Seite:Die Gartenlaube (1881) 567.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Preis zugesprochen werden muß. Zwischen einem Walde von jungen Fichten und Föhren erhob sich hoch in die Luft ein einfacher Sattelthurm, wie man ihn vielleicht in den von allen großen Verkehrsstraßen abseits liegenden Orten des Flachlandes noch sieht. Das Dach war mit Binsenstroh gedeckt, und ein gravitätisch vor dem Neste stehender Storch hielt dort seine Wacht, während aus dem obersten Fensterlein eine auf einer Stange hängende, mit Blumen und Bändern verzierte Schleifkanne als Handwerkszeichen herauslugte; die Façade endlich zeigte das Bild der Schützenliesl, eines drallen, auf einem in den Wolken rollenden Bierfasse dahintanzenden und dabei Bier und Rettige servirenden Landmädchens; als Kopfbedeckung dient der gluthäugigen Schönen eine Scheibe und ihre ganze Haltung ist so keck, so verführerisch, daß alte und junge Sünder unmöglich anders konnten, als für die Liesl schwärmen. Das genial ausgeführte Bild entstammt dem Atelier unseres berühmten Landsmannes Fritz August Kaulbach, welchem auch am letzte Tage vor Abbruch der „Schützenliesl“ eine Ovation dargebracht wurde.

Der ganze Festplatz stellte sich den Blicken der Besucher überhaupt in einer so günstigen Weise dar, daß wohl Keiner denselben betrat, ohne seiner freudigen Uebeeraschung Ausdruck zu geben. Unter solchen Auspicien konnte man dem Beginne des Festes getrost entgegen sehen; zumal die Leitung des Ganzen in bewährten Händen von Bürgern und Künstlern lag. Als erster Präsident fungirte der Erzgießer und Bildhauer Ferd. von Miller, als Stellvertreter der Großbräuer Gabriel Ledelmayer; das Ehrenpräsidium hatte Prinz Ludwig von Baiern übernommen, und hat derselbe sein Amt in liebenswürdigster Weise und mit großer Ausdauer versehen; er war bei allen Festlichkeiten zugegen und bewährte sich auch als eifriger und vortrefflicher Schütze.

Sofort nach dem Eintreffen des Zuges in dieser improvisirten kleinen Schützenstadt nahm in der Halle das Festbankett seinen Anfang, an welchem sich über zweitausend Personen betheiligten. Begeisterte Reden würzten das frohe Mahl; Prinz Ludwig selbst begrüßte die Gäste mit warmen Worten, und mancher seiner Sätze erntete stürmisches Bravo. Mittlerweile hatte das Schießen begonnen, und mitrailleusenartig krachten die Büchsen von den Ständen her; gegen Abend wurden die ersten Becher vertheilt; der erste Sieger war auch in München der bekannte Schütze Heinr. Knecht aus St. Gallen.

Auf dem Festplatze aber wogten Tausende durch einander, welche gekommen waren, die Herrlichkeiten zu besehen und mit den Gästen fröhlich zu sein. In den Wirthsbuden war bald kein Platz, kein Krug mehr aufzutreiben; überall tönte Musik, Gesang und fröhliches Jauchzen; man lagerte sich in Gruppen auf dem Grasboden, und das herrliche Wetter gestattete, das Gelage bis nach Mitternacht auszudehnen; elektrisches Licht goß über die Scene den Zauber einer Vollmondsnacht, und ohne nach der raschen Flucht der Stunden zu fragen, sang, trank und tanzte das glückliche Völklein weiter.

Der nächste Abend vereinigte die Gäste zum Festball in der Halle, und ein reicher Flor von Damen verherrlichte die der leichtfüßigen Terpsichore geweihten Stunden; wohl drückte eine Glühhitze auf die wogende Menge, allein wann hätte dies den Eifer tanzlustiger Paare zu dämpfen vermocht? – Die am Dienstag veranstaltete Herrenkneipe wurde durch ein launiges Festspiel „Die Enthüllung des Monumentes Münchhausen’s“ eingeleitet, und am Nachmittag dieses Tages war zur Belustigung des Volkes, alter Sitte zufolge, „ein Ochsenbraten“ in Scene gesetzt worden; unter Anwendung einer eigens hierzu construirten Vorrichtung gelang es denn auch, einen ganzen Ochsen kunstgerecht am Spieße zu braten, und in kurzer Zeit war derselbe von den appetitreichen Zuschauern bis auf die Knochen verspeist.

Am stärksten war der Festplatz am Freitag Abend besucht, an welchem Tage die Monstre-Musikaufführung – sechs Militärcapellen mit 250 Mann – unter Direction des königlichen Obermusikmeisters Hüne stattfand; man hat die Menge der Anwesenden auf 90,000 bis 100,000 Personen geschätzt. In Bezug auf die Tonwirkung hat dieses Concert den Erwartungen nicht ganz entsprochen, aber hinsichtlich der musikalischen Leistung erfuhr es einstimmiges Lob; denn trotz der Masse Mitwirkender gelang es doch, ein Ensemble zu erzielen, das auch die feinsten Nüancirungen zur Geltung brachte. Ein dem Münchener ungewohntes Schauspiel bot die an diesem Tage von dem in Norddeutschland wohlbekannten Aëronauten Securius unternommene Luftschifffahrt.

