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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

sah, wenn dann die Flamme heller aufzuckte und die alterthümlichen Formen und Geräthe der Howand flüchtig erglänzten, oben aber vom Rieddach die alten heidnischen Roßzeichen aus den Rauchwolken gespenstisch herauszuspringen schienen – in solchen Augenblicken hätte ich mich wahrhaftig nicht gewundert, wenn drüben aus der Thür der Dönse ein alter sächsischer Krieger getreten wäre und Speer und Schild an den dunkelglänzenden Balken gehängt hätte. Niemand wird sich dem Zauber der Poesie zu entziehen vermögen, welcher ein solches niederdeutsche Haus und seine uralten historischen Formen umgiebt

Das niederdeutsche Gebiet wird einst ein durchaus anderes Gesicht zeigen – die Haide wird Wälder und Felder tragen lernen; das dunkle Moor wird verschwinden und lachenden grünen Fluren Platz machen; das Plattdeutsch wird trotz der momentanen Belebung durch die Literatur Jahr um Jahr mehr absterben, und so wird einst auch die Zeit kommen, wo die letzte Herdkuhle erlischt, das letzte Rieddach verschwindet – es wäre daher wohl der Mühe und Arbeit werth, wenn in einem umfassenden Werke diesem ältesten Zeugen aus der Geschichte unseres Volkes, dem niederdeutschen Bauernhause, ein wissenschaftliches Denkmal gesetzt würde.




Die Petroleum-Fundstätten Deutschlands.

Die Geschichte des Handels vermag kein anderes Product auszuweisen, welches sich so schnell den Weltmarkt erobert hätte, wie dies mit dem amerikanischen Petroleum der Fall gewesen. Der Siegeszug, den es in den letzten zwanzig Jahren um die Erde hielt, lebt noch frisch in unserer Erinnerung. Auch die Thatsache ist allgemein bekannt, daß die Gewinnung des Erdöls in Amerika von den glänzendsten finanziellen Resultaten begleitet war und der Reinertrag der fünfzehntausend nunmehr im Betrieb befindlichen Bohrbrunnen bald die Summen überflügelte, welche in allen Gold- und Silberminen der nordamerikanischen Republik gewonnen werden. Kein Wunder also, daß man unter dem überwältigenden Eindruck dieser Thatsachen in allen den Ländern, in welchen merkliche Spuren von Petroleum an den Tag traten, hastig nach diesem kostbaren Material zu graben und zu bohren anfing. So entwickelte sich in den letzten Jahren an dem nördlichen Abhange des Karpathengebirges eine ziemlich bedeutende Petroleum-Industrie, und unternehmungslustige Capitalisten zogen selbst an das kaspische Meer, um in der Umgebung von Baku die seit uralter Zeit bekannte und von den parsischen Feueranbetern mit religiösem Cultus umgebenen Erdölquellen auszunutzen und das gewonnene Product, wie dies bereits geschehen, sogar an die Küste der Ostsee zu versenden.

Unter solchen Umständen. darf es uns also nicht wundern, daß vor wenigen Wochen, als in Deutschland die Kunde erscholl, eine Petroleum-Fontaine sprudele lustig in der Nähe von Braunschweig, auch einige deutsche Geldleute starke Anwandlungen des Oelfiebers bekamen und mit dem Ruf „Petroleumland! Petroleumland!“ an die Begründung einer Actiengesellschaft gingen, welche denn auch willige Theilnehmer fand.

Hurtig stiegen die frischgebackenen deutschen Petroleumactien auf der Börse, um von ihrer schwindelnden Höhe jählings unter den ausgegebenen Werth zu sinken und, wie es an der Börse die Sitte, wieder in die Höhe zu gehen. Es erhoben sich inzwischen Beschuldigungen gegen das junge Unternehmen, die bis zu dem Augenblick, wo wir diese Zeile schreiben, noch nicht widerlegt worden sind, und im großen Publicum wurden traurige Erinnerungen aus der unseligen Gründerperiode lebendig.

Aber es kann nicht unsere Aufgabe sein, in diesem Streite mitzureden und über die Oelheimer Actiengeschichte ein entscheidendes Urtheii zu fällen. Vorläufig wollen wir noch abwarten, Thee trinken und dazu – leider! – amerikanisches Petroleum brennen.

Eines steht jedoch bereits heute fest: Was die laute Ermahnungen gelehrter Bergingenieure bisher nicht vermocht haben, das ist in überraschend kurzer Zeit dem Oelheimer Petroleum-Bohrwerk gelungen – es hat die Aufmerksamkeit der großen Masse auf das Vorkommen des Petroleums in Deutschland gewendet und hierdurch das nationale Capital für diesen Industriezweig interessirt. Schon dieser einzige Umstand ist aber, wie wir weiter unten sehen werden, von der größten Bedeutung und sichert hoffentlich dem Oelheimer Unternehme einen nicht unbedeutenden Platz in der künftigen Handels- und Industriegeschichte Deutschlands.

