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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ein sehr geringer Procentsatz hat es weiter gebracht, als mühsam den eigenen Namen zu kritzeln.

Fassen wir Alles zusammen, so beschränkt sich das, was die heutige Civilisation den Bewohnern der Marshallsinseln gebracht hat, abgesehen von der dürftigen Kleidung auf einige nützliche eiserne Geräthe, unter denen Messer, Beile, Nähnadeln, Fischhaken, Kochtöpfe, Kisten und Kasten die wichtigsten sind, und auf eine Menge Tand, wie Glasperlen, Bänder, Haaröl, Fingerringe etc., außerdem auf allerlei Schuß- und Hiebwaffen. Unter den Genußmitteln nehmen Reis und Hartbrod die Hauptstelle ein, wozu hier und da noch Salzfleisch und vielleicht einige Conserven kommen, ganz besonders aber Getränke, unter denen namentlich Bier beliebt ist. Da aber die Flasche Bier 2 Mark kostet, so verbietet sich der häufigere Genuß desselben von selbst, und der Eingeborene greift, wie fast alle Weißen, zu dem landesüblichen Getränk: Gin, das billiger und dabei wirkungsvoller ist. Trotzdem läßt sich nicht behaupten, daß Trunksucht unter den Eingeborenen herrsche; man sieht vielmehr nur selten Betrunkene, und in diesem Falle sind es meist nicht die gemeinen Kanaker, sondern die Herren Vorgesetzten.

Wenn durch die Dazwischenkunft der Weißen das Leben der Eingeborenen unleugbar in mancher Beziehung verbessert wurde, so muß dabei doch ausdrücklich bemerkt werden, daß die Letzteren dies keineswegs ihrer eigenen Kraftanstrengung verdanken. Im Bau der Häuser haben sie nur in Ausnahmefällen europäische Verbesserungen angenommen, nur selten sich bemüht, Bananen und andere Nutzpflanzen, welche unter der sorgsamen Pflege des weißen Mannes gedeihen, zu cultiviren, und so bleibt ihnen fast nur das Verdienst, ihre ursprüngliche Geschicklichkeit in Flechtarbeiten auf die Herstellung von Hütten nach europäischer Form übertragen zu haben. Dagegen sind ihnen andere Fertigkeiten abhanden gekommen, wie auch ihre so hoch entwickelte Kunst im Bau von Canoes immer mehr verloren geht und nur noch von alten Leuten gründlich verstanden wird.

Marshall-Insulaner im Krieg.
Nach der Natur für die „Gartenlaube“ gezeichnet von O. Finsch.

Der conservative Zug im Charakter des Marshallaners, wie fast aller Südsee-Insulaner, hat auch die alten Rangordnungen erhalten, und noch heute giebt es in der ganzen Marshallgruppe, sowohl der Ratak- als Ralikkette vier Stände, die sich von mütterlicher Seite vererben. Es sind dies die Armidsch-kajur, oder die niedrigste Classe, welche kein Eigenthum besitzt, sondern nur Lehnsdienste verrichtet, die Leotakatak, mit erbberechtigtem Eigenthum, die Burak, größere freie Grundbesitzer, und die Iroidsch oder Häuptlinge. Aus den letzteren wird der Iroidsch-lablab, das heißt der große Häuptling oder sogenannte König, gewählt, von dessen Macht man sich aber keine allzu große Vorstellung machen darf. Wenigstens ist der jetzige Herrscher Kabua, oder „der Oberhäuptling Lebon, der Herr der Ralikkette“, wie er in dem mit der deutschen Regierung abgeschlossenen Vertrage pomphaft genannt wird, ein kläglicher Herrscher. Kabua versteht nur mühsam seinen Namen zu schreiben, kann kaum ein paar Worte englisch sprechen und ist ein indolenter beschränkter Kopf, dessen einzige Gabe in Lüge und Verstellung besteht. Obwohl er nicht Kirchenmitglied ist, hält er es doch mit der Mission und geht, wenn es vortheilhaft für ihn scheint, selbst gelegentlich einmal mit zur Kirche.

Da Kabua nur wenig Land besitzt, so ist er arm und aus diesem Grunde habsüchtig. Von allen und jeden Einnahmen seiner Unterthanen nimmt er den größten Theil für sich, und dies hat ihn vielfach unpopulär gemacht. Sein Einfluß ist daher auch sehr unbedeutend. Nächst Kabua ist Loiak der bedeutendste Häuptling und ein Rival, der an geistiger Begabung Kabua offenbar übertrifft, wenn er auch sonst nicht eben vortheilhaft beleumundet ist. Zwischen beiden Häuptlingen herrschte schon längst Eifersucht, die unerwartet zum Kriege führte.

Wie uns Chamisso lehrt, lagen die Marshallaner schon zur Zeit seines Aufenthaltes auf diesen Inseln mit einander im Kriege. Diese Kriege, obwohl nicht sonderlich verheerend, forderten ohne Zweifel Opfer; denn bei der damaligen Art der Waffen mußte es meist zum Einzelkampf kommen. Die Waffen bestanden in Lanzen, einfachen, circa sieben Fuß langen, zugespitzten Stäben aus Palmholz, die nur ausnahmsweise mit Haifischzähnen besetzt waren, wie dies noch heute in den Gilberts üblich ist, und in Schleudern, das heißt einem breiten Bande aus Cocosfaser, mittelst dessen ein rundes Korallstück geschickt geworfen wurde. Bogen und Pfeile besaßen die Marshallaner, wie fast alle Südseebewohner, nicht. Mit diesen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_701.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)