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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Besitzthümer. Auf den üppigen Weiden von Podolien, Wolhynien und der Ukraine tummelten sich unzählige Rinderheerden, die seiner Zeit vielgepriesenen polnischen Ochsen, und jeder Magnat hielt etwas darauf, ein großes Gestüt edler Rosse zu halten, um die ihn noch heute mancher europäische Fürst beneiden würde.

Der Wohnsitz des Edelmanns wurde im Gegensatz zu dem bäuerlichen Gehöfte der „adelige Hof“ genannt. In früherer Zeit zeichnete sich derselbe durch Einfachheit aus, wurde aber später zu einem Abbilde des in Warschau residirenden königlichen Hofes; war doch nach den im Lande üblichen Begriffen der König nur der Erste unter den gleichgestellten Adeligen (primus inter pares), und was später der Dichter Slowacki in einem seiner epischen Gedichte sagte, das fühlte und befolgte man wohl zu August’s des Dritten Zeit:

„Was der König von Polen hat, das kann sich auch der Edelmann leisten.“

Zu der großen Machtentfaltung der einzelnen Magnatenhöfe trugen auch die politischen Verhältnisse des Landes Vieles bei. Die Ukraine, welche der Verfasser von „Schloß Krakau und das letzte Turnier“ so treffend mit dem Namen „das Scheideland“ in’s Deutsche übertrug, lag ja dicht vor dem damaligen Ausfallsthor der asiatischen Horden; sie bildete die erste Station, auf welcher die plündernden und sengenden Tataren, wenn sie gegen Europa aufbrachen, ihre Rast hielten.

So ward jahrein jahraus der Horizont dieses Scheidelandes zwischen der europäischen und asiatischen Welt von der blutigen Lohe brennender Dörfer erhellt, und jahraus jahrein wurden die Einwohner des von der Natur reichgesegneten Landes in ihren Hütten und Höfen von den wilden Reiterschaaren der Mongolen überrumpelt und in den „Jassyr“, in die tatarische Gefangenschaft, getrieben.

Wer sollte da diese äußersten Grenzmarken des Landes hüten? Das sogenannte polnische Kronheer war nicht besonders stark und nicht immer zur Hand, bevor aber das bunte Aufgebot der adeligen Streiter aus allen Woiwodschaften des Königreichs an der Grenze erschien, waren die tatarischen Horden mit ihrer Kriegsbeute längst in der nogaischen Steppe verschwunden. Unter solchen Umständen galt es, an diesen Ostmarken sich selbst zu helfen, und so wurden die adeligen Höfe zu kleinen Burgen, auf welchen stets eine Anzahl waffentüchtiger Männer lag.

Es ist nun leicht begreiflich, daß, je größer der Besitzstand eines Magnaten war, er auch desto mehr schützende Hände bedurfte, und so erwuchsen dort kleine Herren, die ihre eigenen Truppen besaßen, im Kriege mit denselben dem Feinde trotzten, im Frieden aber ihre Mannen nicht selten zu ihren Privatzwecken auf den Landtagen verwendeten.

Bald ahmte auch der reichere Adel Westpolens diese Hofhaltung seiner „Herren Brüder“ im Osten nach, und so wimmelten die adeligen Schlösser von einer Menge kleinerer Beamten, die im Dienste der Magnaten standen. Die arme Adelsclasse, die nur wenige Morgen Land ihr Eigen nannte, lieferte zu diesen Diensten ein unerschöpfliches Contingent, und während der reiche Adelige als Kämmerer oder Truchseß beim Könige fungirte, hatte er in seinem Hause gleichfalls seinen kleinen Kämmerer oder Hofmarschall.

Dieses Personal, welches sich in der Sonne des Reichthums wärmte, wurde noch durch den gemeinen Troß der Kosaken, Haiduken, oder wie diese Leute sonst hießen, verstärkt.

Ging nun ein solcher Herr auf Reisen, so zog wenigstens ein Theil des Hofes in seiner Begleitung mit. Das figurenreiche Bild (S. 677), welches dieser flüchtigen Skizze beigegeben, stellt uns eine solche Herrschaftsreise zur Zeit August’s des Dritten trefflich dar. Die damals modischen sächsischen Trachten zeigen uns freilich nur die Dienstleute; denn die beiden jungen Herren, welche neben dem Wagenschlage reiten, tragen die altpolnische Kleidung, welche der Edelmann allen Modewandlungen zum Trotz niemals ablegte. Wir sehen ferner einen Wagen, den sogenannten Küchen- oder Bagagewagen, und einige Diener der Herrschaft folgen. Der Vorreiter dagegen, mit einer Laterne in der Hand, giebt das Zeichen, daß soeben eine Fuhrt zu passiren sei.

