Seite:Die Gartenlaube (1882) 218.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Eisenblech bestehen, wird durch eine Gaskraftmaschine in Bewegung gesetzt. Die Maschine saugt Gas aus dem Ballon an, vermengt dasselbe mit atmosphärischer Luft, und dieses Gemenge wird durch einen von einer kleinen elektrischen Batterie abgegebenen elektrischen Funken entzündet. Die Explosion des Gases setzt hierauf den Kolben in Bewegung und läßt die Maschine mit 3 bis 4 effectiven Pferdekräften arbeiten. Da nun durch den Verbrauch des Gases der Ballon erschlaffen würde, so wurde im Innern desselben noch eine Luftblase (n-n) angebracht, in welche Luft eingepumpt werden kann, um die Spannung des großen Ballons zu reguliren. Außerdem befinden sich an demselben selbstthätige Sicherheitsventile (s-s), welche ein etwaiges Platzen des Ballons in Folge übermäßiger Gasspannung verhüten sollen. Die Kosten des gesammten Apparates, der zwei, unter Umständen auch drei Personen tragen kann, belaufen sich auf etwa 28,400 Gulden ö. W.

Mit einem ähnlichen Ballon, dessen Schraube jedoch nur durch Menschenhand gedreht wurde, stieg schon im Jahre 1872 Dupuy de Lôme von Vincennes aus in die Höhe. Die selbstständige Bewegung des Luftballons betrug nach seinen Angaben 2,82 Meter, die des Windes dagegen 16 bis 17 Meter. Unter diesen Umständen konnte das Fahrzeug gegen den Wind nicht ankämpfen; es gelang ihm aber, den Wind unter einem Winkel von 12° zu kreuzen. In gewisser Beziehung war also die Lenkbarkeit des Luftschiffes erreicht, und sie war genügend für ruhige Luft, aber fast vollständig unzureichend bei einem nicht besonders starken Winde.

Indem wir hiermit unsern gedrängten und möglichst unparteiischen Rückblick auf die Entwickelung der Luftschifffahrt in dem letzten Jahrhundert beschließen, heben wir noch besonders hervor, daß sich am 31. August vorigen Jahres ein „Deutscher Verein zur Förderung der Luftschifffahrt“ in Berlin gebildet hat, welcher eine Monatsschrift herausgiebt, in welcher die Fragen der Flugtechnik erörtert werden. Hoffen wir, daß es demselben gelingen wird, Wesentliches zur Lösung des schwierigen Räthsels beizutragen und einer unnützen Zersplitterung der Kräfte auf diesem Gebiete der Culturarbeit entgegenzuwirken! Ein Unheil für die Flugtechnik waren bis jetzt Leute, die ohne genügende Vorbildung sich berufen wähnten, an der Lösung des Problems zu arbeiten, und natürlich auf Irrwege gelangten und Fehler begingen, welche nicht nur ihre eigene Person, sondern, was viel schlimmer ist, die Sache selbst bei der großen Menge lächerlich machten und dadurch dieselbe schädigten. Der neugegründete Verein wird voraussichtlich durch passende Belehrung Manchen dieser unberufenen Erfinder von seinen Illusionen befreien und so das vielfache Elend verhüten, mit welchem bis jetzt viele Familien die Ruhmessucht ihrer Ernährer zu büßen hatten. Dem Vereine müßten aber auch die Mittel an die Hand gegeben werden, wirklich brauchbaren Projecten materielle Hülfe zuzuwenden, und unter den ihm gestellten Aufgaben dürfte es besonders diese sein, welche auf Unterstützung von Seiten der Nation hoffen darf.

Das hohe Ziel, welchem der Verein entgegenstrebt, ist, wie wir gesehen haben, keineswegs unerreichbar, und der Tag, an welchem das erste lenkbare Luftschiff die Feuerprobe gegen Wind und Wetter bestanden haben wird, wird einen der glanzvollsten der menschlichen Geschichte bilden. Die Eroberung des Luftreiches würde ohne Zweifel alle Siege der Cultur verdunkeln, durch welche der Mensch sich bisher zum Beherrscher des Landes und des Wassers emporgeschwungen.

