Verschiedene: Die Gartenlaube (1881) | |
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die in das Barbarenthum zurückgesunkene Legislatur Californiens gemüßigt gesehen, ihnen den Freibrief zu nehmen. Die Veranlassung hierzu gab eine Petition seitens der zahlreich in San Francisco vertretenen italienischen Fischer, welche behaupteten, daß jene Seelöwen die Fische im hiesigen Hafen durch ihre Gefräßigkeit auf eine nichtswürdige Weise zerstörten und ihnen – den Fischern – dadurch ihre rechtmäßige Erwerbsquelle arg beeinträchtigten.
Die Zeitungen in San Francisco nahmen in langen Leitartikeln energisch Partei pro und contra, wobei die Seelöwen entschieden mehr Freunde fanden, als die Italiener. Die Gesetze von Californien entschieden endlich zu Gunsten der Italiener. Diese haben aber bis jetzt wenig Freude von ihrem Erfolg gehabt; denn die Seelöwen wohnen nach wie vor ungestört auf den Felsklippen am „Goldenen Thor“, unterhalten die fremden Weltenbummler, welche das berühmte „Cliffhouse“ besuchen, dort ebenso sehr wie die einheimische Bevölkerung durch ihre unaufhörlichen Katzbalgereien und fangen ihr Futter an leckeren Fischen, wo und wie es ihnen beliebt.
Bis jetzt ist noch kein Schuß auf jene Seelöwenfamilie gefallen, obgleich ihr der Schutz der Regierung bereits vor Jahresfrist entzogen wurde. Der ungeschlachte Ben Butler, der Störenfried jenes Gemeinwesens, wirft die kleinen Seelöwen noch immer mit hämischer Lust von der hohen Klippe in die Brandung hinunter, blickt, trotzig brüllend, nach den auf der Veranda des „Cliffhouse“ versammelten Fremden hinüber und fürchtet sich durchaus nicht vor feindlichen Kugeln, obgleich diese ihn vom Ufer aus leicht erreichen könnten. Er scheint recht gut zu wissen, daß er auf seinem wogenumspülten Felsen vor dem tückischen Blei der Italiener sicher ist und daß diese es nicht wagen werden, ihm und seiner Familie, den Lieblingen der Goldstadt, dort auf irgend eine Weise zu nahe zu treten.
San Francisco, im November 1881.
„Die deutsche Nationalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts“
von Rudolf von Gottschall (Breslau, Trewendt) hat in den letzten
zehn Jahren zwei neue Auflagen – die dritte und die vierte – erlebt und
ist soeben in der fünften zur Versendung gekommen. Wir begrüßen diese
Thatsache als ein erfreuliches Symptom des wachsenden literarhistorischen
Interesses in Deutschland, als einen Beweis dafür, daß die Antheilnahme
des deutschen Leserpublicums speciell an der zeitgenössischen literarischen
Production nach wie vor eine rege und nachhaltige ist und daß gerade
die Anschauungen und Ueberzeugungen, für welche das vorliegende bedeutsame
Werk eintritt, im literarischen Zeitbewußtsein eine immer breitere
Basis gewinnen. Diese Anschauungen und Ueberzeugungen der Gottschall’schen
Literaturgeschichte gipfeln bekanntermaßen in zwei Forderungen, in
dem Hochhalten des Idealismus und in dem „modernen Princip“ denn
fordert Gottschall einerseits aus allen Gebieten des geistigen Schaffens
das Ausgehen von idealistischen Gesichtspunkten, so stellt er andererseits
dem schaffenden Dichter die Aufgabe aus dem Geiste seiner Zeit heraus
zu produciren und alles akademische Experimentiren bei Seite zu lassen.
Neben diesen beiden Forderungen, die in so ausgesprochener und überzeugend
begründeter Weise kaum in einer anderen Geschichte der Literatur
unseres Jahrhunderts zum Ausdruck kommen, ist es besonders eine ungemein
geist- und lichtvolle Darstellungsart, welche dieses Werk charakterisirt.
Gottschall erweist sich in seiner „Nationalliteratur des neunzehnten
Jahrhunderts“ ebenso geschickt in der Charakterisirung großer geistiger
Strömungen, wie in der Portraitirung der einzelnen Vertreter solcher
Strömungen – er ist ebenso glücklich in der scharfsinnigen Interpretirung
der Zeit wie in derjenigen ihrer Menschen. Die jüngste Auflage des
hervorragenden Werkes bietet dem Leser ein erschöpfendes Bild der Entwickelung
unserer Nationalliteratur vom Beginn dieses Jahrhunderts an
bis in unsere Tage und zieht – ein nicht hoch genug anzuschlagender
Vorzug – auch das wissenschaftliche Leben der Gegenwart, namentlich
die philosophische und historische Literatur, in den Kreis seiner Betrachtung,
sodaß es mit Recht ein Gesammtgemälde des modernen deutschen
Geisteslebens genannt werden kann.
Göß in Steiermark. Unser heutiges Bild (Seite 853) stellt das
älteste, bereits im Jahre 1004 gegründete Stift Steiermark dar. Göß,
ein ehemaliges Benedictinerinnenkloster, liegt an der rechten Seite der
Mur, etwa eine halbe Stunde von der Stadt Leoben entfernt. Besonders
schön ist die Kirche dieses Stifts, an deren Außenseite die Denkmäler der
Aebtissinnen sich befinden. Später wurde das Kloster die Residenz des
Bischofs von Leoben, und einmal – im Jahre 1797 – wohnte in demselben
Napoleon der erste.
Wir führen die Illustration unseren Lesern als ein wahres Meisterstück einer winterlichen Landschaftszeichnung vor, welches unser vielbewährter, langjähriger Mitarbeiter Richard Püttner bereitwillig für die Gartenlaube entworfen hat.
