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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ein ganz intensives Licht aus. Natürlich haben diese pflanzlichen Kobolde einen lebhaften Sagenkreis um sich hervorgerufen, und auf sie bezieht sich augenscheinlich, was der alte Aelianus von der Pflanze Aglaophotis erzählt, „die sich am Tage unter den andern verbirgt und durchaus nicht in die Augen fällt, zur Nachtzeit aber sich auszeichnet und wie ein Gestirn strahlt; denn sie ist leuchtend und gleicht dem Feuer. Die Leute stecken deshalb ein Zeichen an der Wurzel ein und entfernen sich; denn wenn sie dies nicht thun würden, könnten sie sich am Tage weder der Farbe erinnern, noch der Gestalt.“

Die Einsammlung dieser Pflanze, der man die wunderbarsten Eigenschaften zuschrieb, mußte nach Aelian mit derselben Vorsicht wie bei der berühmten Mandragorawurzel geschehen: man ließ sie durch einen schwarzen Hund, den man mit Fleisch lockte, herausziehen; der Hund starb augenblicklich. Noch abenteuerlicher beschreibt der jüdische Historiker Josephus die Einsammlung derselben Pflanze, die er Baaras nennt und als von Dämonen besessen schildert.

„Sie hat eine flammendrothe Farbe,“ sagt er, „und schießt des Nachts Strahlen von sich; will man sie nehmen, so ist sie sehr schwer mit der Hand zu fassen, indem sie gleichsam entschlüpft,“ was Alles nur auf diese schlüpfrigen Leuchtpilze zu passen scheint. In neuerer Zeit wurde dem Orientreisenden Seetzen von einem Augenzeugen über eine ähnliche, „des Nachts im Feuer stehende Pflanze“ berichtet, die im Frühjahre bei den alten Libanoncedern wachse und nur eine kurze Dauer haben sollte, da sie alsbald von den Ameisen und Ziegen, deren Zähne sie mit einem goldglänzenden Firniß überziehe, gefressen würde. Die Bewohner der Umgegend trachteten eifrig nach dem Besitze dieser Wunderpflanze, die in dem Rufe steht, auch unechte Metalle, wie die Zähne der Ziegen, in Gold zu verwandeln, und wenn man auch, um der Neugierde Seetzen’s zu genügen, ihm ein getrocknetes Exemplar eines andern Gewächses gezeigt zu haben scheint, so dürfte es sich hier doch ebenfalls um einen der aus den Wurzeln der Cedern schmarotzenden, leuchtendenen Hutpilz handeln. Man wird an diese kleinen, ebenso schnell abschießenden wie verschwindenden Gestalten auch durch die Sagen von den brennenden Schätzen und dem leuchtenden Golde erinnert, welches sich für Den, der das rechte Wort nicht weiß, in Koth oder ein Häufchen schwarzer Kohlen verwandeln sollte; denn bekanntlich lösen sich die Pilze nach wenigen Tagen in Schleim auf, der sich in eine schwarze Masse umwandelt.

Auch unter den mikroskopischen Brandpilzen scheint es einige leuchtende Arten zu geben, wenigstens wurde der Reisende und Naturforscher Richard Schomburgk auf diese Vermuthung geführt, als er aus seinen Reisen in Britisch Guyana in einer Nacht sein ganzes, aus welken Blättern bereitetes Lager in einem schönen bläulichgrünen Lichte strahlen sah. Unter den Algen giebt es ebenfalls phosphorescirende Arten, und zwar sowohl unter den im Wasser als unter den auf feuchtem Laude vorkommenden Gallertalgen. Die ersteren können wir übergehen, zumal sie bei dem prächtigen Phänomen des Meeresleuchtens den Thieren gegenüber doch nur eine untergeordnete Rolle spielen, die letzteren aber haben eine gewisse Berühmtheit erlangt, da man sie theils für leuchtend herabgefallene Sternschnuppen, theils für das Substrat der Irrlichter gehalten hat.

Der deutsche Naturforscher Chladni, welcher nicht nur die Klangfiguren entdeckt, sondern auch zuerst und unter dem Spotte seiner Zeitgenosse die Natur und den Ursprung der Meteorsteine richtig erklärt hatte, sah im Jahre 1781 während der Dämmerung eines Sommerabends in einem Dresdener Garten viele leuchtende Pünktchen im nassen Grase hüpfen, die sich mit dem Winde bewegten und an den Wagenrädern festklebten, aber schließlich als kleine gallertartige Massen, dem Froschlaich oder gekochtem Sago ähnlich, sich auswiesen, sodaß man versucht wird, dabei an eine bekannte Gallertalge, den sogenannten Nostoc, zu denken.

