Seite:Die Gartenlaube (1881) 836.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Gutenberg und Fust.

Von Arthur Kleinschmidt.

„Was kann von Nazareth Gutes kommen?“ rief die ungläubige Mitwelt so manchem großen Reformator höhnend in’s Antlitz, wenn er die strahlende Fackel erhob, um in die Nacht des Vorurtheils und der Unwissenheit das Licht der Erkenntniß zu tragen. „Woher sollten ihm diese Weisheit und Thaten kommen?“ Wohl jeder der großen Pionniere der Menschheit hat es empfinden und durchkosten müssen, daß die schwerste Arbeit nicht die sei, in schlaflosen Nächten und mühevollen Tagen neue Forschungen zu machen und Entdeckungen in’s Leben zu rufen, sondern vielmehr diejenige, diesen Entdeckungen Anerkennung zu gewinnen und die Zeitgenossen zu überzeugen, daß kein wertloses Glas, sondern ein Diamant vor ihnen liege. Gerungen und gelitten haben alle bahnbrechenden Geister, bis endlich der Zweifel gleich dichten Schuppen von den Augen ihrer Mitmenschen fiel und ihr Sieg, in schwerem Kampfe erstritten, darum ein doppelt köstlicher ward.

Einer dieser Edelsten und Ersten der Nation, der viel gekämpft und gelitten, war gewiß Johann (Jenne) Gensfleisch, genannt Gutenberg, der Sprosse eines alten Mainzer Geschlechts.

Mit den Seinen aus politischen Gründen nach Straßburg ausgewandert, arbeitete der 1397 geborene fleißige Mann im Kloster St. Arbogast seit etwa 1424 als Schleifer halbedler Schmucksteine, erwarb sich hierin große Fertigkeit, übte auch den Stanzendruck mit heißen Eisen, beschäftigte sich mit Goldschmiedekunst und suchte im Schmelztiegel Gold zu gewinnen; auch umkleidete er Spiegel mit einer Einfassung von Goldblech und goß sie voll mit geschmolzenem Blei. Er erlangte durch diese vielseitigen Fertigkeiten Ansehen in Straßburg, und durch die Metallarbeiten wurde er mit der Zeit auf die Typographie hingeführt.

Besonders emsig wurde seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Briefmalerei betrieben, und hiermit war die Anregung zur Typographie geboten, weshalb man auch die Briefmaler die Vorläufer der Buchdruckerkunst genannt hat. Der Holzdruck fand bei den Briefmalern auch für kleine Schulbücher, Kalender und Beichtspiegel Anwendung, aber wie umständlich mußte es sein, für jedes Blatt jeden Buches eine besondere zu sonst nichts taugliche Form nötig zu haben! Niemand erkannte diese Schäden besser als Gutenberg, und unermüdlich sann er nach, wie es gelingen möchte, bewegliche Metalltypen, gegossene Lettern zu erfinden.

Seit 1444 nicht mehr in Straßburg, erscheint er im October 1448 wieder in seiner Vaterstadt, und hier erblickte auch das Kind seiner seiner Arbeit, die unsterbliche That seines Lebens, das Licht der Welt. Anfänglich argwöhnisch und abweisend angesehen, brach sie sich doch rasch Bahn, und schon das fünfzehnte Jahrhundert ehrte sie mit den Bezeichnungen „der subtilsten Kunst, der Kunst der Künste, der Wissenschaft der Wissenschaften, der heiligen und göttlichen Kunst“; Gutenberg selbst nannte sie „ein außerordentliches Gnadengeschenk Gottes“. Er goß die Typen nach einem bestimmten Größenverhältnisse und in beliebiger Zahl, sodaß sie jeder Zeit verwendbar waren; war einmal die Form geschnitten, so ließen sich völlig gleiche Abzüge in Masse daraus gewinnen. Der große Wurf war dem dreiundfünfzigjährigen Manne gelungen, aber es fehlte ihm an Geld, eine typographische Werkstätte zu errichten.

Sein böser Stern führte ihn mit Johann Fust, einem feinen Wucherer, zusammen, der irrtümlich mit dem Faust der Sage zusammengeworfen wurde. Fust war der Bruder eines Mainzer Goldschmiedes und nachmaligen Bürgermeisters, ein angesehener und wohlhabender Sohn der „goldenen“ Stadt. Ihm, dem genauen Rechner und Finanzkünstler, gegenüber, war ein Mann von der künstlerisch unpraktischen Natur Gutenberg’s von vornherein verloren. Schauen wir auf unser Bild, welches uns Fust bei Gutenberg zum Besuch zeigt, so treten uns die beiden Charaktere in ihrer absoluten Verschiedenheit greifbar vor Augen. Hier sitzt schmunzelnd und reicher Beute lüstern entgegen blickend im behaglichen Sessel der behäbige Fust; das kahle, breite Haupt wendet er seelenvergnügt dem ersten Druckbogen zu, den Gutenberg ihm vorgelegt hat; etwas Faunisches lagert in seinen Zügen; der Mund zeigt den Genußmenschen, aber fest haften die wohlgepflegten Hände an dem kostbaren Schatze, den sie halten.

