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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


„Ja! ich mußte ihn doch erst wiedersehen! Und wie rührend war Dein Rudi vom ersten Augenblick an! Selbst, daß ich sein Krückchen nicht mehr hörte – warum habt Ihr das nicht längst polstern lassen? Selbst das, o Alles und Jedes rührte mich so, daß ich –“ sie machte sich los und winkte ihm , „komm’ , aber leise – leise!“

Nun öffnete sie die Thür zu ihrem Schlafzimmer, und Förster sah hinter Role’s Wiege, an der gegenüberliegenden Wand, ein Bett stehen, das dort vorher nicht gestanden, und darin lag ein Schläfer.

„Nur bis morgen!“ flüsterte Else. „Dann, denke ich, zieht er zu Frau Hannisch in’s blaue Zimmer.“

„Mein Weib! Mein einziges Weib!“

„Es ist ja gar nichts!“ lachte und weinte Else. „Ich mußte doch einmal erfahren, daß es auch Pflichten giebt, nicht blos Scherz und Lachen.“

Die Glücklichen hatten es nicht bemerkt, wie sich der kleine Mann im Bette aufgerichtet und nun schlaftrunken um sich sah. Plötzlich erkannte er aber den Vater und rief in seinen hellsten Jubeltönen:

„Mein Vaterchen! Mein liebes Vaterchen!“





Das Leuchten lebender Wesen.

Von Carus Sterne.
1. Die Phosphorescenz im Pflanzenreiche.

In dunkler Nacht, wenn Stern und Mond nicht glänzen
Umquillt phosphorisch Licht den morschen Baum;
Traun, ihn umwallt von seinen todten Lenzen
Ein leuchtender und schöner Grabestraum.
                                        Anastasius Grün.

Zu den die bewegliche Phantasie des Menschen am stärksten erregenden Naturerscheinungen gehört sicherlich auch die Lichtausstrahlung zahlreicher lebender Wesen, deren Erklärung bis vor wenigen Monaten aller Bemühungen der Naturforscher gespottet hat. Man hat früher wohl angenommen, daß die Lichtentwickelung an todtem Fleisch, gesalzenen Seefischen, faulem Holz u. dergl. m. nicht zu derselben Classe von Erscheinungen gehöre, und durch die Verwesung dieser Stoffe, die ja ein langsamer Verbrennungsproceß ist, bedingt werde, ja daß selbst das Meerwasser nur in Folge der Anhäufung verwesender organischer Materie in ihm leuchte. Allein seit längerer Zeit bereits weiß man, daß auch in diesen Fällen stets lebende Organismen, oft der allerniedersten Organisation, die sich bei der Zersetzung einfinden und sie befördern, die unmittelbaren Ursachen der Lichtentwickelung bilden.

Einen der interessantesten Fälle dieser Art beobachtete Dr. Rüësch in Bern vor vier Jahren. Im April 1877 wurde er nämlich durch einen Schreckensruf, der ihm aus der Vorrathskammer entgegentönte, veranlaßt, nachzusehen, was es gäbe, und er fand sein Dienstmädchen erschrocken vor einer Schüssel stehen, in welcher etwa ein Dutzend durchaus nicht übel riechender, frischer Schweinscotelettes so lebhaft in grünlichem Lichte leuchteten, daß die Gesichter der Umstehenden zu erkennen waren, ja daß er die Bewegung des Secundenzeigers an seiner Taschenuhr verfolgen konnte. Das Mikroskop zeigte als Ursache dieser leuchtenden Erscheinung eine Menge kugelförmiger Bakterien die sich leicht auf anderes rohes Fleisch übertragen ließen und daselbst sich ausbreitende Leuchtflecken bildeten, bis nach einigen Tagen mit eintretender Fäulniß das Licht erlosch.

