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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

emporhebt und alle seine Unzulänglichkeiten mit zauberhaftem Glanze deckt.

So fuhr man einzig schöne Stunden bald zwischen den stolzen Palastreihen dahin, bald durch die schmalen Canäle an den hofartigen Plätzchen vorüber, wo sich das eigentliche venetianische Volksleben malerisch um einen der alten Brunnen versammelt. Und wo es gerade sein mochte, in dem phantastischen Dämmerlicht der goldenen Marcus-Kirche oder in den heiter-prächtigen Rathssälen – überall glaubte man in diesem Augenblicke das Schönste zu sehen.

Und dann kam der Abend, und sie saßen zum Schlusse in der lauen Frühlingsnacht auf dem Marcus-Platze, Eis schlürfend im Schein zahlloser Gaslichter, während droben die leuchtende Pracht des Sternenhimmels sich entfaltete und die goldglänzenden Bogen des Domes, die blasse Spitze des Glockenturms in dämmernder Helle schwammen. Erich hob die Augen zu ihnen auf; sein Herz war weit geöffnet für die volle Seligkeit der Welt. Leontinens Blicke hingen mit einer ihr völlig neuen leidenschaftlichen Sehnsucht an seinem jugendschönen, ernsten Gesicht – so wie heute war ihr noch niemals zu Muthe gewesen.

Herr Nordstetter war nicht dabei; er hatte sich am Hôtel aussetzen lassen, um noch „wichtige Briefe“ zu schreiben.

„Seliges Leben!“ sagte Erich, als er sich tief in der Nacht auf sein Lager streckte und das silberne Mondlicht durch die Lorbeerzweige vor dem Fenster hereinfloß. „Ein Tag wie der heutige könnte Jahre der Qual vergessen machen – und dies ist erst der Anfang.“


(Fortsetzung folgt.)



Die Reichsdruckerei in Berlin.

Von Gustav Schubert.

Unter den Instituten, welche seit der Neugestaltung des deutschen Reiches erstanden und in den Dienst desselben getreten sind, ist die in der Oranienstraße gelegene Reichsdruckerei in Berlin eines der wichtigsten und durch ihre Leistungen bekanntesten; gehen doch, so weit die deutsche Zunge klingt, ihre „Visitenkarten“ in Form von Cassenscheinen und Banknoten täglich und stündlich von Hand zu Hand; sie sendet ihre Grüße durch die von ihr hergestellten Freimarken, Postkarten und andere Werthsachen weit hinaus; über Länder und Meere bringt sie Kunde aus der deutschen Heimath. Die Reichsdruckerei ist 1879 hervorgegangen aus einer Verschmelzung der früher von Decker'schen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei mit der 1851 errichteten königlich preußischen Staatsdruckerei und gehört zu dem Ressort des Chefs der Post- und Telegraphenverwaltung. Ich lade die geehrten Leser zu einem Rundgange durch die großartige, auf mehrere prachtvolle Gebäude vertheilte Anstalt ein; die Besichtigung verspricht um so interessanter und lehrreicher zu werden, als der Director der Reichsdruckerei, Geheime Regierungsrath Busse, in freundlichster Weise selbst die Führung übernimmt, ohne welche uns, dem Reglement gemäß, die wichtigsten Räume verschlossen bleiben müßten.

Wir versammeln uns in dem Arbeitszimmer des Directors; unsere Aufmerksamkeit lenkt sich bald auf ein an der Wand hängendes großes Bild. Einzelne Felder desselben sind geeignet, in dem Beschauer eigenthümliche Regungen hervorzurufen; denn sie enthalten eingerahmte leibhaftige Tausend-, Fünfhundert-, Hundert-, Zwanzig-, Fünfmarkscheine und verschiedene andere Werthpapiere in doppelten Exemplaren, die gewiß einen ebenso seltenen, wie theuren Zimmerschmuck bilden. Beginnen wir unsere Wanderung.

Der Plan der Räumlichkeiten, Kellergeschosse, Säle in vielen Etagen bis unter die Dächer umfassend, ist ein so ausgedehnter, daß wir darauf verzichten, denselben festzuhalten. Sämmtliche Räumlichkeiten, von denen einige erst in diesem Jahre fertig gestellt werden, bieten große, helle und gesunde Räumen alle Fortschritte, welche die Technik in Bezug auf Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen gemacht hat, sind hier auf das Beste verwertet worden, und tritt das Bestreben auf Erzielung größtmöglicher Betriebssicherheit deutlich in die Erscheinung. Gegenwärtig besitzt die Reichsdruckerei 37 Schnellpressen und 198 sonstige Maschinen. Die Dampfmaschinen arbeiten mit zusammen 64 Pferdekräften. Über das Personal erhalten wir von unserem liebenswürdigen Führer folgende Mittheilungen: dasselbe besteht außer dem Director aus 10 etatsmäßigen Beamten, 67 ständigen Werkleuten (Oberfactoren, Factoren, Vorstehern der Ateliers und Werkstätten, Obermaschinenmeistern, Factoren, Aufsehern, Setzern, Correctoren, Revisoren, Schreibern etc.), 615 gegen Tagelohn beschäftigten Arbeitern, Burschen, Lehrlingen und weiblichen Personen, zusammen etwa aus 700 Köpfen.

