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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Leidenschaft und bemühte sich, seinem zarten Pfleglinge dasselbe Vergnügen zu bereiten. Seine mit starken Einschnitten versehenen Ohrläppchen dienten als Taschen für die zolllange blecherne Tabaksdose, und Baby ruhte nicht, bis es die Dose erhascht hatte und nieste, bis es Krämpfe bekam.

Eines Abends fuhr das männliche Kindermädchen den Kleinen im Garten umher. In banger Ahnung, daß Tom einen dummen Streich ausführen werde, eilte Frau Barker dem Wagen nach, und siehe da, der schwarze Unhold war auf einen Baum geklettert, hatte ein junges Vögelchen aus dem Neste genommen und es dem Kinde in die Hand gegeben. Dieses hatte das zappelnde Thierchen denn auch sofort in den Mund gesteckt und war eben im Begriff, es mit seinen spitzen Zähnen übel zuzurichten, als Lady Barker herbeikam und der Scene ein Ende machte.

Nach langem Suchen ward endlich eine passende Stellvertreterin für Tom gefunden. Malia, das ist Maria (die Kaffern können das „r“ nicht aussprechen), wird als ein wißbegieriges Wesen geschildert. Sie sprach und las Englisch, Holländisch und Kaffrisch ziemlich geläufig, obwohl ihr manche Buchstaben die Aussprache sehr erschwerten. Auch benutzte sie jeden freien Augenblick, um zu schreiben. „Das arme Ding ist so eifrig, etwas zu lernen, daß sie jede Gelegenheit dazu ergreift. Während ich sitze und mir die Haare kämme oder mir die Stiefel zuschnüre, kniet sie neben mir nieder, zieht ihr Buch aus der Tasche und fragt im schmeichelndsten Tone: ‚Darf ich Inkosa-Casa etwas vorlesen?‘ Wer sollte das Herz haben, Nein zu sagen!“

Malia war Christin und strahlte vor Freude, wenn sie Sonntags im turbanartigen himmelblauem Kopftuche, sauberer weißer Schürze und recht kurzem und weitem blaßrothem Kattunkleide nach Maritzburg zur Kirche gehen durfte.

Lady Barker äußert sich unter Anderen über die Zulus wie folgt:

„Je mehr ich die Kaffern kennen lerne, je mehr schätze und liebe ich sie. Man nennt sie unzuverlässig, aber ich finde sie nur heiter, gutwillig, folgsam und höflich. Jeder Kuhhirt auf der Weide wünscht mir einen ‚sako bono‘ (‚Guten Morgen‘), wenn er mir bei meinen Streifzügen nach Farrnkräutern oder Grassamenrispen am frühen Morgen begegnet, und aus der Küche und vom Stalle herauf höre ich unaufhörliches Lachen. Freilich hält man dieses Lachen für Faulheit, aber ich gewinne es nicht über mich, immer hinzugehen und die Leute an ihre Pflicht zu erinnern, wie ich vielleicht sollte. Uebrigens ist ihre Fröhlichkeit ganz anderer Art, als die meiner alten Freunde, der westindischen Neger, die fortwährend schwatzen und lachen. Die Kaffern tragen öffentlich die größte Ernsthaftigkeit zur Schau und sind nicht leicht zu einer Aeußerung des Erstaunens oder der Freude zu bringen; in ihren Häusern, den Kraals, dagegen sind sie ein lustiges, geselliges Völkchen.“

Unsere Lady schildert verschiedene dieser Kraals. Besuchen wir in ihrer Gesellschaft einen solchen!

„Viel zu sehen gab es nicht. Er bestand aus etwa zwanzig großen bequemen, bienenkorbartigen Hütten, die halbmondförmig aufgestellt waren. Die größte, die in der Mitte stand, gehörte Mazimbulu, dem Häuptling, und vor ihr hockte auf den Fersen seine neueste Frau und schnitt Kürbisse in kleine Stücke, um eine Art Suppe, „Scoff“ genannt, daraus zu kochen. „Ich glaube, diese junge Madame Mazimbulu war die hübscheste und zugleich unfreundlichste Kaffernfrau, die mir je vorgekommen,“ berichtet Lady Barker, „sie trug schöne Ketten und andern Tand; ihre Frisur war kunstvoll geordnet und roth gefärbt; ihre Decke, sowie ihr Rock waren bunt, neu und warm, und doch sah sie aus wie das leibhaftige Bild schlechter Laune.“

Auf der äußersten Spitze von Mazimbulu’s Hütte befand sich ein vollständiges Raritätenlager von Gegenständen, die als Zaubermittel zur Abwehr des Blitzes gelten: alte Wurfspießspitzen, Muscheln, der zerbrochene Henkel eines Porcellankruges, ein bunt angestrichenes Stückchen von einem Kinderspielzeug etc. Alles, was den Kaffern unbekannt ist oder geheimnißvoll vorkommt, muß ein Wetterzauber sein. Blitzableiter würden sie unter keiner Bedingung brauchen; denn sie erklärten triumphirend, daß unsere Häuser, trotz aller Feuerdrähte, viel öfter vom Blitz getroffen würden, als ihre Hütten.

Ein Zufall ließ unsere Lady zwei Kaffern-Hochzeiten kurz nach einander beobachten. Die Extreme roher Barbarei und der Flitter der Civilisation begegneten sich.

