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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Ueber die Ursache des Leuchtens der niederen Gewächse sind eine große Anzahl von Untersuchungen angestellt worden, die den verschiedensten Forschern ziemlich übereinstimmende Resultate ergeben haben. Das Leuchten aller dieser Lebewesen wird von Feuchtigkeit und Wärme begünstigt und erfordert vor Allem den Zutritt von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft. Im stark luftverdünnten Raume leuchten alle diese Pflanzen schwach, dagegen stärker in reinem Sauerstoff oder in verdichteter Luft. In Wasserstoff-, Stickstoff- oder Kohlensäuregas hört das Leuchten auf. Besonders interessant sind die Versuche, die Bischof mit den Rhizomorphen und Fabre mit dem südeuropäischen leuchtenden Hutpilz angestellt haben. Sie schlossen lebende und mit genügender Feuchtigkeit versehene Exemplare luftdicht in Glasgefäßen ein und beobachteten ihr Verhalten und ihre Ausscheidungen. Bischof sah hierbei die weißen Triebspitzen der Rhizomorphen neun Tage lang weiterleuchten, und als er nach dem Aufhören des Leuchtens die Luft des Gefäßes untersuchte, fand er den gesammten Sauerstoff derselben verzehrt und in Kohlensäure verwandelt. Fabre beobachtete obendrein, daß der leuchtende Hutpilz der Oelbäume während des Leuchtens bei weitem mehr Kohlensäure erzeugt, als wenn er zu leuchten aufgehört hat.

Da leuchtendes Holz, leuchtendes Fleisch etc. sich ganz ähnlich verhalten, so kam man zu dem sehr einfachen Schlusse, daß allen diesen verschiedenartigen Leuchtprocessen ein dem Leuchten des Phosphors entsprechender Vorgang zu Grunde liegen müßte, nämlich die langsame Verbindung eines bestimmten organischen Körpers mit dem Sauerstoff der Luft. Daß diese Substanz nicht mit dem Phosphor einerlei ist, ergaben die in beiden Fällen verschiedenartigen Oxydationsproducte, die beim Phosphor aus phosphoriger Säure, bei den leuchtenden Pflanzen aus Kohlensäure bestehen. Es ist also klar, daß durch den Lebensproceß der Pflanze unter Umständen eine kohlenstoffhaltige Substanz gebildet wird, die sich unter Lichtentwickelung langsam mit dem Sauerstoff verbindet und darum ebenso wie der leuchtende Phosphor keine fühlbare Wärme spüren läßt. Im Gesammtverhältniß mag jedoch bei dieser langsamen Verbrennung ebenso viel Wärme frei werden, wie bei der mit Flamme verbundenen stürmischen Verbrennung, aber dasselbe Stückchen Phosphor, welches entzündet unter bedeutender Wärmeentwickelung in wenigen Secunden verbrennt, würde Wochen und Monate gebrauchen, um sich unter bloßer Phosphorescenz zu oxydiren; die in jedem Augenblick bei dieser langsamen Verbrennung frei werdende Wärme ist daher zu gering, um empfunden zu werden, und gleicht sich im Entstehen schon wieder mit der Temperatur der umgebenden Körper aus.

Wie wir im folgenden Artikel genauer sehen werden, bestehen noch andere bedeutsame Aehnlichkeiten zwischen dem Leuchten des Phosphors und dem der organischen Körper, aber die sich früh aus diesem Vergleich der beiden Vorgänge aufdrängende Erkenntniß der wahren Ursachen der Phosphorescenz lebender Wesen wurde durch das von vorgefaßten Meinungen ausgehende Studium der Leuchtthiere eher gehemmt als gefördert.




Bilder aus dem Stillen Ocean.

1. Kriegsführung auf den Marshall-Inseln.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Dem geist- und gemüthvollen Verfasser des weltberühmten „Peter Schlemihl“, Adelbert von Chamisso, haben wir die ersten ausführlicheren Nachrichten über die Bewohner der Marshall-Inseln zu verdanken, die er bei Gelegenheit der denkwürdigen Weltfahrt der russischen Corvette „Rurik“ (1815 bis 1818) auf kurze Zeit kennen lernte. Voll aufrichtiger Theilnahme für die braunen Naturkinder und mit wahrer Liebe für sie erfüllt, entwarf er von seinen neuen Freunden so günstige Schilderungen, daß diese seitdem fast zu den am bester beleumundeten Völkern der ganzen Südsee gehören. Hätte Chamisso so viele Monate wie Wochen unter den Eingeborenen weilen können, so wäre sein Urtheil ohne Zweifel in vielen Stücken ganz anders ausgefallen; denn dann würde der dem Dichter angeborne Idealismus doch in mancher Hinsicht einer auf genauere Kenntniß basirenden gründlicheren Anschauung gewichen sein.

