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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

bedeutendsten Bibliotheken hinzuweisen. Man hat sich lange den Kopf darüber zerbrochen, wie denn plötzlich die alte berühmte Handschriftenbibliothek von Fulda zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges verschwinden konnte. In neuerer Zeit scheint die Frage von Nikolaus Kindlinger völlig gelöst worden zu sein, der die Vermuthung aufstellte, daß jener Caraffa, dem im Jahre 1621 vom Papste Gregor dem Fünfzehnten die unumschränkte Vollmacht zur Klostervisitation ausgestellt wurde, gleich wie er die Heidelberger Bibliothek, die sogenannte Palatina, 1662 durch Tilly und Maximilian in die Hände des Papstes brachte, so auch diese Büchersammlung nach Rom überführte. Jene Heidelberger Sammlung ward damals von dem päpstlichen Commissar Leo Allatius (1628) in Empfang genommen und auf mehr als hundert Maulthieren nach Rom geschafft, um als Bibliotheka Palatina im Vatican untergebracht zu werden.

Wenn wir nun ferner hören, daß ein deutscher Gelehrter Eugen Gerlach (1772), der in der Vaticanischen Bibliothek Studien machte, eine große Anzahl ehemaliger Fuldaer Handschriften und unter Anderem mehrere von Hrabanus Maurus entdeckte, so liegt wohl die Vermuthung sehr nahe, daß die Fuldaer Bibliothek mit der Palatina verbunden wurde. Eine Ahnung mußte man von diesen Verhältnissen in Fulda übrigens haben, sonst hätte sich der Propst Karl von Pisport nicht mit der Bitte um Zurückgabe einiger alter Fuldaer Handschriften nach Rom wenden können.

Doch was war die Antwort auf diese Bitte? Es sei bekannt, hieß es, welche Mühe und Kosten die Päpste von jeher angewandt hätten, um Seltenheiten für die Vaticanische Bibliothek zu sammeln, damit solche derselben ewig Ehre machten; man wäre indessen bereit, die Manuscripte abschreiben zu lassen, welche etwa verlangt würden.

Im Jahre 1815 kam nun zwar ein Theil jener Handschriften theils auf Oesterreichs und Preußens Verwendung direct wieder zurück, der Rest aber wird wohl für immer im Vatican bleiben, einem, wie schon Böhmer in seinen „Fontes“ sich beklagte, für die Studien wenig geeigneten Orte.




Blätter und Blüthen.


„Die Nation und der Bundestag“ von Karl Fischer. Der König von Holland hat schon vor mehr als dreißig Jahren gesagt: „Ich habe immer gedacht, daß ein deutscher Kaiser besser wäre als der elende Bund.“ Die Veröffentlichung dieses königlichen Ausspruchs verdanken wir einem Werke, das zu keiner Zeit geeigneter erscheinen konnte, als gerade jetzt. Karl Fischer’s Buch: „Die Nation und der Bundestag“ (Leipzig, Fues). Von dem Bunde, jenem „Bilde des Jammers und der Impotenz“, als welches Deutschlands oberste Behörde fünfzig Jahre lang von der Nation und der Welt dastand, sind wir erlöst; ein Kampf und Sieg ohne Gleichen hat uns mit der Einheit, mit dem so unendlich ersehnten „Kaiser und Reich“ die Achtung aller Völker errungen – und dennoch müssen wir schon heute, ein Jahrzehnt nach jenen großen Tagen, die Mehrheit der Deutschen von unaufhörlicher Unruhe und tiefer Verstimmung durchdrungen sehen, ja es fehlt sogar nicht an öffentlichen Andeutungen, welche „an die Segnungen des Bundes“ erinnern.