Valerius.     


Blätter und Blüthen.


Die Lianen oder Schlingpflanzen des Gartens.

 „Nicht, was ich angebunden, war, was am schönsten blühte,
 Sondern, was ich ließ ranken nach eigenen Gedanken.“

 Rückert.

Wenn überhaupt von „poetischen Pflanzen“ die Rede sein kann, so kommt diese Bezeichnung den Lianen[1] am meisten zu. Alles was die Phantasie an einem Pflanzenwesen sich Charakteristisches erdenken kann, findet sich daran; denn diese interessanten Rankengewächse zeigen sich in ihren Lebensgesetzen so regellos wie die Phantasie und bekunden doch alles Ebenmaß und alle Schönheit; sie sind gleichsam die durch die poetische Form verständlich gewordene Gedankenfülle in Ranken, Blättern und Blumen; sie ranken „nach eigenen Gedanken“, wie der Dichter in unserm Motto singt.

Es ließe sich noch Vieles in dieser Weise sagen, aber meine Absicht ist, den Lesern der „Gartenlaube“ Winke über die praktische Verwendung und den vielfachen Nutzen der Schlingpflanzen zu geben. Ihre verschönernde Wirkung ist so bedeutend, daß überall, wo sie auftreten, der Eindruck ihrer Umgebung ein anderer wird; sie tragen den Geist der Poesie überall hin. Wo etwas fehlt, nüchtern, leer aussieht, da gestatte man nur den Ranken der Lianen Eingang, und sofort macht sich ein gleichsam poetischer Hauch in der Umgebung geltend.

Bei der Verwendung der Lianen lassen sich zwei Formen bestimmt unterscheiden: die geordnete, welche sich an die Architektur anschließt, und die malerische, gleichsam verwilderte. Die erste schließt die zweite indessen nicht immer, ja selten ganz aus; die zweite erkennt kein Gesetz und betrachtet das schönste architektonische oder plastische Kunstwerk nur als willkommene Stütze. Eine Haupteigenschaft der Lianen ist, daß sie Unschönes verbergen und verschönern. Das gewöhnlichste Gebäude, an dessen nüchterner todter Regelmäßigkeit keine Spur von Schönheit zu finden oder dessen architektonischer Charakter durch den Baumeister verdorben worden, wird durch die Bekleidung der Schlingpflanzen nicht nur leidlich, sondern sogar schön.

Diese Wirkung steigert sich noch, wenn Veranden damit verbunden werden. Es giebt unleidliche, würfelförmige Häuser, welche im Verhältniß zu ihrer Höhe an der Giebelseite zu schmal sind. Bringt man nun an beiden Seiten nach der Art der Seitenschiffe einer gothischen oder byzantinischen Kirche, wenn auch nur kurze, auf den Schein berechnete Veranden an, so bessern sich sogleich die architektonischen Verhältnisse: das Haus erscheint niedriger, besonders wenn sich die Veranda auch auf der Schmalseite fortpflanzt.

Ist aber keine Gelegenheit zu Veranden da, oder will man sie aus anderen Gründen nicht, so verbessert es schon die Ansicht, wenn das untere Stockwerk ganz mit Schlingpflanzen begrünt ist. Wenn ein Gebäude alt, häßlich, aber malerisch in seinen schiefen oder vortretenden Theilen ist, so kann es durch eine Wildniß von Schlingpflanzen mit lang herabhängenden Ranken auch in den Augen Solcher reizend erscheinen, die sonst die malerische Schönheit alter Gebäude nicht zu schätzen wissen. Wer hätte nicht auf Dörfern, an Vorstadthäusern, an Burgen und anderm alten Mauerwerk schon die geschmackvolle Decoration von wucherndem Epheu oder üppigen Weinreben bewundert, wenn sie Giebel und Sims mit anmuthigem Geranke umzieht!

