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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ausgeführt worden oder noch in der Ausführung begriffen sind, bestehen, wenngleich verschieden in den Einzelheiten der Construction, im Wesentlichen aus zwei Haupttheilen, aus den eigentlichen Dünenschutzwerken und einem System von sogenannten Buhnen. Auf sämmtlichen Eilanden befinden sich dieselben an der Nordwest- und Westseite, da erfahrungsgemäß von dieser Seite her die Zerstörung erfolgt.

Den Zweck der Dünenschutzwerke verräth schon ihr Name. Es sind kräftige Bollwerke, dazu bestimmt, die Gewalt der Wellen von den wenig widerstandsfähigen Dünen fern zu halten. Dem entsprechend ziehen sich dieselben innerhalb des Gebietes von Ebbe und Fluth am Fuße der letzteren entlang, stets bereit den Anprall der Wogen aufzunehmen. Mit den Deichen des Festlandes haben sie nichts als den Zweck gemein, und auch diesen nicht in jeder Beziehung; denn, während jene dazu bestimmt sind, den Wogen jedes Betreten des fruchtbaren Binnenlandes zu verwehren, haben die Dünenschutzwerke oft nur den Zweck, als Wellenbrecher zu dienen, da die hinter ihnen liegenden Dünen alsdann genügen, den gebrochenen Fluthen eine Grenze zu setzen. Nur wo jene fehlen, müssen die Dünenschutzwerke dieselbe Function wie die Deiche des Festlandes übernehmen. In jedem Falle aber bleibt die Construction beider eine wesentlich verschiedene.

Statt der einfachen Klaideiche mit ihrer Decke aus Strohgeflecht, die sich dem gewaltigen Anprall der unmittelbar aus dem Becken der Nordsee einherstürmenden Wogen gegenüber als viel zu schwach erweisen würde, gelangt bei den Dünenschutzwerken schweres Mauerwerk aus Ziegel-, Bruch- oder Quadersteinen und aus Beton zur Verwendung, dessen Stärke häufig einen Meter übersteigt. Besondere Sorgfalt wird auf die Fundirung derselben verwendet.

Die Höhe der Werke ist je nach ihrem Zweck eine verschiedene. Sollen sie zugleich als Deiche dienen, so steigt dieselbe auf 5 Meter und mehr über den normalen Hochwasserstand. Bei den eigentlichen Wellenbrechern dagegen ist die Höhe des Steinkörpers eine erheblich geringere; denn letzterer übersteigt die tägliche Fluth nur um 1,5 - 2 Meter. Um die Wirkung dieser Wellenbrecher zu erhöhen, befindet sich inmitten des Steinkörpers ein tief hinabreichendes starkes Pfahlwerk eingerammt und eingemauert, das diesen noch etwa um 2,5 Meter überragt. Obwohl sie den Fluthen in ihrem oberen Theile den Durchgang nicht ganz verwehren, genügen doch derartige Bollwerke, um auch bei den stärksten Stürmen die Kraft der See zu brechen, während die runde Beschaffenheit der Pfähle den Wellen selbst eine ungünstige Angriffsfläche bietet. Dünenschutzwerke nach diesem Princip haben aus Borkum, Norderney, Baltrum und Spiekeroog Anwendung gefunden.

Den zweiten Haupttheil sämmtlicher Inselbefestigungen machen, wie bereits bemerkt, die Buhnen aus. Ihre Aufgabe besteht darin, der geräuschlosen, aber darum nicht minder gefährlichen Thätigkeit der Strömungen entgegenzutreten und dadurch die Erhaltung des vor den Dünenschutzwerken befindlichen Strandes zu sichern; denn mit der Vernichtung des letzteren müßten auch jene unfehlbar unterwühlt und dadurch ein Opfer der Fluthen werden. So schützen also die Buhnen die Dünenschutzwerke, diese wieder die Inseln und die letzteren endlich die Küste.

Rechtwinklig zu den Schutzwerken und am Fuße derselben beginnend, erstrecken sich die Buhnen weit hinaus in die See, während ihre Breite zwischen sechs und elf Metern wechselt und ihre Länge gewöhnlich 150 Meter beträgt. Ebenso groß ist die seitliche Entfernung derselben von einander. Hoch über den Strand hervorragend brechen sie die gegen das Dünenschutzwerk gerichteten Strömungen, und indem sie diese dazu zwingen, den Sand, welchen sie mit sich führen, fallen zu lassen, tragen sie nicht wenig dazu bei, den Strand zu erhöhen.