Der Sonnabend zeigte sich endlich dem schon früher geplanten Unternehmen eines Ausfluges an den Starnbergersee günstig. Ein Extrazug brachte die etwa 800 Köpfe zählenden Theilnehmer nach Starnberg, wo der festlich geschmückte Salondampfer schon ihrer Aufnahme harrte. Die Villenbesitzer längs des westlichen Ufers hatten zum feierlichen Empfang beflaggt, und von allen Häuschen her wehten den Gästen Grüße entgegen. In Possenhofen wurde ausgestiegen; durch den herrlichen Park wanderte man nach Feldaffing, um dort ein Frühstück einzunehmen, und dann ging es fort nach dem eigentlichen Ziele, dem reizend gelegenen Tutzingkeller. Die wackern Tutzinger hatten Alles aufgeboten, ihre Gäste zu ehren; es waren Triumphpforten errichtet, eine geschmückte Rednerbühne aufgestellt, ein Feuerwerk und eine Beleuchtung vorgesehen, kurz Alles bedacht, was sich bei einem Kellerfeste arrangiren läßt.

Endlich brach der letzte Tag an, der den kunstfertigen Schützen die Gaben Fortuna’s bringen sollte. Es waren in der That herliche Preise, welche im Gabentempel aufgeschichtet lagen; denn die Städte, die Fürsten und Private hatten gewetteifert, denselben reichlich auszustatten – da funkelte es von goldenen und silbernen Pokalen, von Bechern und Uhren und anderen Kleinodien. Der kostbarste auf 4000 Mark Werth geschätzte Preis, ein silberner Hirsch mit einem Thurm auf dem Rücken, ward einem Landshuter Bürger zu Theil; berechtigt hierzu waren drei Schützen – das Loos entschied für den Glücklichen. Abends erstrahlte zum Abschiede die nächst dem Schießplatze gelegene Bavaria in der herrlichsten Beleuchtung; ein grandioses Feuerwerk entzückte die Menge – und dann hatte das siebente deutsche Bundesschießen – eines der gelungensten seiner Art – sein Ende erreicht. Ueber den Verlauf desselben herrscht nur eine Stimme: die Münchener haben gethan, was menschenmöglich war, und der Himmel hat mit Sonnenschein und freundlichem Wetter seinen Segen dazu gegeben.




Blätter und Blüthen.


Eine schreckliche Eisenbahnfahrt. Nach des Tages Last und Mühen versammelten wir uns des Abends um das lodernde Prairiefeuer, um welches wir unsere Wigwams errichtet hatten. Der Platz war zwischen zwei ehemaligen Ansiedlungen, Boonesville und Julesburg gelegen, welche alsdann beide verlassen sind und erst durch die Vollendung der Union- Pacific-Bahn wieder aufblüheten. Unser Camp war in der Nähe einer ganz kleinen unbedeutenden Station der Union-Pacific-Bahn, deren Name mir sogar wieder entfallen ist, die aber nur deshalb errichtet worden war, weil sich auf diesem Punkte täglich die von Osten nach Westen und umgekehrt gehenden Züge kreuzten. Dieser Umstand war Veranlassung, daß wir häufig Besuch von den Maschinenführern erhielten, denen wir eine Menge anregender Erzählungen aus dem Eisenbahnleben im fernen Westen verdankten. Eine dieser Erzählungen gebe ich in den folgenden Zeilen wieder, weil sie eine Art von Gefahren betrifft, die man in Europa kaum kennt.

James Mc. Barron, ein Mann von etwa fünfzig Jahren, Maschinist der Union-Pacific-Eisenbahn erzählte uns eines Abends wie folgt:

Als junger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren war ich Locomotivführer auf der Buffalo-, Corry- und Pittsburg-Eisenbahn, welche bei Brocton Junction im Staate Pennsylvanien die Lake-Shore-Bahn kreuzt und dann direct in die Oelregionen Pennsylvaniens führt. Von Mayville Summit bis Brocton Junction beträgt die Entfernung in der Luftlinie kaum zehn Meilen, aber, da die Bahn zahlreiche Curven beschreibt, so ist die richtige Entfernung vierzehn Meilen; die Steigung ist nahe an 15 Meter pro Kilometer.

Im Jahre 1869 wurden mit der Corry-Bahn ungeheure Massen von Petroleum verfrachtet, und in der Nacht vom 17. August 1869 war ich mit einem Lastzuge von einem Pferdewagen und sechs mit Petroleum gefüllten Oelwagen unterwegs bei Summit. Diese Oelwagen sind große eiserne Kasten, sogenannte Tanks, in welche das Oel hineingepumpt wird, wie es noch heute vielfach in den Pennsylvanischen Oelregionen geschieht. Der Pferdewagen war direct hinter dem Tender der Locomotive, und ich hatte den Zug in Bewegung gesetzt, der auch schon rasch ging, als ich zu meinem Schrecken bemerkte, daß aus einem der Oelwagen Flammen aufschlugen.

Sofort gab ich das Signal zum Bremsen, und es gelang, die Oelwagen von dem Pferdewagen zu entkuppeln.

Dann fuhr ich mit Locomotive, Tender und Pferdewagen unter einem Dampfdrucke die Steigung hinab, welchen die Maschine bisher noch nicht gekannt hatte, um nur außer dem Bereich der brennenden Wagen zu kommen und den Pferdewagen zu retten, in welchem sich zwei werthvolle Rennpferde mit ihren Aufsehern befanden. Natürlich dachte ich, daß die

Bremser die Bremsapparate an den Oelwagen angezogen hätten, aber in

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_567.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)