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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Johann Caspar Bluntschli.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Leben gerufen, welches hervorragende Rechtslehrer und Publicisten verschiedener Länder zu seinen Mitgliedern zählte. Die erste Idee dieses Instituts ging zwar nicht von Bluntschli selbst aus, aber er, der Verfasser des damals (1872) eben erschienenen „Modernen Völkerrechts“, hatte immerhin all deren Realisirung wesentlichen Antheil und führte all den fährlich abgehaltenen Conferenzen öfter, so erst noch im vorigen Jahre, in Zürich, den Vorsitz. Unter den verschiedenen Editionen dieser gelehrten Körperschaft befindet sich auch ein abgearbeitetes „Handbuch des Kriegsrechts“, das den bekannten schriftlichen Dialog zwischen Bluntschli und Graf Moltke herbeiführte. Der Altmeister der modernen Kriegskunst hatte Bluntschli, der ihm das Gesetzbuch übersandte, seine Bedenken an der praktischen Brauchbarkeit dieser Kriegsgesetze nicht verhehlt, da es all der Autorität einer ihre Einhaltung bewachenden Gewalt fehle, worauf Bluntschli in seiner Erwiderung daraus hinwies, daß nach einer in dem völkerrechtlichen Institute gemachten tröstenden Wahrnehmung sich immer entschiedener eine allgemeine, alle Culturvölker einigende Rechtsüberzeugung herausbilde, welche es noch ermöglichen lasse, ein von dem Rechtsbewußtsein aller civilisirten Völker getragenes Kriegsvölkerrecht festzusetzen

Daß diese völkerrechtlichen Bestrebungen nicht bloße Utopien waren, hatte ja bereits die Abfassung der aus den Schatz der Verwundeten und eine Minderung der Leiden des Krieges überhaupt abzielenden Genfer Convention mit ihren bereits so segensreichen Folgen gezeigt. Daß auch die Regierungen den gegebenen Anregungen nicht fremd blieben, das bewies die weitere Conferenz von Regierungs-Delegierten in Brüssel zur Feststellung der Rechte und Pflichten der kriegführenden Parteien, an welcher Conferenz Bluntschli als Delegirter des deutschen Reichs theilnahm und die hauptsächlich wegen der Abneigung Englands zur Annahme des ausgearbeiteten Entwurfs resultatlos blieb.

In der vorjährigen Versammlung des völkerrechtlichen Instituts zu Oxford hatte Blunschli ein Specialgutachten über die Auslieferung politischer Verbrecher ausgearbeitet und dargelegt. Er beantwortete in demselben die wichtige, neuerdings durch das rassische Attentat wieder in den Vordergrund getretene Frage dahin, daß die Auslieferung eines solchen Flüchtlings zwar an sich nicht zu verlangen sei; etwas Anderes sei es aber, wenn nicht nur die Ordnung eines bestimmten Staates, sondern auch die gesetzliche und öffentliche Ordnung aller civilisirten Staaten dabei in verbrecherischer Weise angegriffen werde, wie dies hinsichtlich der communistischen und nihilistischen Verschwörungen der Fall sei; dann sei es Pflicht des Völkerrechts, sich gegenseitige Unterstützung zu leisten; gegen internationale Krankheiten bedürfe es internationaler Heilmittel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 817. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_817.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)