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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Vorgesetzten und den gesellschaftlich über dir Stehenden verkehrst, und ich will dir sagen, wer du bist.

Der Kenner socialer Verhältnisse, der Culturforscher weiß, daß die Standesunterschiede in zahllosen Fällen nur zufällig, herkömmlich und imaginär sind, daß eine Classificirung der Gesellschaft, wenn sie streng und gerecht sein will, nach dem inneren, thatsächlichen, absoluten Werth der Individuen erfolgen müßte und nichts mit dem äußeren Schein zu thun haben dürfte; er weiß, daß Viele, die vor der Welt als groß und bedeutend bezeichnet und angestaunt werden, thatsächlich sehr klein und unbedeutend sind, und umgekehrt. Den wahren Werth des Menschen zu erkunden, ist oft ein unscheinbares Mittel sehr dienlich, und ein solches Mittel ist die Beobachtung seines Verkehrs mit den Nebenmenschen; an dieser Beobachtung wird man auch einen Maßstab dafür gewinnen, wie das Gebot des wahren Humanismus. „liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ befolgt wird.




Blätter und Blüthen.


Das größte Teleskop der Welt. Vor einigen Jahren kam von der Sternwarte zu Washington die Nachricht zu uns nach Europa herüber, daß durch die Aufstellung eines riesenhaften Fernrohrs mit sechsundzwanzig zölligen Glaslinsen dem Dienste der astronomischen Wissenschaft ein noch nicht dagewesenes Hülfsmittel geboten worden sei. Und in der That fand diese Meldung ihre praktische Bestätigung. Fachmänner berichteten damals übereinstimmend, daß sich das neue Rieseninstrument in ganz ausgezeichneter Weise bewähre, es hatte somit die bisher bezweifelte Möglichkeit, optische Gläser von so gewaltigen Dimensionen in geforderter Reinheit herzustellen, volle Bestätigung gefunden.

Noch im Laufe dieses Jahres werden wir auf unserm alten Continente, und zwar schon im künftigen Herbste, Gelegenheit haben, die Wunder des Sternenhimmels vermittelst eines noch größeren Riesenapparates, als das Washingtoner ist, zu bewundern. Es steht nämlich ein Teleskop, das nach mehrjährigen angestrengten Versuchen jetzt endlich in Dublin glücklich vollendet wurde, im Begriff, seinem Bestimmungsorte, der Hauptstadt Oesterreichs, zugeführt zu werden.

Die zu Wien auf der sogenannten alten Türkenschanze neu erbaute Sternwarte, welche wir unseren Lesern (vergl. Jahrgang 1879, Nr. 9!) in Wort und Bild vorführten, wird die glückliche Besitzerin eines optischen Instrumentes sein, welches alles auf diesem Felde bisher Gebotene um ein Bedeutendes überragt. Bereits vor Jahren wurde von der Österreichischen Regierung mit einem Kostenaufwand von mehr als einer viertel Million Gulden in dem rühmlich bekannten optisch-mechanischen Atelier des Mr. Grubb in Dublin ein Tubus von so riesigen Dimensionen und einer solchen enormen Leitungskraft bestellt, daß diesem gegenüber alle derzeitig in Uebung befindlichen Instrumente gleichen oder ähnlichen Genres in den Hintergrund treten. Aber welche unendlichen Hemmnisse waren im Laufe der Zeit mit der Ausführung der Aufgabe und den gestellten Anforderungen der Leistungsfähigkeit verknüpft!