„Es war an einem sonnigen, hellen Wintermorgen, als die Hochzeitsgesellschaft aus der Kirche kam; sie ordnete sich paarweise und zog in Procession die sehr staubige Straße hinab. Das Brautpaar war von einer Menge theilnehmender und einer noch größeren Menge mehr oder weniger spottlustiger Zuschauer begleitet – aber nichts konnte die ernste Würde der Braut und des Bräutigams stören, die mit glückstrahlenden Gesichtern an der Spitze des Zuges einherschritten. Uniformen waren streng ausgeschlossen. Der Bräutigam und seine Freunde – offenbar stolz darauf, ihre verschiedenartigen rothen Militärröcke bei Seite gelegt zu haben – waren in fertig gekaufte Anzüge von grauem Sommerstoff gekleidet, in dem sie unbeschreiblich komisch aussahen. Zu ihrer größten Unbequemlichkeit hatten sie sogar Stiefel an. Auf ihren kunstvoll gekämmten Wollschädeln trugen sie, mehr oder minder unternehmend, weiße, weiche Filzhüte.

Die Braut schritt mit kaffrischem Anstand und Grazie in ihrem weißen Kleide dahin, dessen Schleppe sie im Staube nachzog. Ein Tüllschleier, den sie über einem Kranze von Orangenblüthen trug, hing bis zur Erde. Es hielt schwer, zu glauben, daß wahrscheinlich vor Kurzem noch ein Sack oder ein grobes Stück Zeug ihre einzige Bekleidung gewesen. Sie trug ihren Anzug, der schneeweiß und nach der neuesten Mode gemacht war, als sei sie ihr Leben lang nicht anders als in langen Kleidern gegangen, und hielt ihren Kopf, als wäre er nie mit rother Erde oder mit einem schweren Korbe voll Mealies in Berührung gekommen. Ihre Züge konnte ich nicht deutlich erkennen, aber Gesicht, Hals und Arme waren schwarz wie Ebenholz, was von den weißen Mousselingarnirungen und Falbeln noch mehr hervorgehoben wurde. Hinter dem Brautpaare folgte ein halbes Dutzend ebenfalls weiß gekleideter Jungfrauen, die mit vielen prachtvollen blauen Schleifen geschmückt waren. Jedes dieser Mädchen wurde von einem Brautführer geleitet. Die Nachhut, die aus geladenen Gästen bestand, war in bunten Kattun und farbige Röcke gekleidet. – Jeder und Jede von der Gesellschaft schien aber ganz außerordentlich zufrieden mit sich selber. Ich verlor den Zug in den Staubwolken, die er aufwirbelte, bald aus dem Gesichte.“

Diese erste civilisirte Hochzeit machte unter den Kaffern in Maritzburg großes Aufsehen. Aber noch lebhafteres Interesse nahm Lady Barker an einer echten Kaffernhochzeit.

Da kamen sie – voran ein Trupp robuster Krieger, in Thierfelle gekleidet und mit ungeheuren Federbüschen auf dem Kopfe. Ihre geschmeidigen, sehnigen Körper glänzten wie Ebenholz, als sie schnell vorübereilten, nicht so schnell indessen, daß sie sich nicht zu der Höflichkeit eines Grußes Zeit genommen hätten. „Inkosi!“ riefen sie, indem sie Schild und Speer erhoben. Dies war die Avantgarde, die Blüthe der Kaffern-Cavaliere, welche die Tochter eines Häuptlings nach dem Kraal jenseits der Berge begleitete, der ihre neue Heimath werden soll. Sie betrachten es als einen Ehrenpunkt, so schnell wie möglich zu laufen; denn sie geben dadurch für die ganze Procession den Tact an. Nach ihnen kamen die männlichen Verwandten der Braut; ein buntscheckiger Haufen, der sehr zahlreich war, aber in stolzer Haltung weit hinter den Kriegern zurückblieb. Auch ihr Anzug war ein elendes Gemisch, ein Mittelding zwischen Kleidern und Nacktheit. Aber Alle trugen Schnupftabaksdosen aus jedem erdenklichen Material in den Ohren.

Dann folgte ein größerer und würdiger aussehender Trupp von Männern, welche sämmtlich Ringe, das Zeichen der Wohlhabenheit, auf dem Kopfe trugen. Sie hatten Alle nackte Beine, um den Oberkörper aber bunte wollene Decken geschlagen. Die Braut war ein hübsches großes Mädchen und ihr Gesichtsausdruck, trotz ihres ermüdeten und abgehetzten Aussehens, ein angenehmer. Bekleidet war sie nur mit einem Streifen groben braunen Zeuges, den sie anmuthig und decent um den Leib geschlagen hatte, der aber ihre schlanken, schön geformten Beine zum Laufen frei ließ. Ihr Gesicht war an Stirn und Wangen mit rother Erde bemalt und ihr Haar roth gefärbt.

Die Liebe hat bei den Kaffern mit der ehelichen Verbindung selten etwas zu thun. Wir wissen, daß in Südafrika das Loos der Frauen nur ein schweres Joch ehelicher Sclaverei ist. Aber nicht alle Kaffernfrauen haben es zu tragen. Die Isniyangas oder Hexensucherinnen nehmen eine Ausnahmestellung ein. Sie sind die Priesterinnen des Aberglaubens, die Aerzte der Kaffern und besitzen alle Rechte der Männer; sie tragen Waffen, gehen auf die Jagd und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_535.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)