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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Der Spielmann von Düppel
 




Das war, fürwahr! ein Spielmann brav
Bei Düppel auf dem Rasen;
Der hub, als ihn die Kugel traf,
Noch einmal an zu blasen.

Er stieß in’s Horn, so voll und stark –
Das klang wie Siegeswonne;
Sein Vorwärts drang in Blut und Mark
Der preußischen Sturmcolonne.

Nun weht der Fähnlein Siegespracht,
Wo die zehn Schanzen ragen –
Sie sehen’s nicht, die still und sacht
Auf Sänften fortgetragen.

Nun tönt der Siegesweisen Schall
Hinaus zum Alsensunde –
Sie hören’s nicht, die im Spital
Still ruh’n mit blut’ger Wunde.

Und überall im Vaterland
Auf stiegen Ehrenbogen –
Schön Gretchen stand am Brunnenrand,
Als heim die Sieger zogen.

Und spähte bang’ und suchte lang’,
Bis ihr die Augen flimmern,
Und wachte noch und weinte bang’,
Als hoch die Sterne schimmern.

Da weht die Post ein welkes Blatt:
„Lieb Gretchen, Du mußt wissen,
Die Kugel, die mich traf, sie hat
Auch Deinen Kranz zerrissen.

Nun suchst Du mich umsonst vielleicht
Bei Siegesfest und Tanze –
Hab’ nur ein Bein, das and’re bleicht
Bei Düppel auf der Schanze.

Kann Dir nicht Halt und Stütze sein,
Wie ich gehofft mit Stolze,
Brauch’ selber Stütze auf einem Bein;
Das and’re ist von Holze.

Drum nimm zurück Dein Ringelein,
Und nicht in Thränen schmelze!
Du sollst einen tüchtigen Burschen frei’n,
Doch nimmer eine Stelze!“

Und Gretchen las und weint und lacht,
Wohl beides um die Wette;
Dann hat sie flugs sich aufgemacht
Und saß an Traugott’s Bette:

„Ach Traugott, großes Herzeleid
Hat mir Dein Brief bekundet;
Nun weich’ ich nicht von Deiner Seit’,
Bis Dir das Herz gesundet.

Was Dir der dumme Feind gethan,
Laß nicht Dein Gretchen büßen!
Ich traut’ mich Deinem Herzen an,
Doch nimmer Deinen Füßen.

Mein Ringlein bleibt nur Dir geweiht,
Und willst Du’s nicht mehr haben,
Dann soll man mich an Deiner Seit’
Altjüngferlich begraben.“

Da war der Traugott bald gesund;
Er ließ das Horn sich bringen
Und stieß hinein von Herzengrund –
Die Wände wollten springen.

„Gott lob, daß ich noch blasen kann!
Nun blas’ ich fort die Sorgen;
Auf einem Bein ein ganzer Mann
Führt Dich am Hochzeitsmorgen.“

 Fedor von Köppen.*

* Aus dem soeben zur Ausgabe gelangenden Balladenbuche „Männer und Thaten“ (Leipzig, Alfons Dürr). Unser langjähriger Mitarbeiter bewährt in diesen poetischen Gemälden und Schilderungen aus Preußenland seine in der volksthümlichen Darstellung patriotischer Stoffe vielgewandte Feder auf das Glänzendste. Wir ergreifen mit Vergnügen die sich hier bietende Gelegenheit, um das von den ersten Künstlern Deutschlands illustrirte und geschmackvoll ausgestattete Köppen’sche Buch der allgemeinen Beachtung für den Weihnachtsfesttisch schon heute zu empfehlen.

D. Red. 




Zum hundertjährigen Jubiläum der Gewandhaus-Concerte zu Leipzig.
Von Hermann Kretzschmar.
(Schluß.)


Der nunmehrige Leiter der Gewandhaus-Concerte, Christian (Johann Philipp) Schulz, war zu Langensalza in Thüringen im Jahre 1773 geboren und zog als zehnjähriger Knabe mit seinen Eltern nach Leipzig. Auf der Thomas-Schule, die er bis zu seinem neunzehnten Lebensjahre besuchte, fand er Gelegenheit zur Ausbildung in der Musik, namentlich im Gesange. Er ward ein ausgezeichneter Sänger, und nachdem er die Universität bezogen, faßte er den Entschluß, sich ganz der Musik zu widmen. Schicht wurde sein Lehrer. Seit 1800 war Schulz Musikdirector der Seconda’schen Schauspielergesellschaft, und für sie schrieb er manche Chor- und Bühnenmusik. Wenn es die Verhältnisse gestattet hätten, würde er sicherlich auch als Componist Bleibendes geschaffen haben; denn was von ihm an Musikwerken vorhanden ist, zeigt ihn auch für diese Seite der Tonkunst hochbegabt und tüchtig; namentlich seine Chorlieder, die er für die mittlerweile entstandene und von ihm dirigirte Singakademie verfaßte, befriedigen noch heute das musikalisch gebildete Ohr. Schulz war streng gegen sich und Andere, aber durchaus bescheiden.

Während seiner Direction der Gewandhaus-Concerte mehrte sich die Aufführung von Opernfragmenten und Opern, einem Genre, dem heute die Concertinstitute ziemlich aus dem Wege gehen. In jenen Tagen lagen die Verhältnisse anders: mit den Theatern war es damals bekanntlich schwach bestellt, und man hörte viele der berühmtesten Opern von der Bühne herab entweder sehr spät oder gar nicht – meistens aber mangelhaft. Da verlangte man sie denn vom Concerte. Schulz führte auch einmal an einem Abende

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_801.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)