Karl Fischer hat von dem Material, das in den Schränken der Staatsarchive lagert, zwar nicht Alles prüfen können, denn es giebt noch Regierungen, welche den Einblick in ihre Archivgeheimnisse versagen; dennoch setzte ihn das, was ihm Frankfurt und Berlin, sowie Baden darbot, in den Stand, wenn auch nicht eine „Geschichte des Bundestags“ zu schreiben, so doch „die Natur des Bundes und seines Organs, die Weise, wie er selbst seine Stellung aufgefaßt, die Methode, wie er die Geschäfte geführt, auf Grund der Acten nachzuweisen“. Der Verfasser erklärt, er habe die Nation noch einmal an dieses trübe Bundesgewässer geführt, damit sie sich darin, so gut es geht, spiegeln und aus diesen Bundesgeschichten von Neuem erkennen möge: „daß die besten Kräfte wirkungs- und erfolglos streben, wenn ihnen die Initiative versagt ist, wenn sie sich in die Sumpfgeleise der Selbstherrlichkeit oder der Selbstverzweiflung haben hineindrängen lassen.“

Leider müssen wir es uns versagen, den Leser in den Inhalt der acht Bücher, aus denen das Werk besteht, einzuführen, aber er wird nicht versäumen, diesen Gang selbst anzutreten, wenn wir ihm versichern, daß er keine durch Trockenheit abstoßende Lectüre zur Hand nimmt: der Bundestag hat selbst überreich dafür gesorgt, daß die Schilderung seines Lebens und seiner Thaten und Nichtthaten Ueberraschungen für die Generation der Gegenwart in Fülle bietet.

Heute hat das Fischer’sche Buch einen ganz besonderen Werth; denn wenn es den Aelteren, welche noch unter dem Geistesdruck des Bundestages gelitten haben, die vielen Bilder erlittener Schmach in die Erinnerung zurückruft und ihnen den frohen Seufzer erpreßt: „Gott lob, daß das vorüber ist!“, so führt es das jüngere Geschlecht zum ersten Male an die Quelle unserer fünfzigjährigen politischen Schmach und lehrt es, das in unseren Tagen Errungene wahrhaft zu schätzen und getreulich festzuhalten.


Neue Wärmflaschen. Bevor wir unseren Lesern von einer vor Kurzem erdachten und durchgeführten Reform der altbekannten Wärmflaschen und anderer ähnlicher Wärmapparate berichten, möchten wir ihnen der Verständlichkeit halber zunächst ein Capitel aus der Naturlehre in’s Gedächtniß zurückrufen.

Bekanntlich verbrauchen feste Körper, wenn sie in flüssige Form verwandelt werden, eine gewisse Wärmemenge, welche sie ihrer Umgebung entziehen. So kühlt z. B. Eis, während es schmilzt, die dasselbe umgebende Luft ab. Aber das aus dem Eise entstandene Wasser besitzt zunächst nur die Gefriertemperatur, das heißt 0° Wärme. Der schmelzende Körper hat also in diesem Falle eine gewisse Wärmemenge in sich aufgenommen, ohne selbst, im gewöhnlichen Sinne des Wortes, wärmer geworden zu sein und nur mit Hülfe derselben seinen Aggregatzustand verändert: er ist aus einem festen ein tropfbar-flüssiger geworden. Die Wärme aber, die er verschlungen hat, ist nicht verloren gegangen, sondern bleibt in dem Körper gebunden, und sobald derselbe aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, strahlt er diese Wärme wieder aus.

Dieses Naturgesetz bildet nun die Grundlage einer neuen Erfindung, nach welcher die Wärmfähigkeit unserer Wärmflaschen bei ihrer Anwendung im Haushalte, in den Eisenbahncoupés etc. bedeutend erhöht wird. Bis jetzt wurden diese Wärmapparate mit erhitztem Wasser oder Sande gefüllt. Im vorigen Jahre aber schlug der französische Ingenieur Ancelin vor, zur Füllung derselben essigsaures Natron zu verwenden, ein Salz, welches schon bei 59° C. schmilzt. Der Vortheil dieser Neuerung liegt nach dem Obengesagten klar auf der Hand.

Füllt man eine Wärmflasche mit diesem Salze an und erhitzt dieselbe in der Weise, wie man es mit der Wasserwärmflasche thut, so wird das essigsaure Natron mehr Wärme ausstrahlen, als dies unter gleichen Umständen dieselbe Menge Wasser vermöchte; denn während das Salz beim Erkalten allmählich fest wird, giebt es auch die in ihm gebundene Wärme an seine kältere Umgebung ab.