Die großen Herren von Lithauen und Kleinrußland reisten oft mit noch größerem Gefolge. Einem Radziwill, Sapieha, Potocki oder Lubomirski folgten förmliche Wagenkarawanen von Ort zu Ort, und zogen erst die Herren auf den Reichstag oder gar zur Königswahl nach Warschau, so begleitete sie ein förmliches Heer ihrer Clienten und der gewaltige Troß, der für die leiblichen Bedürfnisse eines solchen kleinen Hofes zu sorgen hatte.

Auf diesem gesellschaftlichen Boden mußte das vom Hofe aus gegebene Beispiel der Verschwendung eine unbeschreibbare Nachahmungslust erwecken, und, im fortwährenden Rausche des Genusses befangen, ging Polen unter den Königen aus dem sächsischen Hause mit rascheren Schritten, denn jemals, seinem Untergange entgegen; wir brauchen nicht daran zu erinnern, daß dieser äußere Prunk die tiefsten inneren Schäden überall durchblicken ließ.

Die religiöse Toleranz, deren sich Polen früher rühmen durfte, machte einem religiösen Fanatismus Platz, da der größte Theil des Adels von dem Jesuitenorden mit dem todbringenden Netze der geistigen Stumpfheit umgarnt wurde. Die Verkäuflichkeit der Aemter, das Zerreißen der Reichstage durch den Einspruch eines einzigen Landboten (das berüchtigte liberum veto) wurden zur Regel. Die kriegerische Tüchtigkeit und der staatsmännische Sinn der Nation waren im Erlöschen begriffen, während dem Lande ein Bürgerstand fehlte, um den überlebten Adel als Führer des Volkes zu ersetzen. Außerdem war Polen schon in jener Zeit, bevor es seinen Gegnern auf dem Schlachtfelde erlag, zum Spielball der Intriguen des im Osten heranwachsenden russischen Riesen geworden.

Mit dem Untergang des Reiches verschwand auch die äußere Pracht des Magnatenthums, von dem wir in den vorstehenden Zeilen ein flüchtiges Bild entworfen haben.




Die Wisbyfahrt des Hansischen Geschichtsvereins.

Reisefertig und seetüchtig lag am 23. Juli dieses Jahres der schmucke dänische Dampfer „Heimdal“ in dem Hafen der alten Hansastadt Lübeck vor Anker. Er trug ein prächtiges Festkleid, einen vielfarbigen Flaggenschmuck; denn diesmal galt es nicht, eine prosaische Geschäftsreise zu machen; das Ziel seiner Fahrt bildete vielmehr die einstige Beherrscherin der Ostsee, die halbvergessene Hansastadt Wisby auf Gottland, und die Passagiere, auf die er wartete, waren Künstler, Gelehrte und Schriftsteller, geladene Gäste des Hansischen Geschichtsvereins.

Die von diesem Verein angeregte Idee, unter hanseatischer Flagge eine Fahrt über’s Meer zu den alten deutschen Culturstätten in der Ostsee zu unternehmen, wurde mit Recht von allen Seiten mit aufrichtiger Freude begrüßt. War doch die Aufmerksamkeit der deutschen Leserwelt erst vor nicht langer Zeit durch das vortreffliche, preisgekrönte Werk des Professor Schäfer „König Waldemar und die Hansastädte“ auf die großartigen Städteruinen im Norden gelenkt worden, welche ein beredtes Zeugniß von der Größe der Kämpfe ablegen, die einst der deutsche Kaufmann um die Herrschaft über die Ostsee zu bestehen hatte.

So geschah es auch, daß am 23. Juli mehr Reisegefährten in Lübeck erschienen waren, als man ursprünglich erwartet hatte; es herrschte bei der Einschiffung ein buntes, verworrenes Treiben in den Räumen des „Heimdal“, der die Schaar der Gäste kaum zu beherbergen vermochte. Aber bald legte sich die Aufregung; Jeder hatte sich ein Plätzchen erobert und sich behaglich eingerichtet. Das Comité der Fahrt ging dabei hülfebietend und energisch zugleich vor. Die zahlreichen eisenbeschlagenen Koffer, Kisten und Kasten verschwanden aus dem Gesichtskreis an Deck; es klärte sich die Unordnung; die Hauptsorge um die Ruhe der Nacht war beseitigt, und Jeder erquickte zunächst seinen ermüdeten Körper an der geschmackvoll servirten Tafel unter dem luftigen Sonnenzelt, während sich die Anker aus der Tiefe hoben und das schöne Schiff uns langsam an den traumhaft an uns vorüber gleitenden Uferanlagen die Trave hinuntertrug. Man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 678. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_678.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2022)