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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Ein Schüler Gutenberg’s, Peter Schöffer aus Gernsheim, der lange in Paris als Bücherabschreiber gelebt hatte und ein tüchtiger Kopf war, wurde von Fust herangezogen; Beide errichteten eine eigene Officin und waren emsig bemüht, Gutenberg zu überflügeln. In der That gelang es Schöffer, die neue Kunst erheblich zu verbessern; anstatt die Matrizen zu gießen, schlug er sie mit einem Stahlstempel, einer Punze, aus der die betreffenden Lettern erhaben geschnitten warn, in Kupfer- und Messingstückchen und erzielte hierdurch nicht nur einen schnellen Guß, sondern auch vollste Gleichheit, Schärfe und Schönheit der Buchstaben. Die von ihm zu den Lettern erfundene Metallmischung war vorzüglich, weder so weich, daß sie sich schnellabnutzte, noch so hart, um das Papier zu durchschneiden, und endlich kam sein findiger Geist darauf, die Druckerschwärze durch einen gewissen Zusatz von Oel zu verbessern. Um aber den hohen Gewinn, den diese Fortschritte erwarten ließen, zu theilen, beschloß Fust, den geschickten Schöffer dauernd an sich zu fesseln, und hierzu erschien ihm nichts geeigneter, als den klugen Mann an seine Tochter zu vermählen; er gab ihm darum nachmals die schöne Dyna zur Ehefrau. Die Druckerei wurde aus Gutenberg’s Hof „Zum Jungen“ in das von Fust neu erworbene Haus „Zum Humprecht“ in der Quintius-Gasse verlegt und mit Gutenberg’s Werkzeuge und Apparate Glänzendes geleistet.

Arm und verlassen, mußte inzwischen der große Gutenberg von vorn anfangen und war jetzt so glücklich, die Unterstützung eines Ehrenmannes, des wackeren Mainzers Dr. Conrad Humery (Hummer), zu finden. Dieser wollte im Gegensatze zu Fust keine Bereicherung für sich, sondern die Wohlfahrt Gutenberg’s und seiner hohen Kunst. Auf seine Kosten wurde eine neue Druckerei errichtet, und aus ihr ging 1460 das vortreffliche „Catholicon“ des Johannes von Balbis hervor. Am 17. Januar 1465 nahm Kurfürst Adolf von Mainz Gutenberg unter seine Hofleute auf. Da siedelte Gutenberg mit seiner Druckerei nach Eltville, wo der Hof war, über, bildete neue Schüler aus, und als er 1488 starb, ging die Druckerei an Humery über. So erlebte der Schöpfer nicht mehr die wunderbar schnelle Verbreitung seiner welthistorischen Erfindung, und selbst das Verdienst, sie gemacht zu habe, wurde ihm nach seinem Tode hundertfach bestritten. Gewiß war er ein Märtyrer wie Wenige.

War der große Reformator dahin gegangen, ohne die goldene Ernte seiner Geistessaat auf seinen Tennen sammeln zu dürfen, so fiel dieselbe ohne große Mühen Fust und Schöffer in den Schooß.

Nachdem sie Gutenberg aus seinem Heim und von dem Boden, in dem er Wurzel geschlagen, verdrängt hatten, erwarben sich Vater und Gatte der schönen Dyna, vor deren Auge noch manchmal die blasse hohe Gestalt des Mannes aufstieg, wie er sein Erstlingswerk mit stolzer Befriedigung ihrem Vater behändigte, großen Ruf als Typographen. Im Jahre 1457 ging aus ihrer Presse das prachtvolle Rituale auf Pergament, welches als Psalterium bekannt wurde, hervor; zuerst von allen Werken war es mit Angabe von Jahr, Druckort und Druckern versehen; Fust und Schöffer unterzeichneten sich und hingen an einem am Schlusse des Werkes dargestellte Baumzweige ihre Wappen aus; sie sprachen von ihrer künstlichen Erfindung und schwiegen Gutenberg einfach todt. Das Psalterium ist, man kann wohl sagen, in vollendeter Weise ausgestattet, und scheint Schöffer den Titel eines Clerikers der Diöcese Mainz eingetragen zu haben, den er aus seinen Arbeiten von 1459 bis 1462 führte, dann aber nach seiner Heirath mit Dyna ablegte. Eine Reihe vorzüglicher Bücher gingen aus der Anstalt hervor; Schöffer schnitt und goß neue Lettern und verwandte sie zuerst in der im August 1462 erschienene Biblia sacra latina von achtundvierzig Zeilen. Diese Bibel ist an typographischer Schönheit wohl die hervorragendste der damaligen Zeit.

Da brach die Mainzer Erzbisthumsfehde aus; die Prätendenten Diether von Ysenburg und Adolf von Nassau bekämpften sich auf Tod und Leben; Fust und Schöffer druckte ihre Streitschriften Adolf überfiel Mainz in der Nacht des 28. October 1462, und unter den Gebäuden, die in Feuer aufgingen, war die Buchdruckerei Fust und Schöffer’s. Ihre Arbeiter zerstreuten sich in alle Welt, brachen den Eid, das Geheimniß ihrer Kunst zu bewahren, und verkündeten allerwärts dieses neue Evangelium.

