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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

weiß nicht, was man mehr bewundern soll, die Menge des hier gebotenen Stoffes oder die künstlerische Oekonomie seiner stets auf das Gründliche und doch auf das Knappe gerichteten Anordnung. Dieses Handbuch ist vermöge seiner Vollständigkeit und lichtvollen Composition ein äußerst lehrreiches, vermöge des Geistes echter Idealität, der es durchweht, aber auch ein in höherem Sinne ungemein nützliches Buch. Mit gleichem Feuer tritt es ein für die idealen Güter des literarischen Schaffens der Völker, wie es den falschen Idealismus, alles sentimentale und unkräftige Wesen in Schriftthum und Leben, bekämpft. Was dieser „Allgemeinen Literaturgeschichte“ aber noch einen besonderen Reiz verleiht, das ist die überall hervorleuchtende tüchtige und eigenartige Ursprünglichkeit der Persönlichkeit des Verfassers. Hierin liegt der Schlüssel zu dem Geheimniß, daß man über der Lectüre des Scherr'schen Buches, wie nüchtern und antiquarisch auch der Stoff dieses und jenes Capitels sein mag, stets das Gefühl wohlthuender Frische hat; diese Frische ist hier, wie bei allen Scherr'schen Schriften, der Ausfluß eines gewissen eigenartigen, subjectiven Stilgepräges, das die Kathedergelehrten so sehr hassen, das aber trotzalledem das wahre Merkmal selbständigen Denkens und Urtheilens und zugleich der richtige Becher ist, in dem man dem Volke den Wein literarischen Genießens credenzen soll, wenn anders man es dauernd fesseln will. Wir laden Jedermann ein, den Wein Scherr'schen Geistes zu kosten, der in dieser „Geschichte der Literatur“ stießt.




Im Herrenstübchen. (Abbildung Seite 821.) Genrebilder aus dem Gewohnheitsleben der Menschen, wie das unsres „Herrenstübchens“ von E. Schulze-Briesen, erwecken unser Wohlgefallen um so mehr, je häufiger wir den Originalen derselben an bestimmten Orten begegnen und je verlockender sie die Vergleiche mit Gestalten unserer Erinnerung hervorrufen. Man verlangt also Portrait-Aehnlichkeiten, und je mehr derselben von dem einzelnen Beschauer aufgefunden werden können, um so höher steigt die Lust am Bilde und die Schätzung desselben. In der vorliegenden Composition hat der Künstler hierin ein Meisterstück geliefert; er stellt uns vor eine Sammlung von Charakterköpfen, in welchen Jedermann alte Bekannte finden wird; zudem ist die Gruppirung eine so gelungene, so sprechende, daß sogar die soeben in Gang befindlichen Gesprächsstoffe, je nach der allgemeinen Geisterbewegung der Zeit, herausgerathen werden können. Eine liebliche Zugabe ist die horchende Kellnerin am Ofen, die offenbar Gelegenheit hat, über die Unterhaltung am Herrentische ihr eigenes Theil zu denken.




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Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_824.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)