Seite:Die Gartenlaube (1881) 604.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Virtuose!“ unterbrach ihn Fügend unwillig, „welches Wort, und wie Du es aussprichst! Hab’ ich Dich etwa zum Virtuosen erzogen? In Einem hast Du Recht: ich leugne Dir nicht, daß wirkliche Schaffenskraft Dir fehlen mag. Giebt es aber keine anderen Ziele für Dich als die Composition? Liebtest Du die Musik so, wie Du sagst, dann könntest Du nicht ohne Weiteres hinfahren lassen, was bisher die Angel Deines Lebens schien. Gerade heraus: was Dich abtrünnig macht, ist nichts und aber nichts, als Dem Ehrgeiz. Du magst Dich nicht begnügen, ein Theil des großen Ganzen zu sein, wenn dies auch Deinem. eigenen Bewußtsein das Ideal repräsentirst. Die Mission, dem Großen, was Andere geschaffen, zur herrlichen Entfaltung zu verhelfen, dünkt Dir zu gering für Deine persönlichen Ansprüche. Ob ich das gut heißen kann, steht aber hier nicht in Frage; ich möchte Keinen zu einem Priesteramte überreden, am letzten einen Deines Gleichen“

Er sprang auf und ging, die Hände auf dem Rücken, eiligen Schrittes hin und wieder. Plötzlich stand er vor Siegmund still, der unbeweglich geblieben, und sagte schroff:

„Nachdem Du, so ganz auf Dich gestellt; Deine bisherigen Zukunftspläne aufgegeben, möcht’ ich Dich fragen, ob Du vielleicht schon einen anderen im Sinne hast?“

„Ja.“ sagte der junge Mann; „ich möchte Officier werden.“

„Was?!“ rief Fügen in entrüstetem Tone.

Siegmund erhob sich. Er war bleich geworden; sein geistvolles Auge blickte fest.

„Wollen Sie mich anhören, lieber Meister?“ sagte er mit etwas bewegter. Stimme. „Ich vermuthete wohl, daß Sie zürnen würden; nur deshalb mochte ich nicht voreilig über Gedanken reden, die mir seit langer Zeit im Kopfe herumgehen. Ja! ich bin ehrgeizig, wenn auch nicht in dem Sinne, wie Sie das Wort nehmen, und ich verdiene darum nicht, von Ihnen geringer geachtet zu werden. Nicht um meinetwillen sehne ich mich hoch zu steigen Als ich mich zum ersten Mal von meiner Mutter trennen mußte, habe ich ihr das Gelübde gethan, sie solle dereinst stolz aus mich werden. Und so weit meine Kräfte reichen, soll sie es werden in jedem Sinne! Sie wissen, wie groß meine Mutter denkt. Gleich einer Fürstin steht sie unter den Menschen, und welchen Platz nimmt sie ein? Ich habe, seit ich bei Ihnen lebe, manche Frau gesehen – ihres Gleichen sah ich nicht. Und sie lebt in Abhängigkeit. Wenn Ihr mir das auch nicht sagt, ich weiß es längst. Um meinetwillen, um reichlicher für mich sorgen zu können, hat sie ihre Freiheit aufgegeben; denn besäße sie Freiheit, zu thun oder zu lassen was sie wünscht, dann blieben wir nicht getrennt, wir, die einander über Alles lieben, über Alles auf der Erde. Ich soll nicht mit eigenen Augen sehen, was Alles sie erträgt, vielleicht in Aussicht auf eine Echtheit, das auch wieder mir zu Gute kommen soll. Oder wissen Sie es anders?“

„Ich weiß nichts, am wenigsten, wohin Du mit Alledem hinaus willst,“ sagte Fügen voll mühsam bekämpfter Ungeduld.

„Ja,“ nickte Siegmund gedankenvoll, „wer wagte auch, sie um etwas zu fragen, das sie verschweigen will? Wie oft hingen mir Fragen und Bitten schon auf der Lippe und durfte doch nicht zu Worte kommen! Was hätte es auch geholfen! Ich war und bin ja nichts. Aber die Zukunft ist mein. Ich will und werde ihr den Platz schaffen, der ihr gebührt – das ist mein Ehrgeiz. Und deshalb will ich Officier werden.“

(Fortsetzung folgt.)




Seelöwen.

Ein Thierbild von G. Mützel.

Die Seelöwen[1] und ihre Vettern, die Seebären, gehören zu denjenigen Thieren, die seit lange sprichwörtlich im Volksmunde leben; ihre gerüchtweise bekannt gewordenen Eigenschaften gaben mannigfache Veranlassung zu bildlichen Redensarten, aber wir kannten diese Könige der See eben nur vom Hörensagen, und erst seit einigen Jahren haben wir in Berlin Gelegenheit, uns einerseits von der Richtigkeit der Redensarten „er brüllt“ und „er plantscht (im Wasser) wie ein Seelöwe“ zu überzeugen und andererseits die wohlwollend-schmollende Bezeichnung für nicht ganz leichtumgängliche Freunde „alter Seebär“ als wohlbegründet zu erkennen, eine Bezeichnung, die man bekanntlich an manchen Orten einem tölpelhaft-polternden rasch und gern opponirenden, aber zuletzt doch nachgiebigen gutherzige Menschen anzuhängen liebt. Seit dem Jahre 1878 bewohnt nämlich ein Seelöwe unseren zoologischen Garten und läßt uns seine Brüll-, Schwimm- und Kletterkünste bewundern.