Diese Beobachtung, der eine ähnliche des englischen Theosophen Robertson Fludd († 1637) zur Seite steht, hatte Goethe im Auge, als er im Faust die Verse schrieb:

„Irrlichter fort! Du leuchte noch so stark,
Du bist gehascht, ein ekler Gallertquark.
Was flatterst du, willst du mich packen?
Es klebt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.“

Unter den grünen und beblätterten Pflanzen giebt es nur wenige, bei denen ein nächtliches Leuchte wirklich festgestellt worden ist, obwohl nicht wenige von ihnen in dem Rufe Leuchtpflanzen zu sein gestanden haben. So ist z. B. die grüne Keimpflanze eines kleinen zierlichen Mooses, welches hier und da in Deutschland z. B. an Felsen der sächsischen Schweiz und des Thüringer Waldes vorkommt, des Wedelmooses (Schistostega osmundacea), unschuldig in den Ruf gekommen, zu phosphoresciren. Und es ist wahr, wenn man diese zarten grünen Fäden in der Dämmerung oder im Halbdunkel einer Felsenhöhlung betrachtet, so scheinen sie ein prächtiges smaragdgrünes Licht auszustrahlen, deutlich handelt es sich dabei nur um eine Reflexerscheinung, wie bei dem bekannten Leuchten der Thieraugen.

Die Rückwände der Zellen, aus denen diese Fäden bestehen, wirken nämlich wie kleine Hohlspiegel, die das spärliche Licht der Steinklüfte sammeln, und darum meinte der erste Erforscher dieses reizenden Schimmers der Felsspalten, der Botaniker Plaubel, die Pflanze habe sozusagen ihre eigenen Spiegelvorrichtungen, die das Sonnenlicht sammelten und wie Monde der Pflanze zuwürfen, damit sie noch im Halbdunkel gedeihe könne. Er nannte die junge, dem erwachsenen Moose sehr unähnliche Keimpflanze, die er für ein besonderes Gewächs hielt, deshalb auch den Smaragdspiegel (Catoptridium smaragdinum).

Aehnliche Reflexerscheinungen sieht man auch bei anderen Moosen, und eine bekannte Gartenblume, die Mondviole, läßt nach dem Verblühen und Fruchtreifen in den stehenbleibenden Scheidewänden ihrer Schötchen silberglänzende Spiegelchen zurück, die im Mondschein lebhaft schimmern, und in einem Schriftchen des deutschen Naturforschers Conrad Gesner „über die seltenen und bewunderungswürdigen Pflanzen, welche entweder, weil sie bei Nacht leuchte, oder aus anderen Ursachen Mondpflanzen (Lunariae) genannt werden“, die Hauptrolle spielen.

Ebenso wenig Anspruch auf den Name der Phosphorescenz hat eine andere, sehr viel besprochene Erscheinung, welche zuerst voll der Tochter des großen Linné, Elisabeth Christine, an einem Juli-Abende 1762 in Upsala beobachtet worden ist. Linné berichtete in den „Schwedischen Jahrbüchern der Wissenschaften“, daß seine Tochter und darauf auch er selbst an den Blüthen der Kapuzinerkresse (Tropaeolum), jener in den gewöhnlichsten Bauergärten verbreiteten Zierpflanze, eine eigentümliche Lichterscheinung wahrgenommen habe, die er nicht zu erklären wage und die vielleicht von dem Widerschein eines unsichtbaren Nordlichtes an der feuerfarbenen Blume herrühre möchte. „Das Leuchten,“ sagt er, „besteht in einem so schnellen Aufblitzen eines Scheines, daß er nicht flüchtiger gedacht werden könnte.“ Denselben bläuliche Schein haben zahlreiche andere Beobachter später in der Dämmerung auch an den Blumen der Feuerlilie, Sonnenblume, Ringel- und Studentenblume, sowie des orientalischen Mohnes bemerkt, kurz all lauter Blumen von lebhaft gelber, orange- und feuerrother Farbe. Die botanische Verschiedenheit der hier in Betracht kommenden Blumen genügt schon, um die von Goethe und anderen Naturbeobachtern ausgesprochen Vermuthung zu unterstützen, daß es sich hier nur um das bläuliche Nachbild dieser Blumen handeln möchte, welches in der Nähe derselben auftaucht, sobald man das Auge wendet, ebenso wie man überall grüne und violette Nachbilder der untergehenden Sonne erblickt, wenn man dieselbe einen Augenblick betrachtet hat. Der Umstand, daß man jenes Leuchten nur in der Dämmerung (und nicht bei Nacht) und nur bei Blumen von der bekanntlich sehr energisch auf die Netzhaut wirkenden orangegelben Farbe erblickt, unterstützt obige Vermuthung in jeder Beziehung.

Im Uebrigen ist zu wiederholte Male auch zweifellose Phosphorescenz bei höheren Pflanzen beobachtet worden, so von K. von Szyts, der die Blätter der Kermespflanze (Phytolacca) des Nachts beobachtete, wie sie bald in gelblich, bald in bläulich grünem Lichte schimmerten, und durch den berühmte Reisende von Martius, der in Brasilien eines Abends den Milchsaft einer darnach Eupornia phosphorea) getauften Wolfsmilchart in dem Augenblicke leuchten sah, wo er beim Abbrechen eines Zweiges aus der Wunde trat. Die Luft war gewitterhaft und das Thermometer zeigte 20 Grad Réaumur, nachher, als es auf 16 Grad gesunken war, hörte das Leuchten auf, und wurde auch in der Folge nicht wieder beobachtet.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_699.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)