Während nun diese erste allgemein bekannt gewordene deutsche Petroleumquelle an einer anderen Stelle dieser Nummer den Lesern in Bild und Wort vorgeführt wird, haben wir uns in dem vorliegenden Aufsatze die Aufgabe gestellt, die für den Volkswohlstand äußerst wichtige Frage: „Wo kommt das Erdöl in unserem Lande vor?“ vom allgemeinen Standpunkte aus zu beleuchten.

Daß Erdöl in Deutschland zu finden sei, ist durchaus nichts Neues. Die Kenntniß dieser Thatsache läßt sich überhaupt soweit verfolgen, wie unsere geschichtliche Ueberlieferung zurückreicht. Ortsnamen, welche der ältesten Zeit angehöre, wie „Theerberg, Pechgragen, Oelbach, Pechelbronn“ etc. zeugen wohl beredt für die Richtigkeit der Annahme, daß unsern Vorfahren das Vorkommen des Bergtheers und des Erdöls seit vielen Jahrhunderte bekannt war. In späteren Werken finden wir es sogar geschrieben und gedruckt, daß diese Producte all viele Orten gewonnen und zu bestimmten Zwecke verwendet wurden. So quillt z. B. bei Tegernsee in Baiern seit undenklicher Zeit eine Oelquelle aus dem Boden, und die weisen Mönche, unter denen sich bekannter Weise auch die Begründer der Glasmalerei befanden (vergl. Nr. 33), benutzten die schmierige Flüssigkeit als Arzneimittel.

Ueber die älteste der bekannten Fund- und Gewinnungsstätten bei Hänigsen in der Nähe von Burgdorf berichtet dagegen schon Agricola, daß die Dorfbevölkerung Sachsens das Erdöl als Wagenschmiere verwendete, aus demselben Hochzeitsfackeln herstellte und mit dem Bergtheer Holzpfähle bestrich, um diese gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Die ursprüngliche Gewinnung des werthvollen Productes geschah übrigens bis auf die neueste Zeit in einer höchst primitiven Weise. Wo der unmittelbare Oelaustritt versiegte, wurden flache Gruben von 2 bis 4 Meter Tiefe gegraben und aus denselben das Oel, welches mit Wasser vermengt zum Vorschein kam, abgeschöpft; wo dagegen oberflächliche Sandschichten mit Bergtheer durchdrungen waren, grub man in den Sommermonaten die Thonerde und wusch das Oel mit kochendem Wasser aus. So wurden an vielen Orten sogenannte „Theerkuhlen“ hergestellt, welche seit Jahrhunderten ihren Eigenthümern eine spärlichen Segen spendeten. Fast mühelos war die Production, und der sich ergebende Gewinn wurde gern in die Tasche gesteckt, aber an die Hebung und Erweiterung der Industrie dachte man nicht; nur im Elsaß entwickelte sich schon frühzeitig ein regelmäßiger Bergbaubetrieb.

Betrachten wir nun die Gruppirung der deutschen Petroleum- Fundstätten auf der Landkarte, so finden wir, daß in Deutschland vor allem zwei große Petroleumzonen vorhanden sind. Die wichtigste derselben liegt im nordwestlichen Deutschland, und ihre Grenze wird durch eine Linie gekennzeichnet, die von der Stadt Heide in Holstein östlich bis zu der Eider reicht, von dort in südöstlicher, gerader Richtung über Itzehoe, Altona, Lüneburg, Uelzen, Helmstedt bis nach Schöningen hinabsteigt, weiter nach Hildesheim und Wunsdorf läuft und von hier über Nienberg und Stade wiederum die Holsteinische Nordseeküste erreicht. Verbinden wir durch eine Linie die angedeuteten Orte mit einander, so erhalten wir ein ziemlich großes, längliches und gegen den Süden breiter werdendes Gebiet, welches einen Theil der Braunschweigischen, Hannöverischen und Holsteinischen Lande umfaßt und in welchem zahlreiche, von altersher bekannte Petroleum-Fundstätten sich befinden.

Die zweite Zone bildet einen schmalen Strich, welcher im Elsaß fast parallel mit dem Rheinstrome läuft und von Bergzabern bis über Altkirch sich erstreckt.

Außerdem finden sich Spuren von Erdöl bei Tegernsee in Baiern und in den Wettiner Kohlenwerken der Provinz Sachsen.

Als nun in den sechziger Jahren die Erfolge der amerikanischen Production bekannt wurden, lenkte sich die Aufmerksamkeit einiger Fachleute auf die vernachlässigten deutschen Fundstätten, und bald nach der Annexion Hannovers ließ die preußische Regierung in Folge der Vorstellungen des Herrn H. W. Kasten zu Hannover die dortige Erdölgegenden untersuchen. Ein Berliner Geologe stattete bald einen ausführlichen Bericht über den geologischen

Bau der nordwestlichen Petroleumzone ab, und auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_632.jpg&oldid=- (Version vom 10.10.2022)