Dieses neue Riesenteleskop, dessen Herstellung in Folge der Lösung praktischer Schwierigkeiten sich überhaupt in Zweifel stellte, kostete gleich anfangs seinem Erbauer in Folge notwendiger Versuche mehrere Tausend Pfund Sterling, und noch war damit nichts erreicht. Nunmehr ist, wie erwähnt, der Apparat glücklich beendet und entspricht, dem Vernehmen nach, durch außerordentliche Tragweite nicht allein den darauf gesetzten Hoffnungen, sondern soll die hohen Erwartungen, welche strenge Fachmänner an seine Leistung stellten, sogar weit überbieten. Gehen wir auf das hochinteressante, nunmehr fertige Meisterwerk etwas näher ein! Die siebenundzwanzigzölligen aus idealreinem Kristallglas hergestellten Linsen sind in Paris gefertigt und wollten anfänglich dem damit betrauten Künstler nicht gelingen, da vorher noch niemals versucht worden war, Gläser für astronomische Zwecke in solchen Dimensionen zu arbeiten. Alle nur denkbar hartnäckigsten Hindernisse traten einer gleichmäßigen Schmelzung in den Weg, sie vergrößerten sich bei Glasscheiben, welche einen Durchmesser von 701/2 Centimeter vorschriftsmäßig erhalten mußten ungemein. Freilich sind diese Glaslinsen nur um 22/3 Centimeter größer als jene von den Amerikanern hergestellten, aber die Schwierigkeiten der Ausführung wuchsen für solche Größe bei jedem mehr geforderten Centimeter in nicht geahnter Proportion. In Paris war man bereits gesonnen, alle desfallsigen Versuche aufzugeben, als eine letzte Probe glücklich und vollständig gelang, und der schon halb abgelehnte Auftrag wurde zur vollen Zufriedenheit des Erbauers und Bestellers ausgeführt. Nunmehr sind die Gläser in den Messingcylinder eingestellt, welcher 33 Fuß 6 Zoll englisches Maß lang ist. Im Specialauftrag der Österreichischen Regierung wurde dieses im Monat März beendete Rieseninstrument von einer Commission geprüft, welche aus Fachcapacitäten bestand, und erkannte man die Leistungsfähigkeit desselben als unübertrefflich an.

Ein mit dem Teleskop verbundener sinnreicher und automatisch wirkender Mechanismus wird für den Betrachtenden das zu beobachtende Gestirn im gleichmäßigen Sehfelde erhalten, wie überhaupt mit der technischen Ausführung die neuesten Verbesserungen der Optik verknüpft sind. Wenn dieses Riesenfernrohr sich erst in Wien befinden und zur Dienstleistung fertig armirt sein wird, dann besitzt unsere nördliche Erdhemisphäre zwei Kolossalinstrumente, wie solche der Astronomie bis vor kurzer Zeit nicht zur Verfügung standen, sie sind als Pionniere dazu bestimmt, manches noch nicht geklärte Räthsel am Sternenhimmel zu lösen und dem Wissensdrange nach der Kenntniß ferner Welten zu dienen.




Knotenpunkte. „Station Elm! Zwölf Minuten Aufenthalt; umsteigen nach Gemünden!“

„Wo sind wir eigentlich? Wie heißt der Ort?“

Bebra vierundachtzig Kilometer, Gemünden sechsundvierzig Kilometer, Frankfurt einundachtzig Kilometer. das ist Alles, was zur Orientirung am Stationsgebäude zu lesen ist.

Wer nicht häufig unser liebes deutsches Vaterland von einem Ende bis zum andern durchfährt, dem kann man keinen Vorwurf daraus machen, wenn er nicht weiß, wo er Orte wie Bebra und Gemünden oder wie die kleinen Nester sonst heißen, welche der Zufall, oder richtiger gesagt der Stift des tracirenden Ingenieurs aus ihrer Abgeschiedenheit so plötzlich in das Verkehrsleben hineingeworfen, in seinen geographischen Vorstellungen unterzubringen hat.

Hier in dem herrlich gelegenen Elm hätten wir nun einige Minuten Zeit, neben der Tasse Kaffee auch etwas Gegend zu genießen, aber was hilft uns das? Wir kommen gar nicht recht zum Genuß, das Gefühl der Unkenntniß dessen, was wir sehen, verleidet uns denselben. Was ist das für ein wunderbares Thal mit dem Silberstreif in der Ferne? – Es ist die Kinzig, in deren Begleitung wir aus der Rhön dem Main zueilen. – So, so! Also dort befinden wir uns. Ich kann ein Gefühl der Beschämung über meinen Mangel an geographischen Kenntnissen nicht los werden. Und ebenso wie mir ist es unzahlige Mal anderen Reisenden ergangen, als sie im rasenden Fluge längs den Ufern eines kleinen Flusses ihre Reise fortsetzten, ohne zu wissen, ob sie ein namenloses Wiesenbächlein oder vielleicht einen alten Bekannten, den Main oder irgend einen größeren Strom in seinem oberen Laufe vor sich hatten.

