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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


sind. Es ist ein Frescogemälde in fünf Gruppen; Kaiser Heinrich der Zweite und seine Gemahlin Kunigunde, König Stephan von Ungarn und die Landgräfin Elisabeth von Thüringen begegnen uns darunter.

Durch den Garten des Klosters aber rauscht mit kühlen Wellen der Weinbach und stürzt sich schäumend über hohes Felswerk; nach der Sage führte von der Kirche einst ein unterirdischer Gang nach Andechs und von dort bis an den Untersberg im Salzburgerlande.

Trotz des Verkehres, den das Dampfboot auf den See gebracht, ist Diessen übrigens noch heute ein stiller Ort, dessen Wohlstand durch die zahllosen Kriege schwer gelitten hat, in die das oberbaierische Land jahrhundertelang verwickelt war. Sein Hauptbetrieb ist die Fischerei, die am Ammersee von jeher besonders blühte; denn schon in uralter Zeit lieferten die Fischer von Diessen ihre Edelwaare auf den Markt von Augsburg, besonders wenn dort Reichstag gehalten ward. In frohen Gelagen versammelte sich ihre Zunft, so oft ein neuer Genosse darin aufgenommen wurde, oder an den alten Jahresfesten der Innung, und dann klang wohl froher Zecherlärm im Gaden unter dem wetterbraunen Völklein, das sonst so schweigsam scheint. Da der See vier Stunden lang und mehr als eine Stunde breit ist, war die „Fischwaid“ aus demselben nicht wenig ergiebig, und vor Allem gilt das sogenannte „Amaul“ (der Zander norddeutscher Gewässer) als eine Specialität des Sees.

Um das Gebiet der einzelnen Berechtigten abzugrenzen, dienten eichene Säulen mit dem entsprechenden Zeichen, oft aber war auch nur in einen mächtigen Baum am Ufer die Gestalt eines Fisches eingeschnitzt und so die Grenze bestimmt; schon im fünfzehnten Jahrhundert begegnet uns eine strenge und bis in's einzelnste gehende See-Ordnung.

Wenn wir von Diessen aus zu Lande unsern Rundgang weiterführen, kommen wir zunächst an die Martinskirche, die für das älteste Gotteshaus in Oberbaiern gilt; denn nach der Augsburger Chronik von Welser soll sie bereits im Jahre 808 erbaut worden sein. Von dort geht es nach Fischen, dem einstigen gefreiten Herrensitze, und überall sehen wir Gräberspuren, die auf die früheste Besiedlung weisen; nur ein einsames Schifferhaus begegnet uns, wo die Fähre über den See führt. „Wartaweil“ heißt der geduldig-sinnvolle Name des Ortes.

Wir ziehen weiter und haben bald die herrliche Bucht erreicht, die der See hier bildet, auf der einen Seite umschlossen von dem Dörflein Mühlfeld, auf der andern von dem stattlichen Schlosse Ried. Hinter dem Strande aber liegt, von Nußbäumen umschattet, Herrsching.

Im ganzen Seegebiet ist dieser Winkel vielleicht die vollendetste Idylle. Einsam liegt das Ufer mit seinen weißen Kieseln; kein Haus, kein Menschenlärm stört diese Ruhe – nur badende Kinder plätschern im Wasser, das weithinein flach und lichtgrün ist. Ueber den Spiegel zieht eine Möve, die mit dem Fittich das Wasser streift und wieder emporschwebt in die Lüfte; im Westen ballt sich der schwarze Gewitterhimmel und thürmt sich hoch über der langen Bergeskette, deren Gipfel schneeblank herüberschauen. Eine stumme, sommerwürzige Schwüle liegt über Land und See – in solcher Stunde steigen wir empor zu dem alten weitberühmten Kloster Andechs.

Es ist herrlich gelegen, auf der Höhe eines Bergkegels, den hochgewachsener Wald, tiefe Schluchten und rauschendes Gewässer fast dem Hochgebirge gleich machen. Wir wählen den Weg durch's Kienthal; eine einsame Mühle steht beinahe überhängend am Bache; wuchtige Felsentrümmer liegen hier und dort verstreut und nur bisweilen sehen wir hinab durch gelichtete Zweige auf den Spiegel des Sees. So geht es höher und höher empor, bis wir endlich das Freie gewinnen, und da liegt nun inmitten von Wald und Feld das stolze Kloster, oder „der heilige Berg“, wie ihn das Volk kurzweg bezeichnet.