Wie er sich nun hier, in seiner neuen Heimath, unter Director Bodinus’ sorgsamer Obhut benimmt, davon hat die „Gartenlaube“ schon früher (Jahrg. 1876, S. 881) ihren Lesern berichtet; auch hat sie eine Beschreibung der äußeren Erscheinung der Thiere nach den in dem Hamburger zoologischen Garten untergebrachten californischen Seelöwen gegeben. (Vergl. Jahrg. 1875, S. 588.) Unser heutiges Bild zeigt nun Seelöwen in verschiedenen Bewegungen und Körperlage, die sorgfältig gewählt sind, um eine Vorstellung von dem gesellschaftlichen Zusammenleben dieser Thiere in der Freiheit zu geben. Ich kann mich im Hinblick auf jene früheren Schilderungen heute bei der Aufzählung der besonderen Merkmale derselben kurz fassen.

Die Seelöwen gehören bekanntlich zu der Familie der Ohrenrobben, die sich durch das Vorhandensein freier Ohrmuscheln von den beiden andern Familien der großen Ordnung der Robben, den Seehunden und den Walrossen, unterscheidet.

Neben dem Vorhandensein der Ohren ist es, bei der Vergleichung mit dem Seehunde, vorzüglich der abweichende Bau der Füße, der auch dem Laien sofort auffällt, und die ungemeine Beweglichkeit des Seelöwen, die auf ein vom Seehunde ganz verschiedenes Thier schließen lasse. Während bei dem Letzteren die Vorderfüße völlig freie, bis an die starken Krallen dicht behaarte Zehen zeigen, die nur unter einander durch kurze Schwimmhäute verbunden sind, sehen wir an den Ohrenrobben die Zehen des ganzen Vorderfußes, deren erste bei weitem die längste ist, von einer gemeinschaftlich alle bedeckenden schwarzen Haut überwachsen, welche die Zehenstütze weit überragt und auf der man kaum die Spuren der ganz verkümmerten Krallen bemerkt. Der Haarwuchs erstreckt sich wenig über die Mittelhand. Es bilden so die Vorderfüße große dreieckige Flossen. Die Thiere vermögen ihre Hinterfüße nach allen Richtungen hin zu bewegen, sie beim Ruhen unter den Leib zu schlagen und beim Erklettern der Uferfelsen ihrer Wohngebiete als höchst praktische Werkzeuge auf das Ausgiebigste in jeder Weise zu verwenden. Auch an ihnen reichen die Flossenhäute und –Lappen weit über die Zehen hinaus. Ebenso charakteristisch wie die Füße ist bei der Erscheinung des Seelöwen der Hals. Er ragt weit zwischen den Schultern hervor und erscheint, wenn ausgestreckt, schlank und unendlich bewegungsfähig. In der Ruhe jedoch liebt es das Thier, den Kopf bis dicht an die Schultern heranzuziehen Die Halswirbelsäule nimmt dadurch eine schwanenhalsartige Form an, die sich jedoch in den zusammengezogenen mächtigen Speckmassen verbirgt, welche sie um ihre Muskulatur umgeben und eine kolossale faltige Wulst bilden.

Das Ohr, von dem die Familie ihren Namen trägt, bildet eine kleine, walzenförmige Düte, deren Spitze eine Vierteldrehung nach außen macht. Die Ränder, der innere und äußere, liegen dicht auf einander und werden durch das Thier beim Tauchen wasserdicht geschlossen. Die Ohren sind sehr klein, messen beispielsweise bei einem zwei Meter langen Thiere nur drei Zentimeter. Schöne große Augen zieren den Kopf, und ein mächtiger Schnurrbart, von dicken Borsten gebildet, schmückt die Oberlippe; ein gefahrdrohendes Raubthiergebiß bewehrt die kräftigen Kiefer, und kurzes ungeflecktes, graubraunes, an Hals, Bauch und Gliedmaßen schwarzes Haar bedeckt den Körper, welcher in einen kurzen Schwanz endigt.

Die Körpergröße ist sowohl bei den Arten wie auch bei den Geschlechtern verschieden. Während die Männchen der von Steller beobachteten Seelöwe bis zu 5 Meter Länge bei einem Gewicht

von 18 Centnern erreichen, überschreiten andere Arten, sowohl die

  1. Der Name des Seelöwen rührt von der südlichpolaren Art dieser Thiere, der Mähnenrobbe, her. Nicht nur ein helles, gelbbraunes Fell zeichnet dieselben aus, sondern die alten Männchen haben auch wirklich vom Kopfe bis zur Rückenmitte einen breiten mähnenartigen Haarkamm, der jedoch mit der Mähne des Königs der Thiere nur eine äusserst schwache Aehnlichkeit hat.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_604.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2022)