Der Metzger, aus dessen Laden die Cotelettes geholt worden waren, theilte mit, daß seit mehreren Wochen alle Sorten rohen Fleisches in seinen Verkaufsräumen leuchtend würden, und dieser Spuk dauerte, trotz aller Reinlichkeitsmaßregeln und Desinfectionen, von Ostern bis Pfingsten fort. Aehnliche Erscheinungen sind schon in älterer Zeit öfter beobachtet und zum Grunde abergläubischer Meinungen gemacht, worden; aus der Anatomie in Heidelberg sah man auch einmal die menschlichen Leichen leuchten. Auch hatte schon früher Florian Heller bemerkt, daß es sich um einen kleinen lebenden Organismus handele, der mit der Fäulniß selbst nichts zu thun habe und den er Sacrinoma noctiluca nannte. In allen diesen Fällen sah man, daß mit der beginnenden Fäulniß das Leuchten aufhörte, und schon vor mehreren Jahrhunderten hatte Boyle erkannt, daß Flüssigkeiten, welche lebende Organismen tödten, wie z. B. Weingeist, das Leuchten von todtem Fleische oder todten Seefischen sofort auslöschen. Man sieht also, daß das Leuchten hier mit dem Lebensproceß eines mikroskopischen Wesens zusammenhängt, welches so winzig und so einfach organisiert ist, daß die modernen Forscher es als sogenanntes Urwesen (Protist) betrachten weil sie es weder zu den echten Pflanzen, noch auch zu den niedern Thieren zu stellen wagen.

Sehr viel häufiger beobachtet man gewöhnlich dieselbe Erscheinung an dem morschen Holze abgestorbener Bäume, und der hohe entrindete Stumpf eines solchen mag gar häufig, wie es in einem bekannten Gedichte geschildert wird, furchtsamen Personen als leuchtendes Gespenst erschienen sein und sie in’s Bockshorn gejagt haben. Wie mikroskopische Untersuchungen gezeigt haben, handelt es sich hier ebenfalls nicht um das verwesende Holz, sondern um die Fäden eines Pilzes, des sogenannten Byssus phosphoreus, welcher gleich dem in der Unterlage aller Pilze schmarotzenden Nährgewebe (Mycelium) schimmelartig das morsche und feuchte Zellgewebe des Holzes durchwuchert und ihm seinen Nahrungsstoff entzieht. Die Pilze neigen überhaupt in sehr verschiedenen Formen dazu, ein phosphorisches Licht zu verbreiten und in dumpfigen Brunnen und feuchten Bergwerken sieht man das alte morsche Holz der Zimmerung nicht selten von einem Netz ziemlich derber und fester Pilzstränge bedeckt, die auch, einem Wurzelgeflecht vergleichbar, frei von den Stollen herabhängen und über und über, oder wenigstens an den jüngern Trieben leuchtend, phantastische Vorhänge weben die dieser unterirdischen Räumen das Aussehen verzauberter Gnomenpaläste geben. In manchen Gegenden, wo dieses Leuchten seltener vorkommt, sah der zu allerlei Aberglauben neigende Bergmann, und diesmal nicht ganz ohne Grund, in diesen Lichterscheinungen geheimnißvolle Warnungszeichen des nahenden Einsturzes der Zimmerung, aber an andern Orten sind sie eine alltägliche Erscheinung, und in einigen feuchtwarmen Gruben bei Pilsen soll der Lichtschimmer zuweilen so stark geworden sein, daß man die Grubenlichter auslöschen und dabei arbeiten, ja sogar grobe Druckschrift lesen konnte. Ueber die Eigenart dieses Rhizomorpha subterrana genannten Pilzes ist man noch nicht völlig im Klaren, und es ist behauptet worden, daß sie nur eine Art unfruchtbarer Wucherungen der sonst zu Feuerschwamm verarbeiteten Baumschwämme seien, wie sie in ähnlicher Weise auch unter der loser Rinde absterbender Bäume vorkommen.

Aber nicht blos in der Unterwelt giebt es derartige, dem bloßen Auge sichtbare Glühpilze, sondern auch, wenigstens in wärmeren Ländern, auf der Oberwelt. Im südlichen Frankreich und in den übrigen Mittelmeerländern findet man im Frühjahr und Spätherbst einen auf den Wurzeln der Oliven und anderer Bäume schmarotzenden, meist Gruppen bildenden, rothgelben Hutpilz (Agaricus olearius), dessen blattreiche Unterseite des Nachts, ohne übrigens einen besonderen Geruch zu verbreiten lebhaft phosphorescirt und auch die Finger beim Anfassen leuchtend macht.

Solche phosphorescirende Hutpilze scheinen in den meisten warmen Ländern vorzukommen, und mehrere derselben, wie Agaricus ignarius auf Amboina, A. noctilucens auf Manila, A. limpidus auf Java und A. Gardneri in Brasilien, strahlen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_698.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)