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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Wir müssen mit Oscar von Meltzl,[1] um zu Ende zu gelangen, hinweggehen über viele unglaubliche Dinge, die jetzt im Sachsenlande geschehen, namentlich „über jene plumpen Bauernfängerkunststückchen, mit denen der eine Obergespan ‚regiert‘ und das Ansehen der Regierung und des Staates zum Kindergespötte herabwürdigt, sowie über die Faustschläge, die ein anderer der gesunden Menschenvernunft und aller Logik in’s Antlitz versetzt“. Damals kannte er das härteste dieser „Mittel“ noch nicht, das der Magyarismus zur Beschleunigung seines Triumphes erfand. Mit der Darlegung desselben beschließen wir die Aufzählung der magyarischen Erdrückungsmaßregeln gegen die Sachsen.

Wir haben bereits erwähnt, daß das sächsische Nationalvermögen ausschließlich bestimmt war zur Erhaltung nicht nur einer Anzahl deutscher Volksschulen (seine gute Gemeindeschule hat selbst das kleinste sächsische Dorf), sondern namentlich auch der höchstwichtigen sogenannten Mittelschulen, das heißt der fünf achtclassigen deutschen Gymnasien und vierclassigen Volksschullehrer-Seminarien, eines deutschen Untergymnasiums, mehrerer Real-, Ackerbau- und Gewerbeschulen, aber auch eines rumänischen und eines magyarischen Gymnasiums. Es war eine Herzenssache der Sachsen, diese Anstalten möglichst auf gleicher Höhe mit denen in Deutschland zu erhalten. Die Zöglinge derselben suchten auch, nachdem sie den heimischen Gesetzen genügt, die Vollendung ihrer Ausbildung in Deutschland und brachten damit immer frische deutsche Geistesnahrung in das alte Sachsenland mit heim.

Der Amtsvorgänger des jetzigen Ministers für Cultus und Unterricht, Freiherr Josef von Eötvös, stellte in Hermannstadt am 30. September 1869 vor Magistrat und Gemeinde freudig den Sachsen das Zeugniß aus: „daß sie innerhalb des ihnen vom Gesetz zugestandenen Wirkungskreises verstanden hätten, ihren Lehranstalten eine Einrichtung zu geben, welche die trefflichsten Resultate liefere. Die Professoren deutscher Universitäten, mit welchen er in brieflichem Verkehr stehe, hätten ihm durchgängig versichert, daß die sächsischen Studirenden im Durchschnitt die Erwartungen, die man von ihnen hege, nicht nur überträfen, sondern auch auf die Hochschulen besser vorbereitet kämen, als die Schüler mancher Gymnasien in Deutschland.“

„Vielleicht“ – sagt eine Schrift, die wir sofort nennen werden – „liegt in diesen Lehr-Erfolgen und nicht allein in der deutschen Unterrichtssprache der Grund jener Erscheinung, daß die deutsch-evangelischen Mittelschulen gern von Schülern aller inländischen Nationen und Confessionen, und nicht am wenigsten von magyarischen Jünglingen zu ihrer wissenschaftlichen Vorbildung benutzt werden. Waren doch im Schuljahre 1879 bis 1880 unter 1496 Schülern, welche die evangelisch-deutschen Mittelschulen Siebenbürgens zählten, nicht weniger als 514 Nichtevangelische und darunter 114 Magyaren.“

Trotz alledem – oder eben deswegen – mußte diesen von dem Vorgänger des jetzigen Ministers als musterhaft hingestellten sächsischen Unterrichtsanstalten – bei total veränderter Grundanschauung des magyarischen Staatszwecks – die beste Kraft gebrochen werden. Nachdem „die freie Hand“ den Schlüssel zur Nationalcasse der Sachsen gefunden, mußte sie nun auch denjenigen finden, der das Thor zu den Hochschulen Deutschlands den Sachsen, und zwar ohne gehässiges Verbot, für immer verschloß.

