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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Winter von acht Uhr Vormittags an bis Abends neun Uhr. Ob und unter welchen Bedingungen die Möglichkeit des Verkehrs auch während der Nacht gewährt werden soll, darüber hat sich das Reichspostamt spätere Bestimmungen vorbehalten.

Da die großstädtischen Fernsprechnetze des deutschen Reichs sich noch in vollem Flusse der ersten Entwickelung befinden, so würden statistische Angaben über ihren augenblicklichen Umfang verfrüht sein und keinerlei zuverlässigen Maßstab für ihre Bedeutung bieten. Es mag deshalb schließlich nur noch darauf hingewiesen werden, daß sie nicht nur den geschäftlichen Verkehr der Großstadt zu erleichtern, sondern auch ihr gesellschaftliches Leben ungemein zu schmücken und zu verschönern geeignet sind. Wenn hier vorzugsweise der erstere Gesichtspunkt berücksichtigt wurde, so geschah es aus dem einfachen Grunde, weil der verhältnißmäßig hohe Abonnementspreis einstweilen nur sehr reichen Leuten gestattet, auch in letzterer Beziehung die neue Einrichtung zu verwerthen. Indessen kann es keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, daß weitere Verbesserungen des großstädtischen Fernsprechbetriebes ihn auch billiger machen und damit auch größeren Kreisen den Genuß seiner Vortheile zuwenden werden. In der vielleicht letzten Arbeit, welche der allzu früh verewigte und vielbeklagte Max Maria von Weber durch deutsche Blätter veröffentlichte, schilderte er mit liebenswürdiger Laune eine Scene aus dem Leben einer amerikanischen Hausfrau, die, früh morgens in ihrem Boudoir durch einen lieben Besuch überrascht, sofort telephonisch ihren abwesenden Gatten benachrichtigt, Mittagsgäste einladet, beim Fleischer, Gärtner, Conditor, Weinhändler ein leckeres Mahl bestellt, für einen Nachmittagsausflug einen Dampfer miethet, dem Verwalter ihrer ländlichen Villa für ein abendliches Gartenfest die nöthigen Befehle ertheilt, kurzum innerhalb einer halben Stunde nicht nur ein glänzendes Festprogramm entwirft, sondern sich auch durch sofortige Rückantworten seiner pünktlichen Ausführung versichert. Es kann ruhig dahingestellt bleiben, ob der geniale Techniker hierbei schon wirkliche Zustände schilderte oder nur mit lebhafter Phantasie ein buntes Gewebe entwarf, dessen besten Theil erst die Zukunft spinnen wird; soviel ist sicher, daß er keine unmögliche Utopie schilderte. Die Zeit wird kommen in welcher zum Comfort jedes großstädtischen Hauses ebenso die Telephonleitung gehört, wie jetzt die Gas- und Wasserleitung; dafür bürgt, wenn nichts anderes, so doch der rast- und ruhelos vorwärts stürmende Entdecker- und Erfindergeist des modernen Menschen, von welchem im Eingange dieser Zeilen gesprochen wurde.




Frauen als Entdeckungsreisende und Geographen.

III.[1]
Lady Barker, Leben einer Hausfrau in Südafrika.

Lady Barker gehört zu der großen Zahl jener englischen Damen, welche, in Folge der amtlichen Stellung ihrer Männer, Gelegenheit haben, die außereuropäischen Besitzungen Englands aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Sie ist ein Urbild einer kosmopolitischen Engländerin in des Wortes bestem Sinne. Sie hat als Kind sich in den Wäldern und Fluren Jamaicas herumgetummelt, später am Fuß des Himalaja gewohnt, über ihr liebes Neuseeland ein sehr beifällig aufgenommenes Buch („Stationsleben in Neuseeland“) verfaßt und plaudert mit so viel Offenheit und herzlicher Lust von ihrem „Zigeunerleben“, ihrem fleißigen Schaffen in Küche und Kinderstube wie von den wunderbaren Eindrücken des noch so wenig bekannten fremden Landes, daß man ihr gern lauscht. Wohin sie kam, schaute Lady Barker offenen Auges um sich, beurtheilte die fremdartigen Eindrücke sehr sachgemäß und gab dieselben in anschaulichster Weise wieder.

In ihrem letzten Werke „Ein Jahr aus dem Leben einer Hausfrau in Südafrika“ gewährt die echt englische Hausfrau oft sehr ergötzliche Einblicke in das Haus-, Gesellschafts- und Naturleben des „schönen Natal“.

Die Schilderungen der Lady bieten ein eigenartiges Bild von dem sonst stillen Lande, das seit wenigen Jahren von blutigen Kriegen bald mit Zulus, bald mit Basutos, bald mit Boers heimgesucht wird.