Und dort steht, hager und bleich, hochaufgerichtet, der Erfinder der neuen Kunst; in seinen kummervollen Mienen spiegelt sich all der Harm und Gram des Daseins wieder; diese Wangen sind eingesunken, nicht im Genusse des – Sinnenrausches und in durchzechten Nächten, sondern im harten Frohndienste der Arbeit, im aufreibenden Forschen nach der neuen Wissenschaft, auf dessen Resultat unverwandt das geistvolle Auge des Denkers ruht; seine Hand spielt mit den Matrizen, die sie schuf. Als liebliches Mittelbild zwischen den Beiden hat der Künstler Fust’s Tochter, Dyna (Christine), die nachmalige Frau Schöffer’s, gezeichnet; voll Interesse an der neuen Erfindung, und nicht wie der Vater aus berechnenden Motiven, betrachtet die geschmeidige Jungfrau, der Stolz des Alten, das Werk Gutenberg’s; über den Sessel gebeugt, schaut sie in das Papier in des Vaters Hand.

Fust lieh Gutenberg, mit dem er am 22. August 1450 einen Gesellschaftsvertrag schloß, zur Herstellung der zum Druckverfahren nöthigen Werkzeuge 800 Gulden in Gold zu sechs Procent Zinsen und verpflichtete sich, ihm außerdem jährlich 300 Gulden zu den Vetriebskosten der Druckerei vorzustrecken; letztere sollte dagegen dem klugen Fust mit allem, was darin, als Pfand für die 800 Gulden dienen, und den Bücherdruck hatte Gutenberg zu gemeinschaftlichem Vortheile zu besorgen. Für den Fall, daß sie nicht einig blieben, sollte Gutenberg die 800 Gulden herauszahlen und Fust ihm die Werkzeuge etc. belassen. Gutenberg arbeitete mit verdoppeltem Eifer, sah sich aber finanziell stets gehemmt. Fust, der auf den Löwenanteil speculirte, gab ihm aber die ausbedungenen 800 Gulden nicht auf einmal und gar kein Betriebscapital, sondern brachte ihn zu einem zweiten Vertrage vom 8. December 1452, in welchem er ihm als Abfindungssumme für die Jahresbeiträge ein Pauschquantum von wieder 800 Gulden überwies. Der eigennützige Mann sah voraus, daß er auf sicheren Gewinn hoffen dürfe, indessen Gutenberg für ihn rastlos schaffte.

Die Druckerei war nun vollständig eingerichtet, und im Jahre 1452 begann der Druck der sechsunddreißigzeiligen lateinischen Bibel, der Biblia latina vulgata, die 1455 mit dem zweiten Foliobande abschloß. So war nach unsäglichen Mühen das Erstlingswerk der Typographie erschienen und erregte, obgleich der Letternguß noch kein vollkommener genannt werden konnte, großes Aufsehen. Schöner war die berühmte Zweiundvierzigzeilige lateinische Bibel in zwei Foliobänden von 324 und 317 Blättern, welche in kleinen sogenannten Missaltypen 1453 bis 1455 gedeckt wurde. Wahrscheinlich auf den Rath des schlauen Fust wurden weder Jahr noch Druckort noch Drucker angegeben, weil die Bibel zu dem hohen Preise, den handschriftliche Exemplare erzielten, verkauft werden solle; nur sehr wenige Papierexemplare derselben existiren heute, und noch seltener sind Pergamentexemplare, deren eines 1873 in England für 22,700 Thaler verkauft wurde. Aber es war Gutenberg nicht beschieden, sich seines Erfolges zu erfreuen und Gewinn zu erzielen; denn der habsüchtige Fust kam ihm zuvor. Während Gutenberg nicht an den Fall der Rückzahlung des Darlehns dachte und in Erwartung reicher Ernte Fust keine Zinsen zahlte, erkannte dieser den hohen Werth, der in seiner Werkstätte und in seinen Werkzeugen lag, auf die Gutenberg Alles verwendet hatte, und kaum war die zweite Bibel fertig, so hielt er sich am todten Buchstaben und trat im October 1455 als Kläger gegen Gutenberg auf. Er forderte von ihm zwei Capitalien von je 800 Gulden mit 480 Gulden Zinsen und 88 Gulden Zinseszinsen, Alles in Allem 2066 Gulden. So sollte also Gutenberg ihm Zins und Zinseszins von allen Auslagen, selbst vom verringerten Betriebscapitale, zahlen, ihm seine Erfindung zubringen, für ihn arbeiten und ihm den gleichen Anteil am Gewinne überlassen. So himmelschreiend unrecht dies auch war, und obgleich das Mainzer Recht auf das Strengste Darlehn zu sechs Procent und die Annahme von Zinseszins verbot, entschied das Gericht, da Fust’s Familie großes Ansehen in Mainz genoß, zu seinen Gunsten. Gutenberg sollte Rechnung über alle Einnahmen und Ausgaben ablegen; die Bücher sollten zu gemeinsamem Nutzen verkauft werden; ergäbe sich, daß Gutenberg mehr Geld empfangen als ausgegeben, so müßte er das Geld an Fast auszahle. Fust wurde der Schwur darüber auferlegt, daß er das Geld selbst gegen Zins aufgenommen

und nicht aus seinem Vermöge gegeben habe; falls er diesen Eid

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 836. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_836.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2022)