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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Frau, „ich traue dem Wildfang da zu, daß er Dich aussticht. Und jetzt gehen wir gleich zum Schnepfenfang. Kommst Du mit, liebes Weib?“

„Nein, Franz,“ seufzte müde die junge Frau. „Ein anderes Mal will ich gern mit Dir gehen, aber heute bin ich zu erschöpft;“ sie reichte ihm freundlich die Hand. „Willst Du Dir nicht auch Ruhe gönnen?“

„Man sollte meinen, es handle sich um einen Feldzug,“ spottete er, den Arm in Arm in’s Haus tretenden Damen folgend. „Der kleine Spaziergang bis zu den Laufdohnen im Jungholz ist doch wahrlich nur ein Katzensprung.“

„Ich begleite Dich,“ erbot sich Mimi in ihrer freudig dankbaren Erregung.

„Brav! Und wie steht’s mit Dir, Schwager Edwin? Kommst Du auch mit? Saldorf sagt mir, daß schon gestern der erste Schnepfenzug bei ihm eingefallen. Da will ich doch nachsehen, ob Halder die Dohnen auch frisch gerichtet hat. Na, es giebt ja kein Blutvergießen dabei, und die Schnepfe wird Dich mit ihren brechenden Augen auch kaum vorwurfsvoll ansehen, daß Du Deinem Princip, dem Sport nicht zu fröhnen, untreu geworden bist. Ich denke, Du wagst es. Will nur mein Festgewand abthun, bin gleich wieder da.“

Er schüttelte Edwin, der auf den Corridor herausgetreten war, die Heimkommenden zu begrüßen, kräftig die Hand und eilte auf sein Zimmer. Ehe noch Albertine dazu gekommen, von den mancherlei Erlebnissen des Tages zu berichten, war Franz auch schon wieder zurück.

Er fand die beiden Begleiter seiner wartend, rief die Hunde an, die beim Anblick des Gewehres, das er nur so aus Gewohnheit über die Schulter geworfen hatte, ihrer Jagdlust deutlich Ausdruck gaben, und wendete dann seine Schritte dem Walde zu.

Unterwegs erzählte er von seinem Besuche und von den Pferden; es fiel ihm dabei nicht auf, daß Mimi und Edwin sich stets nur mit ihm, aber gar nicht mit einander unterhielten. Als er jedoch einmal zurückbleiben mußte, um die auf eigene Faust jagende Diana abzustrafen und an den Riemen zu nehmen, da fand er bei seiner Rückkehr zu den Beiden das Paar in offener Feindseligkeit.

„Und sie hat doch einen heimlichen Gast,“ hörte er seine Tochter in großer Erregung sagen.

„Wer hat einen heimlichen Gast?“ fragte er in guter Laune, ohne es gerade auffällig zu finden, daß er nicht sofort eine Antwort erhielt.

Der Krieg war auch hier, wie so häufig, dem Annäherungsversuche der einen Partei entsprungen. Edwin’s Herz war nicht gebrochen. „Es taugt entschieden nichts, wenn eine Frau älter ist als der Mann – da will sie immer dominiren,“ hatte er sich gesagt und sich wieder der „gefügigeren, anschmiegbareren Jugend“ zugewendet.

„Ich weiß, was ich weiß,“ fuhr Mimi fort, „sie mag Ihnen am Heckenkreuz gesagt haben, was sie will.“

„Sie sahen uns?“

„O blos zufällig,“ beeilte sich Mimi, die Bedeutung der ihr unbedacht entschlüpften Bemerkung möglichst abzuschwächen. „Es ist mir wahrlich ganz gleichgültig, wo, wann und worüber die Herrschaften sprechen.“

„Mir aber nicht,“ fiel ihr Vater scherzhaft ein. „Ich verstehe wirklich kein Wort. Worüber streitet Ihr denn eigentlich, Kinder?“

„Nicht der Rede werth – blos ein Irrthum,“ wollte Edwin ablenken, rief dadurch jedoch bei Mimi nur verstärkten Widerspruch hervor.

„So war also auch jene Flasche Madeira nur ein Irrthum,“ fragte die aufgeregte Kleine hastig weiter, „welche Trine von der Köchin holte, als die Tante damals früh fortging, und der Thee, der so wunderbarer Weise aus der Büchse verschwand, war der auch nur ein Irrthum?“

„Du hast ja gehört, liebe Mimi, daß Hilda wieder einen ihrer Kranken hat.“

„Gut, Papa, das bestreite ich gar nicht. Aber Trine ist gesund, und Halder ist es auch. So muß es, wie Du zugeben wirst, ein Dritter sein, dem ihre Besuche im Jägerhause gelten. Und etwas Anderes, als die Anwesenheit dieses fremden Mannes, dem dort Aufnahme gewährt worden ist, habe ich auch gar nicht behauptet.“

(Schluß folgt.)




