Seite:Die Gartenlaube (1881) 561.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Auch eine „Wahlwühlerei“.
Nach seinem Gemälde auf Holz gezeichnet von Karl Kronberger


Der Kreisrichter ist „ein Mann, der fünf oder sechs Bücher gelesen hat und daher ein wenig den Freigeist spielt, im Baßton spricht, wobei er die Worte in die Länge zieht und gleichsam gurgelt und röchelt wie eine alte Wanduhr, welche pfeift und zischst bevor sie schlägt“.

Der Hospitalinspector ist „sehr dick, schwerfällig und linkisch, dabei aber ein durchtriebener, abgefeimter Gauner“.

Diese Bande nun stiehlt und raubt gemeinsam im Namen des Gesetzes, und wenn es noth thut, so denuncirt auch einer den andern. Und da kommt eines Tages ein nichtsnutziges Subject, Namens Chlestakow, ein ausgemachter Vagabund mit äußerlich feinen Manieren und anspruchsvollem Wesen, in die entlegene Stadt. Man vermuthet in ihm einen „Revisor“; alle Beamten bekennen ihm in ihrer Angst der Reihe nach ihre Schurkenstreiche, indem sie ihn zugleich durch Bestechung zum Schweigen zu veranlassen suchen Der Schulrector leiht ihm dreihundert, der Hospitalverwalter vierhundert Rubel, und der Gouverneur winselt:

„Geruhen Sie doch selbst zu urtheilen! Der Gehalt reicht nicht einmal hin für Thee und Zucker. Und habe ich auch einige Geschenke nicht zurückgewiesen, so handelt es sich doch nur um ganz unbedeutende Kleinigkeiten, etwas für den Tisch oder vielleicht so ein paar Anzüge.“

Am andern Morgen ist Chlestakow aus der Stadt verschwunden, der wirkliche „Revisor“ aber ist soeben eingetroffen, und ein Gensd’arm erscheint bei dem Gouverneur, um ihm zu melden:

„Sie werden ersucht, sich sofort zu dem Herrn Revisor zu verfügen, der vor einer Stunde in außerordentlicher Mission aus Petersburg angekommen und im Hotel abgestiegen ist.“

Dieses merkwürdige Stück ward von der Censur sonderbarer Weise durchgelassen, und das Volk jubelte dazu seinen ungestümsten Beifall; denn es sah zum ersten Male, wie auch seine Peiniger die züchtigende Ruthe erreicht hatte.

Gleichen Erfolg hatte das in Rom begonnene satirische Sittenbild die „Todten Seelen“, welches der Dichter selbst als sein gelungenstes Werk bezeichnete.

Von zehn zu zehn Jahren mußten in den Tagen der Leibeigenschaft alle steuerpflichtigen Individuen in Rußland gezählt werden. Wenn innerhalb einer solchen Zählungsperiode Leibeigene gestorben, so zahlte der Gutsbesitzer bis zum Ablaufe derselben die Steuer für sie fort, während die inzwischen geborenen Kinder nicht gezählt wurden und steuerfrei blieben. Nebstbei hatte der Gutsbesitzer das Recht, seine Leibeigenen bei der Bank zu verpfänden; er erhielt für jede männliche „Seele“ dreihundert Rubel. Collegienrath Tschitschagow, der Held des Romans, geht nun darauf aus, diese beiden gesetzlichen Einrichtungen für sich auszubeuten;

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_561.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)