Zur Abhülfe solcher Unkenntniß möchte ich durch diese Zeilen eine Anregung geben, und zwar zunächst Diejenigen, deren Berufs es ist, Kenntnisse in der Geographie zu verbreiten, ersuchen, dem heutigen Eisenbahnnetz in seinen Hauptrouten besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dann möchte ich unsern geographischen Vereinen die Bitte an’s Herz legen, nicht nur für Erforschung Afrikas zu sorgen, sondern auch für Verbreitung der Kenntniß unserer deutschen Heimath etwas zu thun. Zu diesem Zwecke halte ich die Beschaffung und Verbreitung einer billigen und im besten Sinne des Wortes populär gehaltenen Reiselectüre für äußerst wünschenswerth.

Schließlich wende ich mich noch an die geehrten Eisenbahnverwaltungen, die so in dieser Beziehung unaufgefordert schon Manches gethan haben, durch Anbringung von Routenkarten in den Wagen, Ausschmückung der Wartesäle größerer Stationen durch große Wandkarten, Angabe der Höhenlage über dem Meeresspiegel etc., nach dieser Richtung hin noch mehr zu thun. Besonders sind es die Knotenpunkte, auf denen das Publicum Muße hat, derartige Studien zu treiben, und dennoch entbehren sehr häufig gerade diese Stationen solcher belehrenden und anregenden Karten und Pläne vollständig. Und dann wünschte ich dies nicht nur für die Reisenden erster und zweiter Classe, sondern auch für die, denen der Geldbeutel nur ein bescheidenes „Fortkommen“ gestattet. Das Publicum ist für das Dargebotene dankbar; ich habe schon oft Gelegenheit gehabt, von ganz einfachen Leuten anerkennende Aeußerungen über die Darbietung solcher Hülfsmittel zur Volksbildung zu vernehmen.

W. G.




Kleiner Briefkasten.


Ein Deutscher in Gothenburg. Ueber die irische Frage finden Sie einen Artikel in Nr. 7, über den Präsidenten Garfield in Nr. 6, über den Panama-Canal in Nr. 9 und über Tunis in Nr. 18 unseres Blattes. Sie sehen also, daß wir keinen dieser augenblicklich im Vordergrunde des Zeitinteresses stehenden Gegenstände außer Acht gelassen haben.

B. L. in Salzwedel. Kraken nennt man sagenhafte Seethiere, welche die Größe einer ansehnlichen Insel erreichten und Schiffen zum Ankerplatz dienten. Die Mythe hat ohne Zweifel einen, wenn auch äußerst schwachen naturhistorischen Hintergrund und hängt wohl mit dem Erscheinen der Tintenfische zusammen, die man an den Küsten von Schweden, Irland, Island, Japan, am meisten jedoch in Neufundland beobachtet hat. Da die Tintenfische manchmal bekanntlich eine Körpergröße von fünf Meter und eine Armlänge von dreizehn Meter haben und etwa tausend Kilogramm wiegen, so ist es leicht erklärlich, daß die Phantasie ihre Größe so weit übertreiben konnte und mit dieser Uebertreibung bei den Küstenbewohnern Glauben fand.

Sch. J. Z. in Brünn. Wenden Sie sich an das „Militärische Auskunftsbureau“ des Premierlieutenants G. Pavel in Leipzig!

P. in Kassel. Die Adresse lautet: Deutscher Schulverein in Wien I. Maximilian-Straße 10.

R. S. in Berlin. Das Portrait Kant’s, welches wir in Nr. 19 brachten, ist als Photographie im Verlage der Buchhandlung Gräfe und Unzer, Königsberg in Preußen, erschienen und durch dieselbe gegen Einsendung des Betrages von M. 1,50 für die Cabinetausgabe, von M. 6 für die 4° Ausgabe franco zu beziehen.

L. S. in Berlin. Der junge Mann mag Proben seines Talents geben! Eher läßt sich in der Angelegenheit nichts thun.

E. P. in S. Leider keine Verwendung!

H. Sch. in Charlottenburg. Ungeeignet! Verfügen Sie gütigst über das Manuscript!

M. M. Geben Sie Ihre volle Adresse an mit Wiederholung Ihres Wunsches!


Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_368.jpg&oldid=- (Version vom 22.10.2022)