Schon im frühesten Mittelalter erstand dort eine gewaltige Burg, die dann der Hauptsitz der Grafen von Diessen wurde, nachdem sie drüben das Chorstift gleichen Namens gegründet. Hier wurden dereinst die Schätze des heiligen Rasso geborgen, als im zehnten Jahrhundert die Ungarn in's Land fielen, doch als in Folge der Reichsacht (1208) auch diese Burg „zerbrochen“ ward, da vergruben die Mönche von Seeon, welche den Gottesdienst daselbst versahen, die Schätze und Reliquien auf dem tiefsten Grunde der Kirche. Erst zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts hat man dieselben wieder entdeckt, und die Sage will, daß ein Mäuslein die Stätte verrathen habe, wo sie ruhten. Eine Reihe von wunderthätigen Heilungen soll alsbald geschehen sein, und da Hunderttausende von Pilgern aller Länder herbeikamen, ward eine neue Kirche und ein Stift für sechs Chorherren errichtet, welches 1455 in ein Benedictinerkloster verwandelt wurde. Die Schätze, welche dort verwahrt und von den Gläubigen noch heute andächtig verehrt werden, sind zwar überwiegend religiöser Art – es sind Reliquien vom „Leiden unseres Herrn“, von Maria und den Aposteln – aber manche der kostbaren Gefäße und Gewänder haben auch hohen kunsthistorischen Werth und reichen zurück in frühe romanische Zeit.

Wir ehren die Andacht Derer, die sich daran erbauen, doch auch wer draußen durch der burgartigen Hof und durch die grünen Gelände schweift, fühlt sein Herz gehoben durch Gottes schöne Welt. Der Ausblick (vor Allem vom Thurm der Kirche) ist bezaubernd: dieses Hügelland mit seinen grünen Wellen, diese tiefschwarzen Wälder, und zwischen wogenden Saaten die kleinen Dörflein mit ihren braunen Dächern und ihrem tiefen Frieden! Wer könnte sie alle nennen, wie sie hier den See umkränzen, das schöne Breitbrunn und das uralte Inning und Erling – von der Benedictenwand über Karwendel und Wetterstein schweift unser Auge hin bis an der Säuling bei Schwangau.

Allein selbst wenn uns nach minder luftiger Labung gelüstet, sind wir hier an eine gute Stätte gerathen; denn die würdigen Jünger des heiligen Benedict, die soviel gethan für Kunst, Wissenschaft und Landescultur, sie gönnen auch dem müden Wanderer gern ein frohes Stündlein der Rast, und willig öffnet sich das Braustüblein im Erdgeschosse dem wohlerworbenen Durste. Es ist so behaglich und heiter dort; am Fenster stehen die Blumen, und Bilder aller Art schmücken die Wand; lustig singt der Vogel im Bauer und freundlich reicht uns der dienende Bruder den Steinkrug. So wird es uns denn von Herzen wohl an dieser uralten Stätte, und während wir uns auf der Holzbank strecken, geht es uns sinnend durch die Seele, wie reich das Leben ist und wie viele Wege doch zum Ziele alles Lebens führen – zum Glück! -

Man muß es nur erst verstehen lernen, was im Lande und im Herzen Derer lebt, die man heimsucht; man muß nur auch erleben können, was man sieht! Das ist die beste Frucht aller Wanderschaft.[1]







  1. Genauere Details über den „Ammersee und seine Umgehung“ bietet das vortreffliche Büchlein dieses Titels von Hauptmann Arnold, das jedem Besucher jener Gegend auf's Beste empfohlen werden darf. Verlag von G. Berza, Landsberg am Lech, 1878.



Der Kampf um die älteste deutsche Hochschule.

Eine zeitgemäße Betrachtung von Friedrich Schütz.

Düster blickt in die engen und winkeligen Straßen von Prag das schwarze Gemäuer eines Gebäudes, dessen lauschige Giebel, dessen steinerne Erker und kräftige Friese bekunden, daß die Hand eines deutschen Meisters hier gewaltet hat. Ursprünglich war das Haus Eigenthum eines Juden – Lazarus mit Namen – gewesen; dann erwarb es der deutsche Kaiser Karl der Vierte, auf daß die Lehrer der Prager Hochschule von der Last befreit würden, in ihren eigenen Wohnungen die Vorlesungen für ihre Hörer halten zu müssen. Das düstere Gebäude wurde Deutschlands erste Universität.

Das war um das Jahr 1348. Prag war in jenen Tagen Mittelpunkt des deutschen Lebens, und das Hradschiner Schloß Sitz des deutschen Kaisers, der die deutsche und böhmische Krone auf seinem Haupte vereinte.

Allenthalben in Böhmen fluthete damals deutsches Leben. Kein Chronist, der nicht bestätigen würde, daß das nationale Wesen jener Tage ein durchaus deutsches war. Als die Braut Karl’s, Bianca von Frankreich, ihre Heimath verließ und nach Böhmen reiste, lernte sie die deutsche Sprache, „denn die böhmische war völlig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_518.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2022)