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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Die Wasserversorgung der schwäbischen Alb.[1]

Ein Culturwerk ist in diesem Sommer vollendet worden, welches in seiner Art einzig dasteht und den berühmtesten Wasserwerken der Welt als ebenbürtig angereiht werden darf. Um es zu schauen, brauchen wir nicht in’s Ausland oder über den Ocean zu fahren; denn es ist auf deutschem Boden entstanden und spendet einem Theile der deutschen Bevölkerung seine Wohltaten.

Wir führen heute unsere Leser in den südlichen Theil Württembergs, auf die schwäbische Alb, welche ihren Namen, mons albus, erhalten hat von „weißen steinen, so auff den äckern an manchen Orten so häuffig allda liegen, daß man kein erden sehen mag“.

1. Hochreservoirs auf der Alb.

Romantisch sind die Thäler der Donauniederung, welche tief in dieses Gebirge von der Südseite her einschneiden; hellgraue Felsen umragen die Ufer der vielfach geschlungenen Albflüsse; grüne Laubwaldungen und zahlreiche Ruinen alter Ritterburgen winken von ihren Rändern dem Wanderer entgegen. Da ist auch manches Wunder der Natur zu schauen, wie der berühmte Blautopf bei Blaubeuren, das merkwürdige Wasserbecken, aus dem der Blaufluß hervorfließt und in welchem die Wasser sich öfters so gewaltig heben und senken, daß, wie die Bevölkerung seit uralter Zeit zu sagen pflegt, der natürliche „Topf siedet“. Verlassen wir aber das schwäbische Unterland und steigen auf die Höhe der Alb, so begreifen wir bald, warum sie die „rauhe“ genannt wurde.

2. Pump-Station der Gruppe II im oberen Filsthale.

Die regelmäßigen Hügelzüge der Hochebene sind nur hier und dort von Waldungen bestanden, zwischen denen sich weite, mit gewürzhaften Pftanzen bewachsene, aber nicht sehr üppige Weiden hinziehen. Das Alpenvieh, welches in Heerden auf denselben graset, ist von Wuchs klein und unansehnlich. Ein Drittel des Gesammtbodens liegt unbebaut da; öde und verlassen erschien daher mit Recht die Alb allen ihren Besuchern. Aber sogar ein ungeübter Beobachter erkennt bald die Ursache dieser trostlosen Erscheinung. Es fehlt den Höhenzügen ein wichtiges Element, welches selbst der düsteren Landschaft des kahlen norwegischen Felsengebirges Leben verleiht: das aus den Spalten und Klüften der Berge hervorsprudelnde Wasser. Wohl ziehen sich Thaleinschnitte meilenweit durch die Alb, aber umsonst späht in denselben unser Auge nach einer rieselnden Quelle mit üppiger grüner Uferbekleidung. Selbst in den Dörfern erblicken wir kein laufendes Brunnenrohr, und dem durstigen Wanderer wird aus einer gemauerten Cisterne schmutziges Regenwasser zum Trunke dargereicht.

Diese auffallende Wasserarmuth der Landschaft wird nun nicht durch Mangel an atmosphärischen Niederschlägen, sondern durch eine eigentümliche Lagerung und Beschaffenheit der Gebirgsschichten bedingt. Auf der Alb regnet es sogar mehr als im Unterlande; aber die spärliche Ackerkrume, welche der Aelbler bebaut, liegt auf Kalk- und Dolomitfelsen, welche durch zahllose Klüfte und Spalten das Meteorwasser in die Tiefe versinken lassen. Schon an der Oberfläche des Bodens bemerkt man hier große, oft zehn Meter tiefe Einsenkungen, die sogenannten „Erdfälle“ oder „Trichter“, in denen kurz nach einem Regenguß mächtige Gebirgsbäche spurlos verschwinden. Erst am Süd- oder am Nordfuß der Alb ergießen sich die gesunkenen Wasser in größeren Quellen, um den Stromgebieten

  1. Anläßlich der Württembergischen Landesgewerbeausstellung zu Stuttgart 1881 hat das württembergische Ministerium des Inneren eine Denkschrift „Die öffentliche Wasserversorgung im Königreich Württemberg unter der Regierung Sr. Majestät des Königs Karl“ herausgegeben, auf welche wir diejenigen, welche das hochentwickelte Wasserversorgungswesen dieses deutschen Staates kennen lernen möchten, ganz besonders aufmerksam machen. Das Werk, auf welches sich die obigen Mittheilungen der Hauptsache nach stützen, ist mit zahlreichen lithographischen Tafeln, die nach den Entwürfen des Oberbaurath Dr. von Ehmann ausgeführt sind, in sehr anschaulicher und gefälliger Form ausgestattet, und auch unsere heutigen Abbildungen sind nach diesen Vorlagen auf Holz übertragen und für die „Gartenlaube“ geschnitten worden.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_612.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)