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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Magazine nun geschlossen, so blieb doch Parts durch seine zahllosen Gasflammen auch jetzt noch mit einem Gefunkel übersäet, das Siegmund’s ungewohntem Auge märchenhaft erschien. Seine Lebensgeister waren hochgespannt; das Interesse an all dem Neuen, das ihm bei jedem Aufblick entgegensprang, wuchs, je mehr er davon genoß, und neugierig sah er der letzten Scenerie entgegen, die sich ihm als Schlußtableau dieses bilder- und gestaltenreichen Abends aufthun, seine noch so beschränkte Weltkenntniß nach einer fremden Sphäre hin erweitern sollte.

Der Wagen hielt vor einem Gitter, das einen nur schwach erleuchteten, mit Bäumen besetzten Hof oder Vorgarten abzugrenzen schien; das Thor war unverschlossen. Als sie ausgestiegen und das innere Terrain betraten, vernahm Siegmund das gleichmäßige Plätschern eines Springbrunnens, das etwas so Einschläferndes hat, wenn man das Wasser nicht sieht.

Alles, was seinem Auge begegnete, widersprach den Schilderungen, die er von ähnlichen Etablissements kannte. Ein altes Haus, zwischen Hof und Garten gelegen, von stillem, vornehmem Eindrucke, alle Fenster der Parterreräume, einzelne der Beletage mild erleuchtet. Keine Blumen, nur eine dunkle Pflanzenpyramide in der weiten Halle, die als Entreé diente. Dort nahm ein Diener ohne Livree, mit grauem Haar, den Herren die Ueberzieher ab und öffnete, nach einem schnell recognoscirenden Blicke, ohne sie zu melden, die Thür zu einem langen Saal ebener Erde. Siegmund’s Falkenblick überflog neugierig den mit kostbarer, fast strenger Eleganz ausgeschmückten Raum. Tiefdunkles Getäfel mit Einfassungen von Silber, einige hohe Spiegel in gleichfalls silbernen Renaissancerahmen, mehrere alte Oelgemälde, ein prachtvoller Kamin von weißem Marmor, das Ameublement von Palisanderholz mit silbernen Inkrustationen. Kein Gas, nur Wachskerzen in großer Fülle an den Wänden, auf den Tischen vertheilt. Dunkle Sammetvorhänge mit silbernen Fransen besetzt verhüllten die Fenster und teilten den Saal von anstoßenden Räumen ab.

Eine halbrunde Ottomane, von Plauderern besetzt, ein runder Tisch davor, der einige Karaffen mit Wein trug, füllte die Ecke links am Eingange, während im tieferen Theile des Saales eine Anzahl von Spieltischen vertheilt war, die, alle besetzt, zum Theil von Zuschauern oder Wettenden zwei- und dreifach umringt wurden. Die Unterhaltung war keineswegs laut, schien aber animirt; Niemand nahm von den den Eintretenden Notiz.

Voilà le Chevalier“ sagte der Officier vom Garde du Corps zu Siegmund, indem er mit den Wimpern einen eleganten, nicht mehr jungen Mann bezeichnete, der, die Karten in der Hand, mit dem Rücken gegen die Thür, an einem der Ecarté-Tische saß. „Er ist beschäftigt; wir wollen ihn nicht stören, sondern uns lieber gleich in den kleinen Salon begeben, damit ich Sie der Dame des Hauses vorstelle.“

„Ist das notwendig? Sonst lassen Sie mich lieber hier!“

„Unerläßlich,“ winkte der Franzose und bewegte sich vorwärts. Die Anderen folgten. Siegmund’s aufmerksame Augen erblickten, nachdem sich die Portieren geteilt, einen mäßig großen Salon, dessen anmutige Ausstattung den Eindruck gewählten Comforts machte.

Ganz in der Tiefe des Zimmers war eine Reihe von bequemen Fauteuils um einen großen Tisch gruppirt, momentan aber nicht besetzt. Die acht oder zehn Herren, welche sich in diesem Salon aufhielten, umgaben eine in der Nische eines Bogenfensters stehende Dame, welche durch das Gespräch ebenso in Anspruch genommen schien, wie es der Chevalier durch das Spiel war. Sie bemerkte die Eintretenden nicht sogleich. Als es geschah, waren dieselben bereits näher getreten. Die Gruppe, welche die Hausfrau umgab, teilte sich nun, eine hohe, in dunkle Seide gekleidete Frauengestalt trat einen Schritt vorwärts; sie blieb mitten in der Bewegung plötzlich stehen, wie eine schreitende Statue. Ihre großen dunklen Augen hafteten starr auf Siegmund – Mutter und Sohn standen sich gegenüber.

(Fortsetzung folgt.)




Heimstätten deutscher Rheinweine.

Von Ferdinand Hey'l.

