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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Amélie Godin.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

durch manche Interessen und Bestrebungen unserer Autorin. Der Oberst Linz, bis dahin ein Bild von Kraft und Gesundheit, hatte in Folge von Ueberanstrengung während des dänischen Krieges bei der ihm obliegenden Winter-Armirung Stralsunds und Rügens zu kränkeln begonnen, und es entwickelte sich ein schweres Leiden, das sein Ausscheiden von der Armee vor Ausbruch des Krieges 1866 nothwendig machte. Die Gatten zogen daher, die beiden ältesten Söhne in Rücksicht auf deren Zukunft zurücklassend, mit dem jüngsten Knaben nach Trier und ließen sich dort häuslich nieder. Was bisher eine Würze des Lebens gewesen, mußte jetzt dazu beitragen, den Herd zu wärmen, und so arbeitete Frau Amélie in diesen Jahren mehr mit der Feder, als bis dahin geschehen, während der Musik, welche sich nicht mehr mit dem Zustande des häuslichen Lebens vertrug, ein für alle Mal Valet gesagt wurde.

Manche literarische Verbindung knüpfte sich brieflich an, unter Anderem die mit der vortrefflichen Zeitschrift „Cornelia“, welche, nach den eigenen Worten der Frau Linz, „zu den wenigen der ihr bekannten Blätter gehört, die wirklich warm pulsirendes Familien- und Volksleben wiederspiegeln.“ Durch die „Gartenlaube“, welche einige ihrer Erzählungen brachte, wurde der Name Godin bekannter, und 1870 erschien der zweibändige Roman „Wally“ – zu verhängnißvoller Zeit; denn gerade in jenen Monaten traf die vielgeprüfte Frau ein schmerzlicher Schlag: noch ehe der Roman im Druck vorlag, hatte der Tod den Obersten Linz von sechsjährigem, schweren Leiden erlöst, vierzehn Tage vor Ausbruch des Krieges, welchen einer der Söhne als Freiwilliger bei dem hart geprüften 40. Regiment mitmachte. Man war in Trier dem Kriegsschauplatze der heißen Kämpfe so nahe, daß sich die Stadt bald mit Lazarethen füllte, die, vierzehn an der Zahl, Tausende von Verwundeten bargen. Jede Frau, jedes Mädchen, wenn nicht durch unmittelbare Pflicht an das eigene Haus gebunden, stellte sich zur Disposition der Krankenpflege, und diese Thätigkeit war es auch, die Frau Amélie über die eigenen Schmerzen und Sorgen hinweg half. Doch erkrankte sie selbst – wohl eine Folge der vielfachen jüngsten Aufregungen – im Laufe des Winters so schwer, daß sie Monate lang an das Bett gefesselt blieb.

Wie in der „Katastrophe“, so hält die Verfasserin auch in „Wally“ daran fest, daß das Schicksal des Menschen meistens vom Menschen selbst abhängig ist; während sie aber in der „Katastrophe“ diesen Satz gewissermaßen zum Gesetz erhebt, gesteht sie, der Wirklichkeit entsprechend, in „Wally“ zu, daß auch äußere, nicht in der Gewalt des Einzelnen liegende Umstände und Consequenzen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_161.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)