Außerdem waren die kindliche Natur Chamisso’s und seine ausgesprochene Philanthropie bemüht, wenn auch nicht gerade die Schattenseiten des von ihm Geschauten zu verbergen, so doch das Gute an denselben möglichst in den Vordergrund zu stellen. Freilich mögen vor mehr als sechszig Jahren die Verhältnisse in den Marshalls ganz anders als heutigen Tags gewesen sein. Das große Schiff mit seinen damals auf diesen Inseln kaum bekannten Feuerwaffen erregte Furcht unter den Eingebornen, obschon die Fremdlinge in der Ausführung ihrer philanthropischen Mission nur Gutes thaten und ihnen zuerst unschätzbare Dinge, wie Eisen und eiserne Geräthe, großmüthig überließen, sowie sie mit neuen Culturgewächsen und Hausthieren beschenkten. Von letzteren Gaben hat sich keine auf den Inseln eingebürgert, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Eingebornen den Werth derselben nicht zu verstehen vermochten. Der zuerst im Verkehr mit Walfischfahrern angebahnte Handel hat auch diese Insulaner mit allerlei bis dahin unbekannten Waaren versehen, und später, etwa seit fünfundzwanzig Jahren, verstärkte und befestigte die Mission auf einigen Inseln den Einfluß der Weißen, ja wußte sich nicht selten eine gewisse Machtstellung zu erringen, die indeß meist nur von kurzer Dauer blieb. Sie lehrte die Insulaner nicht nur eine neue Weltordnung, sondern bemühte sich selbstredend auch, ihnen praktische Fertigkeiten beizubringen; die Mission spendete die Segnungen des Christenthums nicht umsonst, sondern verstand es sehr wohl die Kirchenmitglieder tributpflichtig zu machen, um sowohl die Kirche zu bereichern, wie gegen Waaren entsprechende Tauschartikel zu empfangen.

Dadurch gerieth die Mission, wie leicht begreiflich, nicht selten mit dem Kaufmann von Beruf in Conflict, und aus dieser Ursache entspringen so viele Anklagen, welche beide Parteien, nicht immer ohne Grund, gegen einander erheben. Wir wollen auf dieses ohnehin unliebsame Capitel hier nicht eingehen, so sehr dasselbe auch einer objectiven Darstellung bedürftig ist. Ein Vergleich der Marshall-Insulaner von damals, d. h. von den Zeiten Chamisso’s, und heute erscheint dagegen nicht uninteressant. Da drängt sich uns zunächst die Frage auf: Haben diese Menschen, welche uns Chamisso fast durchgehends als gute schildert, wirklich, wie die Einen wissen wollen, durch civilisatorische Einmischungen der weißen Rasse geistig und sittlich gewonnen oder sind sie, wie Andere behaupten, durch den Einfluß weißer Trader (Händler), die ihnen den Schnaps und den Tabak brachten, moralisch verderbt und physisch entnervt worden?

Nach meinen Erfahrungen ist weder das Eine noch das Andere der Fall. Wie es bei der Einförmigkeit der Natur und dem Charakter der einsamen Koralleninseln nicht wohl anders zu erwarten ist, gehören die Marshallaner, wie alle Bewohner von Atollen (Ring- oder Laguneninseln) nicht einer geistig hoch veranlagten Menschenrasse an, und schon aus diesem Grunde wird ihre Entwickelung stets an einer gewissen enggezogenen Grenze stehen bleiben. Gegenwärtig sind die Marshallaner noch weit davon entfernt dieselbe erreicht zu haben; denn thatsächlich läuft ihre ganze jetzige Civilisation wie ihr Christenthum auf Aeußerlichkeiten hinaus.

Wie die harmlosen, von Gesang und Trommel begleiteten mimischen Volksbelustigungen, unrichtig wohl Tänze genannt, von den Missionären verpönt wurden, so fielen auch das lange, schöne, schwarze Haar und zum Theil die eingeborene Tracht dem Missionseifer zum Opfer. Dadurch erreichte man allerdings, daß Bekehrte an ihrer europäischen Kleidung zu erkennen sind, und so entstanden die sogenannten „Callicochristen“, wie sie ein Missionsbericht zuerst als solche bezeichnet. Freilich sind dieselben zum Theil sehr regelmäßige Kirchengänger, aber auch bei den eifrigsten kann von einem tieferen Verständniß der Wahrheiten und der Moral des Christenthums nicht die Rede sein; denn ihre ganze Kenntniß beruht auf einigen auswendig gelernten Hymnen und Psalmenversen, und nur

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 700. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_700.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)