiren ein und wandte sich wiederholt direct an den König; es gelang ihm auch, vorübergehende Erleichterungen durchzusetzen; namentlich schlief längere Zeit die Recensur des „Conversationsblattes“, für welches der Postdebit wieder gestattet worden war, gänzlich ein, ja einmal wurde sogar die Maßregel dem ganzen Verlag gegenüber suspendirt. Doch irgend ein neues corpus delicti, das der Brockhaus’sche Verlag in’s Leben gerufen, wie das satirische „Taschenbuch ohne Titel“, wirbelte wieder so vielen Staub auf, daß die Recensur, obschon sie jährlich zweitausend Thaler kostete, wieder auf der Bildfläche erschien. Brockhaus führte diesen Kampf tapfer und unerschrocken durch.

„Was mein ‚Literarisches Conversationsblatt‘ betrifft,“ schrieb er an Raumer, „so habe ich Einsicht und Urtheil genug, um zu erkennen – und ich sage es frei heraus, ohne zu glauben, deshalb unbescheiden zu sein – daß es in seiner Art das erste Blatt nicht blos in Deutschland, sondern in Europa ist und daß jede Regierung, die das Blatt verbietet, sich beschimpfen muß.“ Er verhandelte wie eine kriegführende Macht mit der anderen und ging soweit, den Ministern selbst abgearbeitete Vorschläge zu unterbreiten, wie die Ausnahmegesetze am besten gehandhabt werden könnten. Keine günstige Chance in diesem Kampfe ließ er sich entgehen. Als in der „Allgemeinen Zeitung“ heftige Artikel gegen ihn erschienen, spürte er dem Verfasser derselben nach, und als er entdeckte, daß sie von einem Doctor Klindworth herrührten, einer problematischen Existenz, in welcher manche Söldlinge des Reptilienfonds vorspukten, ruhte er nicht eher, bis er den Staatskanzler von der Verworfenheit dieses Scribenten überzeugt hatte, der sich jetzt als Held der Legitimität aufspiele, während er früher dem Brockhaus’schen Verlag selbst eine auf demagogischen Grundsätzen beruhende Constitution für Preußen zur Verbreitung durch den Druck angeboten habe. In der That kam es hierüber zu scharfen Differenzen zwischen dem Staatskanzler, der damals allerdings schon altersschwach war, und dem Polizeiminister von Schuckmann, der aber zuletzt doch wieder über den Grafen Hardenberg triumphirte und die Wiedereinführung der Recensur durchsetzte. Brockhaus selbst, der immer verbitterter wurde, unterwarf sich derselben nicht mehr und suchte sie durch Gründung einer Altenburger Filiale und dadurch, daß er viele Verlagsartikel in der Metzler’schen Buchhandlung in Stuttgart erscheinen ließ, zu umgehen. Die preußischen Behörden behandelten ihn jetzt wenig glimpflich; Schuckmann spricht von seinen „verächtlichen Drohungen“, „absichtlichen Unwahrheiten“, „den Phantomen seiner eingebildeten Wichtigkeit“, ja er selbst fügt eine Drohung hinzu, welche ein höchst charakteristisches Streiflicht auf die damaligen Verhältnisse wirft, daß nämlich die Producte der Brockhaus’schen Handlung in Preußen ohne Ausnahme verboten, dagegen „der Nachdruck derselben unter diesseitiger Censur verstattet und dies öffentlich bekannt gemacht werde, damit achtbare Verfasser, denen an dem Umlauf ihrer Werke im diesseitigen Staate gelegen ist, in der Wahl ihres Verlegers sich hiernach richten.“ Der vom Fürsten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_247.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2023)