Im vorigen Jahre erschien bei O. Wigand in Leipzig eine Schrift: „Die deutsch-evangelischen Mittelschulen in Siebenbürgen und die denselben drohende Gefahr. Eine Rechts- und Culturfrage“. Die in dieser Schrift gekennzeichnete damals noch „drohende“ Gefahr ist seitdem zur wirklichen geworden. Wir theilen aus der sehr beachtenswerthen Broschüre nur das Wesentlichste in wenigen Worten hier mit.

Am 12. März 1879 wurde im Unterhause unter dem Jubel aller magyarischen Abgeordneten eine Regierungsvorlage eingebracht, welche schon am 22. Mai alle Stadien der Berathung in beiden Häusern des Reichsrathes durchlaufen und durch die königliche Unterschrift Gesetzeskraft erlangt hatte. Dieselbe enthält folgende Bestimmungen:

„In sämmtlichen Volksschulen der magyarischen Länder wird der Unterricht der magyarischen Sprache als eines für alle Schulen verbindlichen Lehrgegenstandes eingeführt. Lehrziel und wöchentliche Stundenzahl, letztere auch für die confessionellen Schulen maßgebend, setzt der Unterrichtsminister im Verordnungswege fest. Vom Jahre 1882 ab kann kein Schulamtscandidat ein Lehrbefähigungszeugniß erhalten, welcher nicht der magyarischen Sprache in Wort und Schrift so weit mächtig ist, um sie in der Volksschule lehren zu können.“

In welchem Grade durch dieses Gesetz, „der Wahnidee des magyarischen Einheitsstaats zu Liebe, die Volksbildung von zehn Millionen Nichtmagyaren geschädigt wird“, ist gar nicht abzuschätzen.

Dennoch bot selbst dieses, wiederum von der Parlamentsallgewalt und der „freien Hand“ geschaffene Gesetz der Magyarisirungshetze noch nicht Sicherheit und raschen Erfolg genug; es mußte der größte Trumpf ausgespielt werden mit dem sogenannten „Mittelschulgesetz“. Mehrmals zurückgezogen, wurde es von dem Magyaren-Minister immer wieder vor den Reichstag gebracht, der ihm schließlich seine freudigste Weihe ertheilte. Das Gesetz greift so störend namentlich in die musterhafte Einrichtung der sächsischen Mittelschulen (Gymnasien, Real-, Gewerb- etc. Schulen) ein und ist so paragraphenreich, daß wir unsere Leser dringend auf die obige Schrift hinweisen müssen. Die einschneidendste Maßregel desselben aber ist: daß alle Mittelschullehrer ohne Ausnahme ihre Befähigungsprüfung nur in magyarischer Sprache abzulegen haben. Für die Lehrer an den deutschen Schulen der evangelischen Landeskirche Siebenbürgens hat dies die Folge, daß sie ihre höhere Ausbildung nicht mehr an den deutschen Hochschulen Oesterreichs oder Deutschlands suchen können, denn nur um in der befohlenen Sprache die verlangte Fertigkeit zu erwerben, sind sie gezwungen, sämmtliche vier Studienjahre an einer magyarischen Universität zu verbringen, und dieser Zwang führt von selbst den andern herbei, die magyarische Unterrichtssprache auch an den deutschen Mittelschulen einzuführen: dies Alles ist erreicht, ohne das bestehende Gesetz, welches den freien Besuch ausländischer Universitäten den Sachsen „für ewige Zeiten“ gewährleistet, ausdrücklich umzustoßen. Der chauvinistische Siegesjubel vergleicht diese Mittelschulen mit einer Zaubermühle: vorne steckt man die nichtmagyarischen Jünglinge Hundertweise hinein, und hinten fallen sie als fertige Magyaren heraus. Einen weitern Zweck hat auch dieses Gesetz nicht.