Entsprechend dem Angriff, welchem die Buhnen ausgesetzt sind, ist auch ihre Construction eine besonders kräftige. Ihren Hauptkörper bilden Faschinen, welche, um Unterströmung zu verhüten, tief in den Strand eingegraben sind. Dicht an einander gereihete Pfähle, von denen etwa viertausend Stück auf eine solche sechs Meter breite Buhne kommen, geben demselben genügende Festigkeit und den nöthigen Schutz nach der Seite hin, während eine Quaderdecke den oberen Abschluß bildet. Wie gewaltig die Blöcke dieser letzteren sein müssen, erhellt wohl am besten daraus, daß die See bei stürmischem Wetter Steine von tausend und mehr Pfund Gewicht mit Leichtigkeit von ihrem Platze entfernt und oft Hunderte von Metern mit sich fort führt.

Am gefährlichsten erscheint die Fluth indeß, wenn sie im Winter mit Hülfe gewaltiger Eisblöcke die ihr von Menschenhand gesetzten Schranken zu durchbrechen sucht. Fast ebenso hoch als die ihr entgegenstehenden Werke thürmen sich dann die Eisschollen vor diesen empor und drohen dieselben durch ihre Masse zu erdrücken. Aber eben ihre Masse macht sie weniger gefahrvoll. Sie läßt dieselben zu einem Bollwerk für die Dünenschutzwerke werden und diese dadurch um so leichter allen Gefahren widerstehen.

Es würde uns zu weit führen, wollten wir hier die Mittel besprechen, durch welche es gelungen ist, die vielen Schwierigkeiten zu überwinden, die der Anlage der oben besprochenen Bauten entgegen standen. Möge es genügen zu constatiren, daß dies geschehen. Auf fast allen Inseln unserer Nordseeküste von Borkum bis Wangeroog ragen jetzt festungsähnliche Werke wie die oben geschilderten empor, den bedrohten Theilen sicheren Schutz verleihend. Gar stattlich schauen die Steinkolosse hinab auf den gedemüthigten Gegner zu ihren Füßen, dem sie noch im letzten Augenblick die schon sichere Beute entrissen.

So sind denn auch an der Nordmark unseres Vaterlandes Siege zu verzeichnen über einen Feind, der von Alters her tückisch diese Grenze umlauert und der Opfer wahrlich nicht wenige gefordert hat. Mögen dieselben dauernd sein!




Die Trunksucht und ihre Bekämpfung.
Eine brennende Frage der Gegenwart.
Von Franz Mehring.

Unter allen Genußmitteln ist nächst dem Tabake auf der ganzen weiten Erde keins so verbreitet, wie der Alkohol, und nur die allerrohesten Wilden begnügen sich mit dem Wasser als Getränk. Soweit die geschichtliche Kunde reicht, sagt sie den Völkern aller Zeiten und aller Zonen den Hang zum Genusse berauschender Flüssigkeiten nach. Die verschiedensten Gewächse sind dieser Neigung dienstbar gemacht worden, Rebe und Palme, Mais und Reis, Pfeffer und Zuckerrohr, Hirse und Hopfen, Gerste und Weizen bis hinab zu der bescheidenen Knollenfrucht der Kartoffel. Und wo das Pflanzenreich nicht den nöthigen Stoff darbot, griff man in’s Thierreich über; die alten Germanen bereiteten ihren Meth aus Honig, und Humboldt bewunderte 1829 in den dürren Kalmückensteppen die Spürkraft gewisser Nomadenvölker, die sich aus Stutenmilch alkoholische Genüsse zu verschaffen wußten.

Natürlich ist dieser Hang an und für sich nichts Böses; wer denkt so beschränkt, das edle Naß des Bieres zu schmähen oder gar die köstliche Blume firnen Weines? Unsittlich wird der erlaubte Genuß erst durch das Uebermaß, und hierin waren wir Deutschen freilich von altersher übel berufen. Bekanntlich berichtet schon Tacitus, daß es bei den Germanen als keine Schande gelte, Tag und Nacht immerfort zu trinken; Karl der Große und die späteren Kaiser erließen Verbote über Verbote gegen die Trunksucht, und Martin Luther schreibt über dieses schwere Volkslaster:

„Es muß jedes Land seinen eigenen Teufel haben, Wälschland seinen, Frankreich seinen; unser deutscher Teufel wird ein guter Weinschlauch sein und muß ‚Sauff‘ heißen, der mit so großem Saufen Weins und Biers nicht kann gekühlt werden, und wird solcher, fürchte ich, ewig Deutschlands Plage bleiben bis an den jüngsten Tag.“ Bis heute ist er es geblieben und wüthet auf deutscher Erde recht als ein Feind des menschlichen Geschlechts.

Nicht zwar, als ob jener altväterische Glaube eine volle Wahrheit enthielte, als ob unser nationaler Charakter unrettbar zur Trunksucht neigte! Die eigentliche Wurzel des Uebels liegt vielmehr in den klimatischen Verhältnissen; nicht in Deutschland trinkt man mehr, als etwa in Frankreich und Italien, sondern im Norden überhaupt mehr, als im ganzen Süden. In England und Irland, in Schweden und Norwegen, in Polen und Rußland, also unter den verschiedensten Volksstämmen, Angelsachsen und Kelten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_346.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2022)