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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

des Leuchtens dieser Stangen im Dunklen der unter der Glocke enthaltene Sauerstoff ozonisirt wird, um sich darnach um so lebhafter mit dem Phosphor zu verbinden. Es hängt das damit zusammen, daß der Phosphor bei seiner langsamen Verbrennung drei Atome Sauerstoff, also eine ungerade Zahl von Atomen, gebraucht, sodaß, da der gewöhnliche Sauerstoff aus paarigen Atomen besteht, immer unpaariger, dreiatomiger Sauerstoff (Ozon) oder auch oxydirtes Wasser entstehen müssen, Körper, welche die langsame Verbrennung steigern und eben dadurch wahrscheinlich das Leuchten erzeugen, das sonst nur schneller Verbrennung eigen ist.

Nun ist es gewiß kein Zufall, daß gerade die vorerwähnten ätherischen und fetten Oele und Fettstoffe sich in diesem Punkt genau ebenso verhalten wie Phosphor, nämlich den Sauerstoff der Lust ozonisiren und oxydirtes Wasser bilden. Und hier tritt noch die lehrreiche Thatsache hinzu, daß diese Substanzen in Berührung mit Alkalien und Sauerstoff nur so lange leuchten, wie Ozon zugegen ist; die Mischung ätherischer und fetter Oele mit Alkali hört alsbald auf zu leuchten, sobald das gewöhnlich in diesen Oelen aufgelöste Ozon verbraucht ist, und wird erst wieder leuchtend, wenn diese Substanzen einige Zeit in nicht vollgefüllten Gefäßen (namentlich im Sonnenschein) mit der Luft in Berührung gestanden haben. Ferner besitzen aber auch die Blutkörperchen die Fähigkeit, den Sauerstoff der Athemluft zu ozonisiren, und möglicher Weise besitzen die höchst energisch leuchtenden Insecten, bei denen sich zahlreiche Luftröhrenäste in die Leuchtorgane erstrecken, die Fähigkeit, den Leuchtstoff mit ozonisirter Luft anzublasen.

Zum Schlusse haben wir noch zu fragen, wozu die Leuchtorgane den lebenden Wesen nützen? Denn nach der neueren Weltanschauung kann man sich nur die Ausbildung solcher Organe und Fähigkeiten vorstellen, die den Inhabern von irgend einem Nutzen sind. Bei dem Johanniswürmchen hat man seit langer Zeit angenommen, es handle sich für das bei einigen Arten dieser Käfer allein leuchtende ungeflügelte Weibchen darum, dem geflügelten Männchen seinen Aufenthalt in der Ferne zu verrathen, und in der That genügt es, nach den Beobachtungen einiger Naturforscher, ein leuchtendes Weibchen an einem warmen Frühsommerabend auf der offenen Hand zum Fenster hinauszuhalten, um sogleich einige Männchen anzulocken. Auch bei einigen anderen Thieren scheint das Leuchten nur zur Zeit der Geschlechtsreife stattzufinden, allein bei den Johanniswürmchen leuchten auch die Larven, und die Pilze nebst unzähligen Seethieren leuchten immerfort. Die Naturforscher der englischen Tiefsee-Expeditionen, welche eine Menge neuer Leuchtthiere aus Regionen emporgezogen haben, in welche kaum noch ein Sonnenstrahl dringt, haben wiederholt die Meinung ausgesprochen, daß dort unten die meisten Thiere ihr Grubenlicht am Kopfe trügen, und daß es vielleicht dieser allgemeinen Selbstbeleuchtung zu danken sei, daß sich drunten in der ewigen Nacht auch schöne Farben entwickelten. Ich glaube aber, daß man nach einem viel allgemeineren Vortheil des Leuchtens für die Pflanzen und Thiere selbst suchen muß, der wahrscheinlich darin besteht, daß mit dieser Fähigkeit begabte Thiere und Pflanzen dadurch andere Thiere abhalten sie zu verzehren, gewiß der größte Vortheil, den es für sie geben kann. Dadurch würde sich erklären, daß flügellose Insecten, die weniger leicht ihren Verfolgern entwischen können, wie z. B. Johanniswürmchen und Skolopender, am häufigsten leuchten, und namentlich, daß bei allen Leuchtthieren jede Berührung, jeder Angriff das Leuchten hervorruft oder vermehrt. Es ist, als sollte durch das plötzliche Aufleuchten jeder Angreifer erschreckt werden. Natürlich wird dieser wahrscheinlich ebenso, wie das sogenannte „Sichtodtstellen der Käfer“, unbewußte Kunstgriff nicht immer helfen; denn wenn der Insectenliebhaber z. B. erst dahinter gekommen ist, daß das Leuchten der Johanniswürmchen ein unschuldiges Feuer ist, so wird er nur desto bequemer seinen Fang machen. So soll man in Amerika den auf Feuerfliegen lüsternen Ochsenfrosch mit hingeworfenen glühenden Kohlen fangen. Daher wird das Leuchten, ebenso. wie die auffallende sogenannte Trutzfarbe vieler Thiere, nur solchen Leuchtthieren nützlich sein, die zugleich einen ekelhaften Geruch oder Geschmack haben, indem sie irgend einen auf Beute lauernden Feind schon von fern warnt, sie nicht mit wohlschmeckenden Thieren zu verwechseln und gleichsam aus Versehen zu verschlucken. In der That sind die Johanniswürmchen und viele der hierhergehörigen leuchtenden Seethiere von Geruch und Geschmack widerlich, wenn nicht gar giftig. Und so mögen die mikroskopischen Leuchtwesen in ihrer mikroskopischen Welt ebenso gemieden werden, wie die leuchtenden Quallen, Salpen und Fische in unserer Sehsphäre, und dieser bedeutsame Vortheil würde leicht die ungemeine Häufigkeit leuchtender Pflanzen und Thiere erklären. Diese Nützlichkeit würde es ferner erklären, daß bei einigen kleinen Knochenfischen der Tiefsee, die man erst in neuester Zeit studirt hat, die Leuchtapparate eine so große Vollkommenheit erreicht haben, daß ein solcher Fisch, der bei der Challenger-Expedition gefangen wurde, so hell wie ein Stern im Netze funkelte. Es scheint, daß die Leuchtorgane dieser Fische wie die Apparate der Leuchttürme und physikalischen Cabinete mit Hohlspiegel und Linsen versehen sind, durch welche das phosphorische Licht mit höchstem Glanze nach außen geworfen wird.