Der Betrieb erfordert bei einer so großen Zahl Bediensteten und im Hinblick auf die Thätigkeit derselben (Herstellung von Papiergeld etc.) eine außerordentliche Disciplin und erprobte moralische Qualität, ohne welche die Anstalt nicht gedacht werden kann. Durch humane Bestimmungen, entsprechende Besoldungen, Invalidenfonds und sonstige Einrichtungen ist indeß ein Stamm von Angestellten geschaffen, der allen Anforderungen entspricht.

Eine der Hauptaufgabe der Reichsdruckerei ist, wie bereits angedeutet, die Anfertigung von Papiergeld, Marken und Postkarten. Der Stoff zu denselben, das Papier, ist das einzige Material, welches das Institut nicht selbst produciert; es wird vielmehr von auswärtigen gewissenhaft arbeitenden Fabriken bezogen. Bei der eminenten Bedeutung des Papieres für die genannten Werthobjecte wird der Qualität desselben die peinlichste Aufmerksamkeit gewidmet. Die von den Fabriken eingesandten Papierproben werden auf ihre Druck-, Copir- und Schreibfähigkeit für Tinte und Blei eingehend geprüft, und die Ausführung der Aufträge in den Papierfabriken erfolgt unter theilweiser Beaufsichtigung von Beamten der Reichsdruckerei und der „Controlle der Staatspapiere“.

Es wird uns ein wunderbares Album vorgelegt, auf dessen Blättern sämmtliches Papiergeld verschiedener Staaten aufgeklebt ist. Die Entwickelung dieser Werthzeichen steht in engem Zusammenhange mit den Anstrengungen jener Dunkelmänner, welche sich trotz der härtesten Strafen von der Ausübung ihres verbrecherischen Treibens nicht abschrecken lassen – der Fälscher. Zwischen diesen und der Direction der Reichsdruckerei wüthet im Stillen ein merkwürdiger Kampf; was von den gewiegten Köpfen des Instituts auch ersonnen worden ist, im feindlichen Lager gab es stets Verwegene, die es nachzumachen versuchten und mit ihrer Fertigkeit allerdings einen Theil des Publicums, in keinem Falle aber den Kenner oder gar einen Beamten der Reichsdruckerei täuschen konnten. Wir wollen an dieser Stelle mitteilen, daß durch ein in nächster Zeit einzuführendes Papiergeld den Falschmünzern der Weg gründlich verlegt werden wird. Der uns vorgelegte neue Fünfzigmarkschein dessen künstlerische Ausführung von dem Professor W. Sohn-Düsseldorf herrührt, hat an der Seite einen breiten hellen Rand, in welchem sich bläuliche, sehr dünne Faserstreifen befinden; sie gleichen eingefrorenen blauen Krystallen und können mit dem Messer oder einer Nadel herausgehoben werden, welche letztere Möglichkeit nebst der Qualität der Fasern einen Prüfstein der Echtheit bildet, der von Jedermann mit Leichtigkeit angewandt werden kann. Das vom Reiche erworbene Geheimniß dieser Papierpräparation ist die Erfindung eines Amerikaners.

Verfolgen wir nun die Herstellung eines Hundert- oder Tausendmarkscheines! Die Direction hält den Grundsatz fest, bei allen Werthzeichen das künstlerische Moment zur vollen Geltung zu bringen; ist doch vielleicht jenes blaue Zettelchen (Fünf Mark) mit den reizenden, Festons haltenden Knaben das einzige wirkliche Kunstbild, welches durch die Hände des in neuerer Zeit vielgenannten „armen Mannes“ geht - hoffentlich kann er es recht lange „besehen“. In dem Graviersaal sehen wir geübte Stecher jene Zeichnung, deren Entwurf das Resultat einer ausgeschriebenen Concurrenz für die deutschen Künstler ist, auf Kupferplatten übertragen und wahre Meisterstücke dieser Kunst hervorzaubern. Die bedeutsamsten und dem Fälscher unüberwindlichsten Beigaben sind die Zierruthen, namentlich diejenigen in gewundenen Zügen (Guillochis). Sie sind auf der Rückseite eines Fünfmarkscheines ihrem Wesen nach schon mit unbewaffnetem Auge wahrzunehmen; diese gemusterten Flächen, Sterne und Rosetten werden vermittelst eines höchst sinnreichen Apparates konstruiert, welcher durch ein Räderwerk einen Diamantstift in mathematisch genauen Linien und Bogen auf einer mit einer Harzlösung versehenen Kupferblatte bewegt, die durch ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_426.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)