„Dort weht ein Odem lebensprühend,
Dort tönen Lieder jugendglühend,
Und Weinesdüfte wonnig quellen
Weit auf des schönsten Stromes Wellen.
Wie Stern an Stern, so reiht sich dort
In Hügelketten Ort an Ort,
An jedem Ort ein neuer Wein,
Hier goldig, dort im Purpurschein
Man wandert aus; man wandert ein –
Man glaubt im Himmel gar zu sein.“

O. Roquette.


Ist das ein „seliges Wandern“ in diesem weinseligen Herbste durch die Dörfer und Städtchen des Rheingaues! Fröhliche Menschen allerwegen! Denn endlich hält Gott Bacchus wieder Einzug an den Stromufern; endlich lohnt der Erntesegen die saure Mühe, den Schweiß des Winzers. Der grüne Strauß, der Tannenbaum – diese unfehlbaren Zeichen, daß der „Neue“ schon im Faß, daß der „Federweiße“ schon genießbar – grüßen von den Häusern und ein fröhlich Leben ist eingezogen in jenen Orten, wo in den letzten Jahren manchen Herbst hindurch und trotz des sprüchwörtlichen rheinischen Humors nur ernste Mienen den Wanderer willkommen hießen. Nun aber, wie Simrock singt.

„Hörst du die Glocken tönen!
Stets wechselt Ton mit Ton um.
Bonum vinum! Bonum vinum!

Aller Wohlstand des Winzers, wie seine Hoffnungen und Befürchtungen beruhen auf dem Ergebniß der Lese. Er bemißt Alles nach dem Quantum Wein, „das er macht“! Und wehe, wenn die Glocken Herbst für Herbst in’s Land hinaus läuten: „Bämpelwein! Bämpelwein!“ In diesem Herbste aber ist der Rheingauer zurückhaltend mit der „Traube der Freundschaft“ – mit den Sendungen an Vettern und Freunde, wie das zur Zeit der Lese sonst wohl üblich. Er kauft diesen Bedarf lieber drüben – über’m Rhein, aber von dem Edelgute aus seinem Wingert „wird Nichts gereicht“. Gern zahlt er besonders dafür, daß ihm die Leseweiber und Wingerknechte nur ja nicht das köstliche Gut verkosten. Jeder „Berkel“ in erster Lage wird sorgsam behütet.

Wie schwer die Arbeit, wie mühsam das Bestellen der Wingerte mit den segenspendenden Rebstöcken, haben wir den Lesern der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1867) schon vorgeführt

Heute mag uns eine weinfröhliche Stimmung durch eine Anzahl der Hauptstätten des deutschen Weinbaues am Mittelrhein führen! Unbestritten gedeiht der edelste Wein der Welt an jenem sanft emporstrebenden Hügelgelände des Rheingaues; welches sich an die waldumsäumten Höhenzüge des Rheinkamms anlehnt, hinabsteigend bis dicht an die Stromufer, bis dicht an das vielbesungene „Silberband“ des alten Rheins.

Da klingt jeder Name schon weinselig und weinfröhlich – und hier auch ist die Hochschule des deutschen Weinbaues. Nur in einzelnen Strichen und Lagen der Pfalz und bei Würzburg gedeihen dank der Sorgsamkeit der dortigen Weinindustriellen, ähnliche Tropfen – immerhin aber nicht erreichend, was Nauenthal, Johannisberg, Rüdesheim, Steinberg uns wein- und feinduftig bieten. Diese vier Weinorte sind es auch, die mit dem Marcobrunner, Hochheimer und Gräfenberger den ersten Rang beanspruchen, während der rothe Aßmannshäuser alle anderen Rotweine des Rheins um ein Bedeutendes im Werte überragt.

Da liegt hoch droben auf einem etwa fünfundsechszig Morgen umfassenden Berghügel der vielbesungene Johannisberg, das Besitztum der fürstlich Metternich’schen Familie seit 1818, ehedem Benedictiner-Abtei, dann Eigentum des Herzogs von Valmy, des Marschalls Kellermann bis 1814. Den Mönchen danken wir die Urbarmachung des Geländes, und mehr als das – auch die Pflege und Veredelung des Gewächses.

Nur etwa dreißig Stück Wein – der rheinische Weinbauer rechnet immer noch nach Stück – erzielt der Johannisberg durchschnittlich im Jahr, während in seiner Umgebung in Dorf und Klaus (Klus) Johannisberg fast ebenso bevorzugte Edelsorten reifen, wie auf dem eigentlichen Terrain „Schloß Johannisberg“.

„Johannisberg, wie jauchzt mein Herz dir zu!
Wohl zeugst von alter, gold’ner Zeit auch du,
Du, den der Sündfluth Grimm einst übrig ließ,
Der Hügel einen aus dem Paradies.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_719.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)