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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Höhe, ein buntes Gemisch von Holzarten; dazwischen zahlreiche blinkende Wasserläufe. Häufig tauchte das dunkle Blaugrün des Wachholders auf, vereinzelt, wie es schien, zu beträchtlicher Höhe gelangt; in manchen Fällen mußte er geradezu Bäume mit derben Stämmen bilden. Die Leute auf der Wiese, Frauen und Männer durch einander, blickten auf den Nahenden, auch der Aufseher, der, auf einen Knotenstock gestützt, neben ihnen stand.

„Das wird ja wohl der neue Administrator sein, der jetzt für den alten Herrn auf Pelchow wirtschaften soll,“ hieß es.

„Das ist einer von den Boddin’s auf Teterow; ein staatscher Herr ist das.“

„Aber daß er Handschuhe anzieht, wenn er auf’s Feld geht, ist doch merkwürdig. Er sieht gar nicht aus, als ob er das Wirthschaften richtig gelernt hätte.“

Drewes, der Statthalter, war eine baumlange Figur mit breitem, grobem Gesicht. Seine großen, wasserblauen Augen hatten etwas Schickendes, und wie er dem jungen Edelmann entgegensah, drückten sich Verdruß, Widerwillen und Besorgniß zugleich in ihnen aus.

„Der Herr da geht uns jetzt noch gar nichts an; daß Ihr nicht thut, als ob er Euch was zu befehlen hätte! Unser Herr ist der alte Herr Baron, und der hat uns noch nichts davon gesagt, daß er seine Herrschaft an den da abgetreten hat. Das merkt Euch! Aus dieser Sache kann nach meiner Meinung nichts Gutes kommen. Er ist ein Neumodischer, der uns das Leben wohl sauer machen wird. Ich glaube, daß wir unsere gute Zeit gehabt haben. Unser alter Herr – das war ein Mann; der dachte: leben und leben lassen! Der da wird wohl blos Geld zusammenscharren wollen, und das geht von unserem Schweiß.“

„Er soll ja wohl Ordnung bei uns machen.“

„Ja, wie der Schulmeister sagt: ‚Ordnung muß sein, und da nahm er dem Jungen seine Wurst‘,“ bemerkte Drewes trocken.

Curt von Boddin trat zu den Leuten heran.

„Guten Tag! Sind Sie der Statthalter Drewes?“

„Ja, Herr, der bin ich,“ antwortete dieser bequem, indem die breite Hand schwerfällig zur Mütze hinauf fuhr.

„Wissen Sie wohl, ob es eine Vermessungskarte von Pelchow giebt?“

„Nein, davon weiß ich nichts, Herr. Hier ist nichts vermessen worden. Ich kenne das gar nicht.“

„Das wäre das Nächstliegende,“ murmelte Curt, setzte den Klemmer wieder auf und zog ein Notizbuch heraus, in dem er zu vermerken begann.

„Wo liegt wohl der beste Boden?“

„Nach Branitz zu, und nach Pannow hinunter ein Ende – das wird wohl der beste sein.“

„Bonitirt ist hier auch nie? Die Beschaffenheit des Bodens ist nie genau untersucht worden?“

Die Leute sahen sich an; ein paar Weiber kicherten

„Das versteh’ ich nicht, Herr; ich glaube aber nicht, daß hier Jemand was untersucht hat.“

„Hm! Giebt Ihnen der Herr Baron, mein Onkel, genau an, was Sie arbeiten lassen sollen?“

„Nein; ich führe hier die Wirtschaft schon seit langen Jahren und bespreche mich blos manchmal mit unserm Herrn“

„Sie können mir also genau den Stand der Arbeiten in diesem Augenblick angeben?“

„Das kann ich wohl; warum das nicht?“

„Schön! Sie werden mir gegen Mittag nähere Angaben darüber machen; bis dahin überlegen Sie sich’s!“

„Je, Herr, dazu hab’ ich keine Zeit.“

„Die werden Sie haben müssen; ich bin der Administrator von Pelchow, dessen Verwaltung mein Onkel an mich abtritt, und heiße von Boddin, wie er – damit Sie das wissen.“

Drewes zog die Augenbrauen hoch auf und zuckte die Achseln.

„Mein Herr ist der Herr Baron, und wenn der mir das sagst tue ich das – sonst nicht.“

„Wenn Sie sich nicht Schaden zufügen wollen, so gehorchen Sie mir gefälligst!“ betonte Curt scharf, indem er Drewes durch die Augengläser fest ansah und das Notizbuch wieder einsteckte.

„Das kümmert mich nicht, Herr. Wie wissen wir, was Sie sind? Das müssen Sie doch einsehen, Wenn der alte Herr uns sagt: Das ist nun der, dem ich mein Gut zu verwalten überlasse, dann ist das was Anderes.“

Einige der Männer, welche die Arbeit ruhen ließen und zuhörten, murmelten dem Statthalter. Beifall, und einer von ihnen sagte laut:

„Er hat Recht, und wir stehen ihm bei.“

Curt von Boddin fühlte sich auf unsicherem Boden. Der Statthalter war in der That in seinem Rechte, und der Administrator zwang sich zur Ruhe.