Kleiner Briefkasten.
H. Dr. in Wesselburen. Wer Ihnen gesagt hat, daß er für einen
in der „Gartenlaube“ erlassenen Aufruf wegen eines Vermißten 100 Mk.
Kosten bezahlt habe, der hat uns die ihm erwiesene Wohlthat mit Verleumdung
gelohnt. Die Vertmißtenlisten in unserem Blatte werden aus
Humanitätsrücksichten gratis veröffentlicht, Berücksichtigung finden darin
aber nur solche Fällen bei denen alle sonst vorhandenen Mittel zur Aufsuchung
der Vermißten, also ein Appell an Polizei-, Gerichts. und Consulat-Aemter,
ohne Erfolg geblieben sind. – Bei dieser Gelegenheit sei gleich
bemerkt, daß jede in der „Gartenlaube“ zum Abdruck gelangende Zeile
dem Verfasser anständig honorirt wird und daß wir niemals für den
Abdruck irgend welchen Artikels oder Aufrufs Kosten, Gebühren oder gar
– pfui – Reclamengelder beansprucht haben.
B. G. in Triest. Die Tanagra-Figuren haben ihren Namen von der an der Grenze von Attila liegenden böotischen Stadt Tanagra erhalten, in deren Gräbern die kunstvoll gearbeiteten Figuren im Jahre 1872 zum ersten Male gefunden wurden. Diese zierlichen plastischen Werke bilden einen reizenden Schmuck unserer Museen, und auch das königliche Museum in Berlin ist im Besitz einer größeren Anzahl derselben. In Folge der dankenswerthen Bemühungen der Kunsthandlung von Fritz Gurlitt in Berlin dürften diese Meisterwerke der griechischen Kunst aus dem dritten und vierten Jahrhundert vor Christo jetzt zu einem vielverbreiteten Schmuck moderner Häuser werden; denn die genannte Kunsthandlung hat sechs der schönsten weiblichen Tanagra-Figuren in Terracotta, mit Wachsfarben bemalt, in Originalgröße nachbilden lassen und also die höchst gelungenen antiken Bildwerke zu verhältnißmäßig billigem Preise auf den Markt gebracht.
B. L. in Lübeck. Sie haben Recht. Die einzige deutsche Diamantschleiferei besteht nicht in Pforzheim, wie in unseren Artikel „Das Diamantgeschäft“ (vergl. Nr. 46) irrthümlich berichtet wurde, sondern in Hanau. Dieselbe ist Eigenthum der Firma Gebrüder Houy und Comp., beschäftigt 170 Arbeiter und wird mit 2 Dampfmaschinen von je 20 Pferdekräften betrieben.
Ein Schlittschuhläufer in Bremen. So ist es in der That. Wenn der diesjährige Winter günstiges Frostwetter bringt, so wird in Wien am 14., 15., und 16. Januar 1882 ein „Internationales Preis-, Figuren- und Wett-Eislaufen“ abgehalten werden. In Folge einer im October dieses Jahres vom Wiener Eislaufvereine an alle Eisclubs und erfahrenen Schlittschuhläufer des nördlichen Europa und Nord-Amerikas gerichteten Einladung zu diesem Wettkampfe, sind bereits zahlreiche Zuschriften aus Oesterreich-Ungarn, Deutschland, Frankreich, England, Holland und Nordamerika, ganz besonders aber aus Schweden und Norwegen eingetroffen, die eine rege Betheiligung der Schlittschuh-Virtuosen aus aller Welt an dem eigenartigen Feste in Aussicht stellen. Die Ehrenpreise sind gar nicht so unbedeutend und bestehen unter Anderem in goldenen Medaillen am Bande, außer welchen der glückliche Sieger noch 500 und 1000 Franken in Gold erhalten wird. Daß bei günstiger Witterung der Verlauf des Festes recht glänzend werden kann, dafür bürgt genügend der bei solchen Anlässen stets bewährte Ruf der österreichischen Kaiserstadt.
A. F. Sch. in Eitorf. Leider ungeeignet! Das Manuscript steht zu Ihrer Verfügung; wir bitten Sie aber, ihren Namen deutlich zu schreiben.
Als Festgeschenke empfohlen!
Emil Rittershaus, unzweifelhaft einer der talentvollsten deutschen Dichter der Gegenwart, fehlt nie mit seinem Liede, wenn es gilt, ein Ereigniß der Zeit zu erfassen und in alle Schichten des Volkes zur verständnißvollen Geltung zu bringen; neben seinen politischen und patriotischen Gedichten sind es namentlich die der stillen Welt des Hauses gewidmeten dichterischer Kundgebungen, welche ihm die Liebe des deutschen Volkes längst gesichert haben, aber die größte Popularität dankt er ohne Zweifel denjenigen poetischen Schöpfungen, welche den Ereignissen der Jahre 1870 und 1871 ihre Entstehung verdanken. – Diese „Gedichte“ sollten auf keinem Weihnachtstische fehlen.
Ernst Ziel’s Poesien erfreuen sich mit Recht der Gunst des Publicums. Seine „Lieder“, seine „Bilder und Gestalten“, seine „Stimmungen und Reflexionen“ zeichnen sich durch wahres poetisches Gefühl und kunstvollendete Form aus; seine „Vaterländischen Gedichte“ bekunden eine warme, gesunde patriotische Gesinnung, und in den gedankenvollen „Canzonen“ leiht er seiner Weltanschauung dichterischen Ausdruck. – So sind Ernst Ziel’s „Gedichte“ in jeder Beziehung geeignet den deutschen Familientisch zu schmücken.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_856.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)