Man hat nun dieses Verhalten des essigsauren Natrons im Vergleich zum Wasser praktisch geprüft und ist zu folgendem Ergebniß gelangt: Eine Wärmflasche [von 1 Liter In]halt wurde mit Wasser gefüllt und auf 80° C. er[hitzt. Hierauf maß m]an genau die Menge der von ihr ausgestrahlten [Wärme: sie betrug 440] Calorien.[1]

Dieselbe Wärm[flasche lieferte aber, na]chdem man sie mit der gleichen Menge essigsauren Natrons gefüllt und wiederum auf 80° C. erhitzt hatte, 1731 Calorien, also etwa viermal mehr Wärme.

Daraus ergiebt sich nun, daß die neuen, mit essigsaurem Natron gefüllten Wärmflaschen in den Waggon-Coupés nur alle zehn Stunden ausgewechselt zu werden brauchen, während man die gewöhnlichen Wasserwärmflaschen schon nach zwei bis drei Stunden durch frisch erhitzte ersetzen muß. Die auf den französischen Staatsbahnen neuerdings angestellten Versuche haben die Richtigkeit der oben [angeführtn Behauptung] im vollsten Maße bestätigt.

Inzwischen hat sich diese Erfindung auch [nach Deutschland] Bahn gebrochen, und das deutsche Patent von A. Nieske in Dresden benutzt zur Füllung ähnlicher Wärmflaschen eine Mischung von essigsaurem und unterschwefligsaurem Natron, welche gewisse Vortheile gegenüber dem französischen System zeigt. Die Wärmflaschen werden zu dreiviertel ihres Inhalts mit dieser Mischung gefüllt und dann in einem Ofen oder einem Bade siedenden Wassers erhitzt, bis das Salzgemenge in denselben geschmolzen ist. Nach der Größe der Behälter strahlen sie die Wärme durch zehn bis achtzehn Stunden aus. Die Füllung braucht selbstverständlich nicht erneuert zu werden.

Es liegt klar auf der Hand, daß diese Wärmapparate auch im Haushalte überall die gewöhnlichen Wärmflaschen in geeigneter Weise ersetzen können, und sie verdienen in der That daher die Beachtung des großen Publicums.



  1. Calorie, die Einheit des physikalischen Maßes für Wärme, bedeutet diejenige Menge Wärme, welche ein Kilogramm, das heißt ein Liter Wasser, um 1° C. zu erwärmen im Stande ist.



Kleiner Briefkasten.


B. L. in Detmold. Der zweite Band der von uns (vergl. Nr. 11. 1881) schon früher empfohlenen „Entwickelungsgeschichte des Geistes der Menschheit“ von Gustav Diercks ist nunmehr erschienen (Berlin, Theodor Hofmann). Derselbe umfaßt das Mittelalter und die Neuzeit und verdient ebenso die allgemeine Beachtung, wie der erste Band dieses in gemeinverständlicher Darstellung gehaltenen Werkes.

A. K. in Rostock. Wir bedauern Ihnen eine durchaus zuverlässige Adresse nicht geben zu können.

Mehrere Leser in Meiningen. Der betreffende Dichter wurde am 5. Mai 1841 geboren.[WS 1]

M. K. in Berlin und F. M. in Bonn. Ungeeignet! Verfügen Sie gütigst über das Manuscript!



Im Verlage von Ernst Keil ist erschienen:

Gekrönte Preisschrift!

„Anleitung zur Pflege der Zähne und des Mundes“. Nebst einem Anhange: Ueber künstliche Zähne, von Dr. Wilhelm Süersen (sen.), königlich preußischem Hofrath und Hofzahnarzt in Berlin. Herausgegeben vom „Central-Verein deutscher Zahnärzte“. Achte, neu durchgearbeitete Auflage. 0 Elegant broschirt. 0 Preis 2 Mark.

Mit dieser Schrift, deren günstige Aufnahme bereits acht starke Auflagen erheischte, empfängt das Publicum in populärer Form eine Anleitung zur Pflege und Erhaltung der Zähne. Die immer lauter werdenden Klagen über die so augenscheinlich sich steigernde Verderbniß der Zähne machten es den Vertretern der Zahnarzneikunde zur Pflicht, der leidenden Menschheit diesen zuverlässigen Wegweiser in die Hand zu geben, der schon als Preisschrift die Bürgschaft eines bestimmten Werthes in sich trägt.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Geburtsdatum von Ernst Ziel, Schriftsteller und Redakteur der Gartenlaube.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_072.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)