„Ich werde sorgen, daß mein Onkel Ihnen Weisung erteilt.“ bemerkte er kühl, nickte ein Adieu und wandte sich, um den Weg zurückzugehen den er gekommen

Er mußte sich sobald wie möglich mit dem Onkel in’s Vernehmen setzen, um erst die nötige Autorität zu gewinnen.

„Dort kommt der Herr Baron!“ rief es jetzt mehrstimmig hinter ihm. Curt blickte auf und sah vom Gute her einen Reiter die Richtung einschlagen, die er selbst genommen hatte. Um so besser! So ging er ihm entgegen – wiewohl: lieber hätte er ihm eigentlich erst einen formellen Besuch gemacht. Indeß schritt er kräftig aus, halb neugierig, halb mit peinlicher Empfindung, jedenfalls mit dem Entschlusse, den alten „verrückten“ Onkel so bequem wie möglich zu nehmen.

In der Nähe jener Kleebrache, welche ihm so angenehme Erinnerungen geweckt, trafen die beiden Männer zusammen. Curt nahm den Strohhut ab und machte Front. Die Blicke, welche ihn vom Pferde herab musterten, waren nichts weniger als verwandtschaftlich liebevoll.

„Verzeihung, Onkel, daß ich mich hier auf dem Wege zuerst vorstellen muß! Ich hatte gestern nicht das Vergnügen, Sie zu Hause zu treffen.“

„Mach keine solchen Redensarten, mein Sohn!“ knurrte der Baron ihn unterbrechend. „Du willst ja wohl auf Pelchow wirthschaften, indem daß Ihr meine Schulden bezahlen wollt? Das kann ich aber allein – dazu brauche ich Keinen aus Teterow.“

„Sie werden sich das leider gefallen lassen müssen, Herr Onkel. Das Gericht hat in dieser Sache entschieden, und wir glaubten, es würde Ihnen lieber sein, wenn Einer aus der Verwandtschaft die fatale Angelegenheit in die Hände nähme, statt eines Fremden. So komme ich denn mit einer gerichtlichen Vollmacht und muß Sie zu meinem Bedauern bitten, mir in aller Form die Verwaltung zu übergeben.“

Curt von Boddin hatte dies so höflich und verbindlich vorgebracht, wie es ihm möglich war. Der alte Herr hatte auch ruhig zugehört; nur sein Gesicht war noch röter und sein Blick noch feindlicher als zuvor geworden.

„Ich habe Dich ausreden lassen, mein Sohn“ sagte er. „Nun höre aber auch mal auf mich! Siehst Da, mein Sohn, ich habe Dich gekannt, als Du in Teterow in Knopfhosen herumgingst und Dir hinten so ’n lütt Ende Weiß aus dem Schlitz kukte. – Und wenn Du denkst, daß ich Deine grüne Klugheit hier nöthig habe, dann bist Du auf dem Holzwege. Da kannst Du denn wieder umkehren und nach Teterow gehen, ausgenommen, wenn Du mein Gast sein wolltest, was mir aber sehr genirlich wäre, indem daß ich keinen Raum für Dich habe. Und dann will ich Dir noch etwas sagen: Ich glaube, daß ich Euch Teterowern zu lange lebe, und daß Ihr die Zeit nicht erwarten könnt, um Euer Schaf zu scheeren –“

„Aber Onkel,“ fiel Curt ein, „ich bin doch nicht meinetwegen hier –“

„Nein, mein Sohn,“ unterbrach ihn der alte Herr mit giftiger Ironie, „nicht meinetwegen wie der Wolf sagte, aber ein Schaf schmeckt doch gut. Ich kenne das und Euch Teterower dazu Ich will mit Euch nichts zu tun haben, und mein Gut ist mein Gut – da bin ich Herr.“

Auch in das Antlitz des jungen Mannes war die Zornesröthe gestiegen, und doch überkam es ihn wie Mitleid vor dem alten Manne, welchen seine Gegenwart offenbar im Tiefsten kränkte und der in seinen Aeußerungen jedenfalls mit einem andern Maßstabe zu messen war, als andere Menschen

„Ich beklage es tief,“ sagte er, „daß Sie meinem Eintreten hier solche Beweggründe unterschieben, gegen welche ich mich entschieden verwahren muß; wir haben’s nur gut gemeint, und ich hätte überall eine bequemere Thätigkeit finden können, als die schwierige –“ er stockte und wußte nicht recht, wie er den Gedanken ausdrücken sollte, ohne dem alten Herrn etwas Verletzendes zu sagen „Aber wie dem auch sei, ich bitte Sie aufs Dringendste,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_758.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)