Was ist unter diesem unaufhörlich gesteigerten Druck aus dem Leben des deutschen Volkes im Sachsenlande geworden? Wer jetzt dort durch die Städte und Dörfer wandelt, begegnet überall den gleich traurigen und empörenden Bildern. Die Kinder gehen verdrossen in die Schule; wird der Mann vor eine Behörde geladen, so geschieht’s in magyarischer Sprache, die straßenweit kein Mensch versteht; vor Gericht muß er, der Deutsche auf seinem deutschen Heimathboden, einen magyarischen Dolmetscher zu Hülfe nehmen; denn in seiner Sprache darf selbst in den schwersten Fällen kein Wort gesprochen werden. Willkür überall! Die Kronstädter Handelskammer fügt sich einem ungerechten Ansinnen nicht: sofort wird sie aufgelöst und die Geschäfte und die Casse derselben einem magyarischen Ministerialconcipisten übergeben. Selbst für die Volksbibliotheken sind nur magyarische Bücher vorgeschrieben, die Niemand lesen kann, und die Auswahl dieser bedarf der Genehmigung des betreffenden königlichen Schulinspectors, als welcher z. B. in dem evangelisch-deutschen Deutsch-Kreuz ein katholischer Armenier bestellt ist! Deutsche Bücher sollen nicht angeschafft werden. Dazu die fast unerträgliche Steuerlast bei dem überhand nehmenden wirthschaftlichen Rückgang in dem einst unter eigener Verwaltung so blühenden Lande! „Der Steuerexecutor war bisher in den sächsischen Gemeinden eine nie gesehene Erscheinung“ (wurde doch selbst die Pünktlichkeit im Entrichten aller Abgaben den Sachsen von den Magyaren zum Vorwurf gemacht: weil sie dadurch die andern siebenbürgischen Nationalitäten nur in übeln Geruch bringen wollten!); „heute kennt man den Klang der Trommel des Executors auch in den sächsischen Orten nur allzugut. Dazu die wohlgeschützte Selbstüberhebung der „magyarischen Herrscher“ im öffentlichen Leben – es ist das Schwerste, was einem braven und edeln Volke zu tragen auferlegt werden kann[2].

  1. Man lese dessen sehr beachtenswerthe Schrift: „Die Stellung der Siebenbürger Sachsen in Ungarn“. Hermannstadt, Verlag von A. Schmindicke, 1878.
  2. Eben, vor der Absendung des Mannscripts dieses Artikels in die Druckerei geht uns noch folgendes Neueste aus Siebenbürgen zu: Die magyarische Corruption in Siebenbürgen nimmt einen wahrhaft entsetzlichen Fortgang. Da die Bevölkerung dort zu Straßen- und anderer öffentlichen Arbeit verpflichtet worden ist, die sie entweder selbst verrichten oder mit Geld vergüten muß, so hat ein Stuhlrichter sich das einträgliche Recht angemaßt, zur Straßenarbeit commandirte Bauern ohne Weiteres sich von „regierungsfreundlichen“ (das heißt magyarischen) Privaten zu Arbeiten in deren Weingärten, Maisfeldern etc. abkaufen zu lassen. Da man dies meist gegen Sachsen übt, so giebt’s für diese kein Recht, sondern für jede Weigerung Arrest oder Geldstrafen. Wie weit ist von da noch zur Sclaverei? In Marktschelken ließ der (natürlich magyarische) Straßenbau-Commissär durch den Ortsdiener öffentlich ausrufen, daß er denjenigen Bauern, welche ihm nicht ein bestimmtes Quantum Getreide in’s Haus lieferten, keine Scheine für geleistete Schotterfuhren ausstellen werde. Der Obergespan kennt den Frevel, aber er wehrt ihm nicht, da er ja nur gegen Sachsen geübt wird. – Ein neues Consumgesetz, das auf Kaffee, Bier und Zucker eine Verzehrungssteuer legt, giebt der Regierung so viel Chicanen in die Hand, daß sie alle nicht magyarisch gesinnten Orte damit zu Grunde richten kann. Berechnet man dazu die allgemein bekannte magyarische Verwaltungswirthschaft, so ist’s offenbar, daß unter dieser verwüstenden Rassenherrschaft im ganzen Bereich der Stephanskrone, vor Allem aber im deutschen Siebenbürgen türkisch-bosnische Zustände unausbleiblich sind.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_403.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)