Feuerländer in Berlin.

In dem Augenblicke, wo die nachstehende Culturskizze in die Presse gelangt, hat voraussichtlich der prächtige zoologische Garten in der Hauptstadt des deutschen Reiches die wilden Gäste bereits aufgenommen, welche unser Bild darstellt, jene Bewohner der ewig feuchten, gleichmäßig kühlen Magellansstraße, welche nach Oscar Peschel von allen Seefahrern als „Schreckbilder der Menschheit“ beschrieben werden. Auf Fürsprache des Gouverneurs von Punta Arenas, des Herrn Wood, hat die chilenische Regierung dem Capitain G. Schweers gestattet, auf dem Hamburger Dampfer „Theben“ elf Feuerländer, die von einer der Inseln der südlichsten Inselgruppe von Südamerika (Hermite) stammen, nach Europa überzuführen, und zwar unter der Garantieleistung, daß dieselben nach einer gewissen Zeit in ihre Heimath zurückgebracht werden. Am 18. August dieses Jahres landeten die Pescherähs, wie sie noch Bougainville nennt, ehe sie Charles Darwin „Feuerländer“ getauft, in Havre und wurden im Acclimatisationsgarten zu Paris untergebracht. Dort erregten sie – vier Männer, vier Frauen und drei Kinder, von denen leider dasjenige, das sich durch ein besonders intelligentes Gesicht und Wesen auszeichnete, plötzlich starb – das lebhafteste Interesse der Pariser Bevölkerung.

Auch ihre primitiven Canoes, Waffen und andere Utensilien haben die Feuerländer aus ihrer feuchten Heimath mitgebracht. Die Berichte, welche über sie in französischen Zeitungen veröffentlicht wurden und durch Correspondenten nach Deutschland gelangten, weichen nicht wesentlich ab von den Mittheilungen der Reisenden, welche die Wilden in ihrem Lande beobachteten und schildern sie übereinstimmend als widerliche Geschöpfe, die noch im Uranfange menschlicher Cultur stehen, wenn von solcher überhaupt bei ihnen die Rede sein kann. Sie sind etwa fünf Fuß groß, von dunkler, schmutziger Kupferfarbe, während ihr Haupt mit schwarzen struppigen Haaren bedeckt ist, die zum Theil auf das Gesicht herabfallen. Sie kennen anscheinend nicht einmal die reinigende Eigenschaft des Wassers, also noch weniger den Gebrauch der Seife; sie gehen – Männer, Frauen und Kinder – völlig nackt. Nur als Schutzmittel gegen die rauhe Witterung benutzen sie ein Seehundsfell, welches sie mittelst einer Sehne am Halse befestigen und, je nach der Richtung des Windes, entweder auf der Brust oder auf dem Rücken tragen. Muschelthiere und Seehundsfleisch dienen ihnen als Nahrung, aber gekochte Speisen deren Genuß sie krank macht, verschmähen sie durchaus. Dagegen soll es ein Fest für die Feuerländer sein, wenn die Fluth den Leichnam eines Walfisches an ihre Küsten treibt, dessen Körpertheile sie in rohem Zustande verschlingen.

Die Feuerländer sind die einzigen Südamerikaner vom Aequator bis zum Cap Horn und vom Cap Horn bis weit über den La Plata, die das Meer in hohlen Baumstämmen befahren. Von dem beständigen Feuer, welches sie auf diesen Kähnen unterhalten, haben Land und Leute den Namen erhalten.

Die Bewohner der Magellan'schen Inselwelt, denen es bei der hohen Dampfsättigung der Luft schwer werden würde, Holz in Brand zu stecken gehören zu den wenigen Menschenstämmen, welche Funken aus Felsenkiesen schlagen und sie in Zunder auffangen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_732.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2022)