Das regelmäßige gut erhaltene Haus verlangt auch an den Schlingpflanzen Ordnung, aber jede Abweichung von der Regelmäßigkeit am Hause fordert gleichsam zum regellosen Wachsenlassen der Schlingpflanzen auf. Haben sie den Dachrand erreicht, so mag man sie überall herabhängen lassen. Hat ein Haus eine schöne Architektur und Ornamente, so wäre es eine Versündigung am guten Geschmacke, die Wände ganz mit Schlingpflanzen zu bekleiden. Die besonders für solche Zwecke ausgewählten Lianen müssen dann den Linien der Architektur folgen, müssen schmal gehalten werden, dürfen keine Verzierung verdecken. In dieser Weise war früher (vielleicht noch jetzt?) das Bahnhofsgebäude von Wilhelmshöhe bei Kassel ein Muster von gutem Geschmack.

Das Haus führt uns zur Laube, einem Häuschen im Grünen. Was Lauben sein können, habe ich den alten Lesern der „Gartenlaube“ schon vor mehr als zwei Jahrzehnten erzählt (vergleiche „Gartenlaube“ 1856, Nr. 20 und 1859, Nr. 16). Hier mag die Andeutung genügen, daß nur mit Schlingpflanzen bezogene Lauben schön und sogar nicht einmal alle Lianen bei Lauben schön wirken. Eine solche nicht brauchbare Liane ist der sonst so schöne Jelängerjelieber, weil man bei seiner Anwendung in der Laube nur kahle Zweige sieht und seine Schönheit deshalb unsichtbar bleibt.

Zur Absonderung von nicht zum Schmuckgarten gehörenden Gartentheilen, sowie zur Verdeckung von Höhen und anderen unschönen Plätzen, giebt es, wenn nicht dichtes Gebüsch angebracht werden soll oder kann, kein besseres Mittel, als einen Schirm von Schlingpflanzen. Derselbe wird zum Laubengang, wenn ein Gitterdach über dem daran hinführenden Wege angebracht wird. Die Innenseite muß ganz offen bleiben. Unerschöpflich ist die Verwendung der Lianen, an den verschiedensten Gestellen als Bogen, Schirmen, Pyramiden, Säulen, Laternenträgern, in Form von Guirlanden u. dergl. m.

An diesen Gestellen, die zu erdenken namentlich die Damen viel Geschick zeigen, finden besonders die schön blühenden Lianen Verwendung. Obgleich eine Aufzählung auch nur der schöneren Schlingpflanzen hier nicht erforderlich ist, so kann ich mir doch nicht versagen, einige zu Guirlanden unvergleichlich geeignete zu nennen. Es sind Pilogyne suavis und die ähnliche Cephalandra quinqueloba, die man leicht im Zimmer durchwintern und im Frühjahr durch Stecklinge vermehren kann. Der ersteren steht die einjährige leicht aus Samen zu erziehende Melothria cucumerina nahe. An Schirmen und Bogen, überhaupt an jeder Stelle, wo die Ranken herabhängen können, übertrifft die herrliche Glycine (Glycine oder Wisteria chinensis) mit den langen hängenden blauen Blüthentrauben jede andere holzige Liane an Schönheit. Leider kommt sie nur im südlichen und westlichen Deutschland gut fort, ist aber auch dort vor allen beliebt.

Weniger bekannt und gebräuchlich ist die Anwendung der Schlingpflanzen in ganz natürlicher Weise, ohne jeden Zwang, an Bäumen und Gebüschen. Dort sind sie die eigentlichen Lianen, deren Schönheit


  1. Das Wort Liane gebrauchte in deutscher Sprache zuerst Alexander von Humboldt. Es war ein glücklicher Griff; denn Liane besagt alles, was sonst Kletterpflanze, Schlingpflanze, Winden- und Rankenpflanze etc. genannt wird.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_218.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)