Land und Leute.

Nr. 48.0 Jahrmarkt im baierischen Hochland.

Es gab eine Zeit in unserem baierischen Hochland, wo die Berge zugleich die Mauern des Landes waren; in tiefer Abgeschlossenheit lebte das Volk dahin, und nur zum eigenen Bedarf nützte man damals die Heerden auf der Weide und das Korn in der Scheuer. Das Wenige aber, was von auswärts kam oder nach auswärts ging, trug das Saumroß über den Bergsteig, doch allenthalben an Weg und Brücken lag harter Zoll, sodaß das „Saumergewerk“ oft schwere Mühsal litt.

Zwar standen so manche unserer Gebirgsdörfer an den uralten historischen Handelsstraßen, wie z. B. Partenkirchen; durch den Chiemgau führte der Weg aus dem Vorland nach den Tauern, aber die Mehrzahl der Orte lag doch in tiefer unberührter Einsamkeit. Für sie war es ein Ereigniß, wenn ihnen aus kaiserlicher oder landesherrlicher Gnade das Marktrecht verliehen ward; denn auf den Jahrmärkten, die kraft dieses Privilegs gehalten wurden, kam der Bauer zuerst mit fremdem Volk und fremder Waare zusammen. In der Regel wurden diese Jahrmärkte nach den Heiligen genannt, an deren Fest sie grenzten, und fast ausnahmslos fanden sie an einem Sonntag statt, wo auch der gemeine Mann freie Zeit und freie Bewegung hat. Hier mochte sich dann der uralte Brauch des katholischen Volkslebens am besten bewähren, daß Frömmigkeit und Lebenslust sich trefflich vertragen; neben der Kirche muß das richtige Wirthshaus stehen, und in den letzten Glockenton hallt der erste Juhschrei.

Seitdem hat sich freilich die Zeit wundersam gewandelt, aber dieser Satz, der ungeschrieben doch zur uralten lex Bajuvariorum gehört, gilt noch heute, und auch heute noch ist der Sonntag, wo Markt gehalten wird, ein Fest für die ganze Umgegend. Und so möchten wir denn den freundlichen Leser auf einen jener oberbaierischen Märkte begleiten, wie sie etwa im Sommer in Tölz, in Miesbach oder in Gmund im Brauche sind – und wir hoffen, es soll ihm der Tag nicht zu lang werden.

Auf allen Straßen der Nachbarschaft spürt man schon einige Tage zuvor den fremden Zuzug; Kärrner mit hageren Rößlein trotten des Weges, vor Allem aber ist der Stellwagen hoch geladen mit Kisten und Koffern. In seinem Innern sitzen zusammengepfercht die dicken Krämerfrauen, schnatternd und keifend, doch der Kutscher macht nicht viel Federlesens; denn unser Oberländer hat wenig Respect vor diesen Nomaden des Handels. Ihm gilt nur ein Dasein auf eigenem Grund und Boden als rühmlich.

„Mach’, daß D’ einikommst, alte Schachtel!“ herrscht er die Letztgekommene an und schleudert mit einem Griff sie selber in den Wagen und ihren Reisesack auf’s Dach. Dann trinkt er noch eine „Extramaß“, „weil heut der Wagen so voll ist,“ und im gemächlichen Trab geht’s von dannen.

Sein Fuhrwerk ist längst im Staub der Straße verschwunden – da kommt noch eine andere Karawane des Weges. Es ist ein Wagen, wie eine Arche Noah; aus den Fenstern schauen ungekämmte Kinder mit schwarzem Gelock; ein lediger Pony und ein geschorener Pudel trotten hinterdrein, und zu beiden Seiten gehen Männer mit langgestreckten Hälsen und strähnenartigem Haar, das noch die Spuren des Stirnreifs trägt. Ein unglaubliches Negligé umhüllt ihre Glieder, die sonst im silberfarbigen Tricot paradiren; es sind Künstler, die zum Markte reisen, aber heute reisen sie noch – incognito.

Vor einem kleinen Wirthshause am Wege machen sie Rast. Auf der Schattenseite des Hauses wird abgekocht; die Kinder kollern im Staube; die Frauen zigeunern durch’s Haus, um Milch oder Schmalz zu erbitten, und drinnen, in der Wagenwohnung, wird

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_188.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)