Nach schwieriger Landung bei furchtbar brandender See betritt Lady Barker mit ihren beiden Knaben, deren einer noch ein ganz kleines Baby ist, Natal. Es ist November, in jenem Lande ein herrlicher Frühlingsmonat nach entsetzlich trockenem Winter voll unendlichen rothen Staubes. Die Natur prangt in Blüthenschmelz, im Saftgrün der hochgrasigen Matten, die sich über sanftwelliges Gelände hinziehen. Nur Eins vermißt man, ehe man die fernen Drakensberge, das heißt die hohen Felsstirnen der westlichen Hochlandmasse des afrikanischen Innern, berührt – den Wald. Einzig die aus Australien eingeführten, schnell aufschießenden, aber schmächtig und prosaisch sich ausnehmenden Blaugummibäume sieht man in häufigen Gruppen gepflanzt, ferner wohl noch einige niedrige Eschen wie in ihrem Schutz und an den Flußufern tief herniederhängende Trauerweiden. Die im Binnenlande auf mäßiger Hochstufe gelegene Hauptstadt Maritzburg macht den Eindruck einer (bis auf die auctionsartig abgehaltenen Wochenmärkte) geschäftsstillen Kleinstadt.

Ein ziemlich ärmlicher Haufen von Häusern, jetzt etwas über vierzig Jahre alt, besteht sie aus wenigen breiten, geraden, mit Gras bewachsenen Straßen, die nur aus der Entfernung und weil sie an beiden Seiten von Bäumen beschattet sind, sich malerisch ausnehmen. Maritzburg hat nicht ein einziges hübsches Gebäude, aber die fast öden, wie im Halbdunkel liegenden Straßen gewinnen dennoch ein gewisses eigenthümliches Interesse und ein belebtes Ansehen durch die vielen Gruppen von Kaffern und Lastwagen, welche auf Fracht nach dem Innern des Landes warten. Im Winter ist dieser Verkehr beinahe ganz unterbrochen; denn man hat kein Gras für die Ochsen; jetzt sind die knarrenden Wagen wieder da, gewichtige Fortbewegungsmaschinen, von je zwanzig Ochsen gezogen, deren Magerkeit es räthselhaft erscheinen läßt, wie sie im Stande sind, ihre weitgeschwungenen Hörner aufrecht zu tragen, und deren Halsstarrigkeit und Stupidität in der Naturgeschichte des Hornviehs nicht ihresgleichen hat. Vor ihnen her geht der Kaffer, der sogenannte „Vorläufer“.

Die Kaffern machen den Eindruck eines schönen Menschenschlags. Sie gehen mit aufrecht getragenem Körper und leichten Schritten, aber in der trägen, bequemen Weise der Wilden „Ich habe die Schwarzen,“ erzählt Lady Barker, „in vier verschiedenen Welttheilen gesehen, habe aber nicht ein einziges Individuum gefunden, das sich aus eigenem freiem Antriebe schnell bewegt hätte. Indessen darf man nicht aus den Augen lassen, daß es für den Kaffer ein ganz neuer und zugleich revolutionärer Gedanke ist, überhaupt irgend eine Arbeit verrichten zu sollen. Die Arbeit ist für die Frauen – für den Mann nur der Krieg oder das Nichtsthun. Demgemäß geht sein ganzes Bestreben dahin, so wenig wie möglich zu arbeiten, und keinem Kaffer fällt es ein, nur noch die Hand zu rühren, sobald er Geld genug verdient hat, die nöthige Anzahl von menschlichen Lastthieren, von Frauen, zu kaufen, die für ihn arbeiten. Ein Kaffernweib ist stolz darauf, wenn es viel gekostet hat, und denkt in dieser Beziehung mit einem gewissen geringschätzenden Bedauern an seine weißen Schwestern, die oft nur mittelst reicher Mitgift Männer bekommen.“

Lady Barker, welche mit zwei noch sehr kleinen Kindern nach Maritzburg kam, hatte nur eine französische Köchin und einen französischen Diener mitgebracht. Alle andern Arbeiten mußten von Kaffern verrichtet werden; daher trugen Kutscher und Stallknecht, Küchenjunge, Jungfer und der sogenannte nurse-boy, das männliche Kindermädchen, die „schattige Livrée der heißen Sonne“. Es war nicht leicht diese dienstbaren Geister zu beherrschen. Die gutmüthigen Menschen waren alle langsam, träge und ungeschickt, und oft klagten sie: „O, warum ist die Inkosa-Casa (die Frau des Herrn) mit ihren beiden Picanninies (Kindern) und ihrem Gefolge in unser Land gekommen!“

Der Kobold und böse Geist des Hauswesens der Lady Barker war indeß das männliche Kindermädchen, der nurse-boy Tom. Diesen hergelaufenen Kaffernjüngling, der zu jedem Unfug bereit war, durfte Lady Barker nie aus den Augen lassen, wenn sie ihm ihr Baby anvertraute. Tom schnupfte und rauchte mit großer


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_534.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)