In Folge dessen entstanden bald Buchdruckereien in vielen Orten Deutschlands, Italiens, Frankreichs etc. Augsburg und Nürnberg gingen auch hierin dem Reiche als Bannerträger voran, und schon 1470 etablirte ein Gehülfe Gutenberg’s in Nürnberg eine Druckerei, wo bald Anton Koburger einer der berühmtesten Buchdrucker und Buchhändler der Zeit wurde, und der Abt von St. Ulrich legte in Augsburg 1472 in der Abtei selbst eine Druckerei an, nachdem Günther Zainer bereits 1468 Bonaventuras Meditationes in Augsburg gedruckt hatte.

Fust und Schöffer erholten sich allmählich von dem harten Schlage, der sie getroffen, und begannen ihre Thätigkeit von Neuem. Am 17. December 1465 verließ ein größeres Werk, und zwar „Cicero’s Officien“, wieder die Mainzer Presse. Fust begab sich mit einer Ladung neuer Drucke nach Paris, um sie hoch an den Mann zu bringen, erlag aber dort 1488 der Pest.

Sein Sohn Conrad folgte ihm im Verlagsgeschäfte, mit Peter Schöffer verbunden; ihren Bücherverkauf betrieb in Frankreich der Münsteraner Hermann Stathoen, er starb aber ohne naturalisirt zu sein, und kraft des allen Fremden gegenüber gültigen Heimfallrechts verfielen die vorhandenen Büchervorräthe dem königlichen Fiscus. Kaiser Friedrich der Dritte und der Erzbischof von Mainz traten jedoch vermittelnd bei König Ludwig dem Elften von Frankreich ein, und dieser ersetzte laut Ordonnanz vom 21. April 1475 Conrad Fust und Schöffer ihren Schaden im Betrage von „2425 Goldthalern und drei Sous“, indem er die großen Vortheile ihrer Leistungen rühmlich hervorhob. Conrad Fust (als Johann’s Sohn mit Janequis entstellt bezeichnet) vertrat fortan den Verlag in Paris, Schöffer aber, der persönlich daselbst seine Sache betrieben, reiste nach Mainz zurück und starb hier erst 1502, worauf seine Söhne in seine Fußstapfen traten.

So endete der Letzte des Trifoliums der deutschen Druckerkunst, während Gutenberg’s Erfindung in unblutigem Siege die ungläubige Welt bezwang, und Millionen von Bekennern nahmen die Stelle der Tausende ein, die einst an ihm, seinen Thaten und seiner Weisheit gezweifelt hatten.

Johann Fust hatte mit der Erfindung gar nichts zu thun; er war nur der Geldmann, dessen Gutenberg zu seinem Werke bedurfte, und wurde, nachdem er ihn um Alles betrogen hatte, der erste typographische Verlagsbuchhändler; ihn zum Erfinder der Typographie zu stempeln, war eine der frechsten Lügen der Nachwelt. Weit höher steht Peter Schöffer; er war zwar keineswegs Erfinder der neuen Kunst, aber unstreitig lebenslang mit bestem Erfolge beflissen, sie zu vervollkommnen. Die Geschichte hat die Unbill gegen Gutenberg mitzuverantworten; denn nachdem die Zeit in den Falten ihres Mantels bereits Jahrhunderte hinweggetragen, wurde noch immer eine gemeinsame Erfindung der göttlichen Kunst angenommen, wie dies auf dem Roßmarkte zu Frankfurt am Main das 1857 enthüllte schöne Denkmal von der Hand Eduard’s von der Launitz bezeugt, es stellt – eine wahre Ironie auf den geschichtlichen Thatbestand! – Gutenberg, Fust und Schöffer in friedlicher und freundschaftlicher Vereinigung dar.




Blätter und Blüthen.

Noch einmal „Die Schätze der Rumpelkammer“! Von unserem verehrten Mitarbeiter, Herrn Gustav Schubert in Berlin, geht uns folgende Mittheilung zu:

„Der Verfasser des Artikels ,Die Schätze der Rumpelkammer‘, in Nr. 36, Jahrgang 1881 der ,Gartenlaube', hat durch den Aufsatz nach vielen Seiten Anregung zur Rettung und Auffindung so manches Schatzes aus vergangenen Jahrhunderten gegeben. Gestatten Sie mir freundlichst, auf einige ergänzende Momente hinzuweisen. Von den handschriftlichen Aufzeichnungen berühmter Männer liegen unzweifelhaft noch viele Stücke in Staub vergraben, die nur gesucht zu werden brauchen; in zahlreichen Familien befinden sich Dokumente und Urkunden, die eine Generation der anderen vererbte, ohne zu wissen, daß das ungelesene alte ‚Geschreibsel‘ für die Geschichte der deutschen Cultur von höchstem Werthe ist; die wurmstichigen reponirten Acten von städtischen Verwaltungen, Dörfern, Instituten, Vereinen etc. bergen außer den üblichen Verhandlungen häufig schriftliche Kundgebungen aus dunkeln Gebieten der Geschichte; Briefe von Fürsten, Staatsmännern, Heerführern, Gelehrten, Dichtern und Künstlern verirrten sich an höchst unscheinbare Orte, in alte Bücher und Truhen und errangen sich als ‚altes Papier‘ bis jetzt keine Beachtung.

Man fahnde also auf diese ‚verlorenen Handschriften‘, welche unter Umständen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 838. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_838.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2022)